ALIEN SEX FIEND

Batschkapp, 30.07.2012

Es gibt Bands, die man, ganz gleich welches musikalische Genre man bevorzugt,  einmal im Leben gesehen haben sollte. ALIEN SEX FIEND sind definitiv eine davon, denn die Auftritte der nun bereits seit drei Dekaden aktiven englischen Combo sind stets eindrucksvolle, atmosphärische Goth’n’Roll-Messen, die auch heute noch viele Jünger anlocken. Als Opener am gestrigen Abend war SHADE FACTORY aus Finnland angekündigt, was mir leider entging, da mal wieder pünktlich um 20 Uhr begonnen wurde und Timo Väänänen, der hinter dem One-Man Dark-Electro-Projekt steckt, bereits um 20.30 Uhr die Bühne wieder verlassen hatte. Die Kommentare derer, die ihn gesehen hatten, ließen aber vermuten, dass ich nichts verpasst hatte. Dennoch: Rock-Konzerte um 20 Uhr beginnen zu lassen ist eine Unart, die ich an der Batschkapp nicht besonders schätze.

Es ist gut und gerne 20 oder 25 Jahre her, seit ich ALIEN SEX FIEND das letzte Mal in Volksbildungsheim und Kapp gesehen hatte, doch beim ersten Blick auf die Bühne kam es mir vor, als ob ich einen Time Tunnel betreten hätte. Alles war wie damals: Wabernde Nebelschwaden, von der Decke hängende Spinnennetze, diverse skurril entstellte Schaufensterpuppen, eine amerikanische Trash Can gefüllt mit Knochen und Schädeln, abwechselnd giftgrüne und blutrote Dämmerbeleuchtung – das Universum von ASF hatte sich in der Halle manifestiert und sie in eine Höllen-Kathedrale verwandelt.

Auf der Kanzel dieser thronte omnipräsent der Zeremonienmeister der finsteren Darbietung: Nik Fiend. Jener Nik Fiend, der in den frühen achtziger Jahren einer der bedeutenden Köpfe des legendären Batcave Clubs in London war, der bereits 1986 mit seiner Band ALICE COOPER auf dessen „The Nightmare Returns“-Tour supportete und der im gleichen Jahr den Über-Club-Hit „I Walk the Line“ schuf, der auch heute noch zum Standardrepertoire eines jeden Gothic-DJs gehört. Das Verblüffende dabei war, dass sich der Mann in den letzten 20 Jahren kaum verändert hat. Sollte hinter dem Bandnamen doch mehr stecken als die drei griffigen Worte?

ALIEN SEX FIEND, das ist neben Nik hauptsächlich dessen Frau Mrs. Fiend, die wie gewohnt zu dessen rechter Seite auf der Bühne positioniert und von diversen Keyboards und Effektgeräten umgeben war. Ein Gitarrist im weißen Arztkittel und ein zweiter Keyboarder komplettierten die Band. Optisch stimmte also alles, doch sollte die Gruppe anno 2012 auch musikalisch überzeugen können? Auf späteren Alben war man nämlich vom ursprünglich rauen und rotzigen Sound, der wie eine Mischung aus CRAMPS und THROBBING GRISTLE klang, abgekommen und bewegte sich phasenweise sogar in Gefilden des Techno- und Ambient-Sounds.

Offensichtlich aber hat die Band musikalisch noch mal die Kurve bekommen und ist auf ihrem aktuellen Album „Death Trip“ wieder mehr zu ihrem Ursprung zurückgekehrt. Die alten Klassiker wurden keineswegs gemieden, der Set bot eine illustre Mischung aus alten und neuen Liedern und immer, wenn man gerade dachte, dass die Band sich diesen Song nun wirklich hätte sparen können, folgte prompt darauf eine der alten Hymnen. Vertreten waren unter anderem „Ignore the Machine“, „E.S.T.“, „I Walk the Line“, „Hurricane Fighter Plane“, „Now I’m Feeling Zombified“, „They All Call Me Crazee“, „Drive My Rocket“ und „Hee Haw“. Selbst wenn ich einige Stücke wie „New Christian Music“ vermisst habe, so war dies durchaus zu verschmerzen, da auch andere ASF-Songs über den typisch manischen Beat und die hypnotisierenden Samplings und Loops verfügen, die den Grundstein für das angenehme Grusel-Feeling liefern.

Letztendlich ist ein ALIEN SEX FIEND-Gig – mehr als bei jeder anderen Band – ein Gesamtereignis, bei dem es weniger auf die Auswahl der Songs, als vielmehr die Inszenierung, die Atmosphäre, und die manischen Klänge ankommt. Ich war noch nie bei einem Techno-Rave – und man erschieße mich, falls ich mich jemals dorthin verirren sollte – ich vermute aber, dass ein ASF-Konzert dieser Erfahrung sehr nahe kommt.

Unterm Strich habe ich einen hervorragenden Auftritt erlebt, der visuell wie akustisch zu gefallen wusste und für mich bereits jetzt zu den Highlights des Jahres zählt. Lediglich „I Walk the Line“ wurde ordentlich in den Sand gesetzt, da das Stück nicht von der gewohnt treibenden Gitarre, sondern stattdessen von Keyboards dominiert wurde. Der einzige Wermutstropfen an einem ansonsten herausragenden Abend. Long live the Fiends!

Links: http://www.asf-13thmoon.demon.co.uk/, http://www.myspace.com/aliensexfiend

Text: Marcus / Fotos & Clip: Kai

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