ADICTS

Batschkapp, 6.12.2009

Ein Nikolausabend, für den man sich schon im Vorfeld am liebsten hätte klonen mögen: In der Batschkapp hatten sich nämlich die Clockwork- Punks THE ADICTS angesagt, während im kleineren Nachtleben für alle Rocka-, bzw. Psychobilly-Freunde die LONG TALL TEXANS gebucht worden waren. Ich war lange Zeit unentschlossen, zu welchem Event es mich ziehen sollte, schließlich entschied ich mich für die LTT. Doch dann die Überraschung:  Die Veranstalter kommunizierten, dass man beide Konzerte zusammengelegt habe und Kartenbesitzer für das Nachtleben auch in der „Kapp“ eingelassen würden. So kamen Fotograf Kai und ich in den Genuss, sowohl die ADICTS als auch die LONG TALL TEXANS mit ihren jeweiligen Support-Bands nacheinander in einem Venue auf der gleichen Bühne zu sehen.

Den Anfang an einem langen Konzertabend machten die beiden Local Acts, ROLLIN RACKATEERS aus Rüsselsheim sowie die hiesigen TORPEDOHEAD. Während erstere, ursprünglich als Anheizer für das Nachtleben gedacht, mir mit ihrem Rockabilly-Sound gefielen, konnte ich mit dem Rock der letztgenannten weniger anfangen. Ich habe da keinen Faible für, das war schon beim vorigen Mal, im Juli an gleicher Stelle vor den NEW YORK DOLLS, so. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums „Lovesick Avenue“ im Frühjahr scheinen TORPEDOHEAD allerdings in der Gunst von Publikum und Bookern stark gestiegen zu sein.

Es folgte mit den LONG TALL TEXANS der, ich nenne ihn mal Co-Headliner. Das Trio aus Brighton um Mark Carew (links) am Kontrabass legte sich prima ins Zeug, allerdings wäre die Band in einem kleinen, verschwitzten Club besser zur Geltung gekommen als auf der großen – und außerdem sehr hohen – Bühne einer Halle wie der Batschkapp. Dennoch war der Gig erstklassig. Musikalisch haben’s die Jungs absolut drauf, ihre Songs sind eingängig, nie langweilig und der sympathische Carew vermag seine gute Laune auf das Publikum zu übertragen. Ich hoffe, dass die Combo bei ihrem nächsten Frankfurt-Stopp tatsächlich in einem familiäreren Rahmen zu sehen sein wird.

Dann: Showtime für THE ADICTS, die sich auf ihrer Webseite selbst als die dienstälteste, noch in Originalbesetzung spielende Punkband bezeichnen und bereits seit Mitte der Siebziger aktiv sind. Beim gestrigen Gig dabei waren

Sänger Keith „Monkey“ Warren, Pete Dee Davison (Gitarre), Michael „Kid Dee“ Davison (Schlagzeug) und John Scruff Ellis an der zweiten Gitarre. Aus dem Line-Up der Gründungsmitglieder fehlte (wohl krankheitsbedingt) Mel „Spider“ Ellis, für ihn rückte Shahen Hagobian am Bass in die Formation.

Die Briten präsentierten im Rahmen ihrer „Life Goes On“-Tour, die sie vor dem Abschlusskonzert in Frankfurt innerhalb Deutschlands noch nach Aachen, Dortmund, Berlin, Leipzig und Stuttgart geführt hatte, ihr neues und gleichnamiges Album. Dieses war im vergangenen Monat bei People Like You erschienen.

Angezogen mit blütenweißen Klamotten und schwarzen Melonen wie die „Droogs“- Bande im Kubrick-Klassiker „Clockwork Orange“, eröffnete die Band die Show ohne ihren charismatischen Frontmann Monkey. Dieser betrat die Bühne unter dem Jubel der Fans zuletzt – bunt wie ein Paradiesvogel: Er trug eine in allen Farben glitzernde Jacke samt silberner Paillettenhose, auf dem Kopf eine

gold-, grün- und lilafarbene Narrenkappe mit langen Zipfeln. Diese tauschte er im Verlauf des Gigs noch gegen einen dunklen Bowler, eine weitere Kappe mit ellenlangen Tentakeln und eine schmucke Perücke im Afrolook. Dazu sein weiß geschminktes Gesicht, das als Markenzeichen der Gruppe auf den meisten Flyern, Plakaten und teilweise auch Plattencovern abgebildet ist. Der Mann ist, nicht nur der schrillen Aufmachung wegen, eine der schillerndsten Figuren der gesamten Punkszene der vergangenen dreißig Jahre.

Es dauerte nicht lang, da ließ Monkey zu „Joker in the Pack“ Spielkarten über die Köpfe in die Menge segeln. Und die Karten waren beileibe nicht das einzige, was im Laufe der Show durch die Luft flog. Es folgten u. a. goldene Papierschlangen, Konfetti, fadenförmiger Sprühschaum (keine Ahnung, wie das Zeug heißt) und die riesigen, bunten Bälle, die immer wieder gern vom Publikum durch die Halle geboxt werden (siehe den Clip zu „You Never Walk Alone“ unten). Ein Spektakel sondergleichen. Bühne und Zuschauerraum dürften, dem Aussehen nach einem äußerst munteren Kindergeburtstag ähnlich, den Reinigungsdienst vor eine echte Herausforderung gestellt haben.

Auch musikalisch blieben keine Wünsche offen. Dominiert wurde das Set von Klassikern, z. B. vom Debütalbum „Songs of Praise“ von 1981, das die Band im vergangenen Jahr noch einmal als „25th Anniversary Edition“ neu aufgelegt hat (wieso eigentlich 25-jähriges Jubiläum, es sind doch 27 Jahre?). Davon erwähnenswert natürlich „Viva La Revolution“, der unumstrittene Publikumsrenner und so etwas wie die Hymne der Truppe, sowie „Callling Calling“, das auf der Tour wohl nur in Frankfurt gespielt wurde. Ebenfalls gut: „Rockin’ Wrecker“ vom 85er-Release „Smart Alex“, von dem auch die gern als Opener gespielte „Ode to Joy“ stammt. Dazu kamen einige Stücke der neuen Scheibe, die mir etwas zu poppig daherkommt, aber die Band war schon immer live ein größeres Erlebnis als von der Platte.

Besonders in Erinnerung bleiben wird mir sicherlich die Szene, als ein paar junge Damen, die zum Song „Bad Girl“ auf das Podest gebeten wurden, Monkey nach ihrer Tanzeinlage buchstäblich auf Händen trugen (oben). Dieser gratulierte später der Freundin des ROLLIN RACKATEERS-Sängers Toby auf der Bühne noch persönlich zum Geburtstag, eine nette Geste. Gegen Ende des Auftritts, bei dem er zu absoluter Höchstform aufgelaufen war, entledigte sich Monkey noch weitgehend seiner Klamotten, um schließlich vor der Bass Drum niederzuknien und sich erschöpft nach hinten fallen zu lassen. Kurz danach war dann Schluss. Finale furioso.

Stagehand Dave von der „Adicts Bastard Road Crew“, der die Band rund um die Welt begleitet und ein stellenweise amüsantes Tagebuch über seine Erlebnisse geführt hat (http://davesuspect.blogspot.de/2009/12/sunday-6th-december-2009-frankfurt.html) schreibt in seinem Blog, die Show sei die beste der gesamten Tour gewesen. Er muss es wissen, denn er war immer dabei. Und ich kann ihm nur Recht geben, das Abschlusskonzert in Frankfurt war phänomenal und nicht zu toppen. THE ADICTS – für mich vermutlich der beste Gig des Jahres 2009.

Links: http://www.adicts.us/ , http://www.myspace.com/adicts, http://www.longtalltexans.co.uk/, http://www.myspace.com/thelongtalltexans, http://www.torpedohead.de/, http://www.myspace.com/torpedoheadrocks, http://rollinracketeers.de/http://www.myspace.com/rollinracketeers/

Text: Stefan / Fotos: Kai
Clip: aufgenommen am Konzertabend von volrichy2

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