ADICTS & CYANIDE PILLS

Batschkapp, 15.05.2013

Die Zeit der Batschkapp läuft langsam ab. In ein paar Monaten ist tatsächlich Schluss, zumindest am alten Standort Frankfurt-Eschersheim. Und so schwang ein bisschen Wehmut mit, als ich die wenigen Stufen zum Eingang erklomm; das gestrige wird wohl mein vorletztes Konzert in der ebenso betagten wie geschichtsträchtigen Halle an der Maybachstraße gewesen sein. Es stand nochmal ein echtes Highlight auf dem Programm: Die britische Punk-Legende THE ADICTS (Foto rechts), die zuletzt im Jahr 2009 in Frankfurt zu erleben war, fand sich im Rahmen ihrer „All the Young Droogs-Tour 2013“ wieder im gleichen Saal ein. Unterstützt wurde das Quintett von der ebenfalls aus dem Vereinigten Königreich stammenden, aufstrebenden Punkrock-Band THE CYANIDE PILLS.

Dem frühen Beginn geschuldet (Einlass 19, Start 20 Uhr – wir haben ja schon häufiger unsere Meinung über diese Zeitplanung geäußert, deshalb an dieser Stelle jetzt kein neuer Aufguss) verloren sich nur wenige Besucher pünktlich in die Kapp, so dass die Blausäurekapseln vor halb leerer Hütte rocken mussten. Die Jungs blicken seit 2009 auf die Veröffentlichung eines halben Dutzends Singles und zweier Longplayer zurück, der jüngere der beiden namens „Still bored“ (zu Deutsch: Immer noch gelangweilt) erschien erst im vergangenen Monat bei Damaged Goods Records.

Langweilig war das Dargebotene allerdings keinesfalls. Ich fand es eher erfrischend, wie der Fünfer aus Leeds zur Sache ging. Allen voran Phil Privilege (rechts), der – wie es sich für einen Punk- Sänger gehört – Hummeln im Hintern zu haben scheint. Für die selbst ernannten Experten verschiedener Musikmagazine treten die CP in die Fußstapfen von Bands wie THE BRIEFS, beerben die BUZZCOCKS oder wecken gar Erinnerungen an die SEX PISTOLS. Ich gehe da nicht ganz so weit, aber eins scheint sicher: Ihre Berufung haben die Mittzwanziger sicherlich gefunden. Bis zum Ruhm der o. g. Vertreter mag es noch weit sein, aber die Rolltreppe fährt eindeutig aufwärts.

Wer die Band kennenlernen möchte, kann dies abseits der Musik auch anhand eines aussagekräftigen Gedichts tun, in dem jedes einzelne Mitglied im Rahmen einer Strophe vorgestellt wird. Amüsant und zu lesen auf http://www.cyanidepills.com/band/. Die CYANIDE PILLS waren ein idealer Opener für die ADICTS, die mit ihnen in den vergangenen Tagen neben der „Badshkap“ (so wurde der Gig auf der Website der CP angekündigt) auch im Münchner „Ferwerk“ (Feierwerk) und im Berliner SO36 die Bühne teilten. Heute treten sie in Prag zum letzten Mal bei der Tour gemeinsam auf.

Vor der Show der ADICTS füllte sich der Saal beträchtlich, meiner Einschätzung zufolge zu gut drei Vierteln. Das Drängelgitter vor der Bühne, das unlängst bei den TOY DOLLS für einen etwa ein Meter breiten „Graben“ zwischen Publikum und Bühnenrand gesorgt und damit das Aufentern der Stagediver verhindert

hatte, fehlte diesmal. Einige Wagemutige nutzen im Lauf des Abends die Gelegenheit und erklommen das hohe Podest, wurden aber von der herbei stürmenden Security recht humorlos zurück in den tobenden Mob gestoßen. Schon zu Beginn fiel mir ein Banner der Eintracht Frankfurt-Ultras „Droogs“ auf, das prominent neben dem ADICTS-Backdrop platziert worden war (Foto davon in der Galerie). Wie kam denn das dahin? Es sollte sich noch aufklären, dazu später mehr.

Sänger Keith Warren alias Monkey kam wie immer als Letzter auf die Bühne und nahm seinen Platz zwischen Pete Dee Davison, John Scruff Ellis (beide Gitarre) und Shahen Hagobian (Bass) ein, hinter ihnen bearbeitete Michael „Kid Dee“ Davison sein Schlagzeug anfangs auf dem Stuhl stehend. Traditionsgemäß verteilte Monkey zu „Joker in the Pack“ in schillernder Montur erstmal ein paar Päckchen Spielkarten an die Fans, bevor er im weiteren Verlauf des Auftritts andere Gimmicks präsentierte.

So zog er sich zum Beispiel ellenlange Plastikschlagen aus dem Mund, trug Hut und Brille mit blinkenden Mini- LED-Leuchten, feuerte Konfetti-Kanonen ab und warf Plüschfiguren (waren das kleine Pink Panther? – irgendwas Rosafarbenes jedenfalls) in die Menge. Dazu ist der Mikrofonständer-schwenkende Mann, genau wie seine vier Kollegen, noch immer ein Ausbund an Vitalität und sollte ich mich in seinem Alter noch derart bewegen können, wäre ich heilfroh.

Etwa in der Mitte des Gigs hielten die Musiker kurz inne und kamen auf den Umzug des Clubs zu sprechen. Sie sagten, sie seien sich bewusst, dass sie nun zum letzten Mal dort spielen und über die vielen Jahre immer gern auf dieser Bühne aufgetreten seien. Was natürlich seitens des Publikums zu Recht mit viel Applaus bedacht wurde. Und wie sah das musikalische ADICTS-Batschkapp-Programm zum Abschied aus?

Es bestand zum größten Teil aus älteren Titeln der nun schon fast vier Jahrzehnte andauernden ADICTS-Karriere. Von dem Debütalbum „Songs of Praise“ und seinem Nachfolger „Sound of Music“ stammte mit insgesamt zehn Tracks fast die Hälfte des Sets. Von der neuen Scheibe wurden der Titelsong „All the Young Droogs“, das etwas poppige „Give it to me Baby“ (Clip dazu weiter oben) und das famose „Horrorshow“ gespielt. Die vorletzte LP war nur noch durch den gleichnamigen Titel „Life goes on“ repräsentiert. Daneben sorgten

Stücke wie „Fuck it Up“ und „Steamroller“ für eine ebenso tanz- wie bierselige Atmosphäre. Dies wurde nicht zuletzt auch während des Songs „Who Spilt My Beer“ deutlich, als Monkey zwei Jungs aus dem Publikum aus zwei Metern Höhe den Gerstensaft in den Mund (und natürlich über den ganzen Körper) schüttete. Diese Szene könnt Ihr in dem Clip weiter unten sehen.

Daran schloss sich nahtlos der wohl erfolgreichste Track der ADICTS, „Viva la Revolution“, an. Auch der Anfang der Mitsing- Hymne befindet sich noch auf dem Clip, bis eine uns fremde Frau einen Überrraschungsangriff startete und unserem Fotografen die Linse zuhielt. Ich versuchte zwar noch, das zu verhindern, vergeblich. Was diese völlig unnötige Aktion sollte, weiß wohl nur sie, wenn überhaupt. Ich bekam jedenfalls später auf meine Nachfrage keine Antwort. Und wäre „Sie“ ein Typ gewesen, wir hätten ihn dafür gern ungespitzt in den Boden gerammt. Der Clip ist dennoch gelungen, bis die seltsame Person zugriff, schaut’s Euch mal an:

Den Abschluss – wenig überraschend mit „You’ll Never Walk Alone“ – ließen wir uns dadurch jedenfalls nicht vermiesen. Der alte englische Supporter-Song rundete einen klasse Auftritt ab, der sogar an den Gig von 2009 herankam. Toppen konnte er ihn zwar nicht, aber das musste er auch nicht. Eine

ADICTS- Show bietet immer fantastisches Entertainment. Während ein guter Freund dem gestrigen Konzert mit der Bemerkung fernblieb, da sei ihm zuviel Faschings-Firlefanz im Spiel, werde ich trotz norddeutscher Gene durch diese Band vielleicht doch noch zum Karnevalsfan…

Schuldig bin ich noch die Erklärung für das „Droogs“-Banner. Wie ich hörte, war die Konzert-Agentur der Band (Mutti’s Booking) darauf aufmerksam geworden, dass die Eintracht-Ultras das Logo der ADICTS (das gezeichnete Gesicht Monkeys mit Bowlerhut) verwenden, u. a. auf ihren Transparenten und auf ihrer Website. Daraufhin bekam der Fanclub Post von Mutti’s – aber nicht, um unter Androhung von Anwälten oder Geldstrafe eine Unterlassung zu fordern, sondern mit dem feinen Angebot, zwei Banner auf der Bühne aufzuhängen. Obendrein gab’s dann sogar noch ein paar Freikarten. Das spricht für die Agentur und natürlich für die Band. Viva la ADICTS!

Setlist: Joker in the Pack/Ode to Joy – This is Your Life – Let’s Go – Tango – Fuck it Up – Straight Jacket – Easy Way Out – Numbers – Troubadour – Give it to me Baby – Life Goes On – I am Yours – All the Young Droogs – Calling Calling – Bad Boy – Mary Whitehouse – Songs of Praise – Steamroller – Horrorshow – How Sad // Who Spilt My Beer – Viva la Revolution – Walk On (You’ll Never Walk Alone)

Links: http://www.adicts.us/, http://www.myspace.com/adicts, http://www.reverbnation.com/theadicts, http://www.cyanidepills.com/, http://www.myspace.com/thecyanidepills

Text & Fotos (2): Stefan / Fotos & Clips: Kai

Mehr Bilder:


Einen weiteren Bericht zu THE ADICTS gibt es hier.

1 Comment

Filed under 2013, Konzerte, Videoclips

One Response to ADICTS & CYANIDE PILLS

  1. Pater Noster

    … und es ging noch weiter!

    Die Band war nach dem Gig noch zu Gast bei ner Fete der Droogs!