ANGELIC UPSTARTS

Das Bett, Frankfurt, 28.10.2013

Bereits 36 Jahre haben die ANGELIC UPSTARTS auf dem Buckel und zählen somit nach COCK SPARRER (gegründet 1972), SHAM 69 und den ADICTS (1975) sowie den LURKERS, VIBRATORS, BUZZCOCKS und UK SUBS (1976) zum erlesenen Kreis der ältesten, noch existierenden Punk- Formationen des englischen Eilands. Im Gegensatz zu den genannten Bands, COCK SPARRER mal ausgenommen, waren die UPSTARTS aber schon immer anders. Nicht so schrill, nicht so ausgeflippt, eher bodenständig, nüchtern (das Auftreten, nicht den Zustand betreffend) und ernst. Ihre Themen waren nie Anarchie und Chaos, sondern Arbeitslosigkeit, Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit. Themen, die allesamt eng mit der nordenglischen Heimat der Band verbunden sind und sich eindrucksvoll und intensiv in ihren Songs manifestierten. Mit ihrem Working-Class-Image und den politischen Messages legten die UPSTARTS in den späten Siebziger Jahren schließlich den Grundstein für den Oi-Punk und sind seither ein Garant für mitreißende Live-Shows.

Als Opener des Konzertabends im Frankfurter Club Das Bett fungierten die aus der gleichen Region Englands stammenden CRASHED OUT (Fotos in der Galerie). Diese boten soliden, aber wenig spektakulären Pub-Punk-Rock, der nicht wenige Besucher dazu veranlasste, ihr Bier vor und nicht in der Halle zu sich zu nehmen. Es war kurz nach zehn, als die ANGELIC UPSTARTS

schließlich die Bühne betraten; und dies mit sichtlicher Mühe, denn die recht hohen Stufen des Podests stellten einige der älteren (und nicht mehr ganz schlanken) Herren bereits vor Probleme. Tatsächlich haben Sänger Thomas „Mensi“ Mensforth und seine Jungs schon bessere Tage gesehen, aber wir werden schließlich alle nicht jünger. Und so ging es im Vergleich zum Konzert vor mehr als fünf Jahren im Bockenheimer Exzess doch wesentlich gemächlicher, wenn auch nicht leiser, zu.

Im aktuellen Lineup stellt Mensi das einzig verbliebene Gründungsmitglied dar, wobei seine Mitstreiter sich alle aus alten Punk-Veteranen rekrutieren. Dickie Hammond (oben), der aussah, als ob er gerade aus einem Vollrausch erwacht wäre, ist

zum Beispiel einer der Gründer von LEATHERFACE und Gaz Stoker war früher bei RED LONDON als Basser tätig. Als Schlagzeuger fungierte Jonnie Halling, der auch beim Opener CRASHED OUT hinter der Schießbude saß. Und wenn ich eingangs erwähnt habe, dass die Jungs sich bereits in ihren frühen Jahren eher schlicht gaben, so schien zumindest Mensi auf seine alten Tage hin noch mal vom Geist des Street-Punks ergriffen worden zu sein, denn er präsentierte sich mit einem schicken, lilafarbenen Bart.

Los ging’s mit „Two Million Voices“, einem der UPSTARTS-Klassiker schlechthin, dem mit „Never Had Nothing“ und „You’re Nicked“ gleich zwei weitere Kracher aus den frühen Achtzigern folgten. Obgleich die Songs über

jeden Zweifel erhaben sind, bedurfte es bei mir doch einiger Zeit, die älteren Herrschaften auf der Bühne mit ihren wütenden Working-Class-Liedern in Verbindung zu bringen, zumal Mensi bereits zu Beginn des Gigs bekannte, dass seine Stimme an diesem Abend nicht die beste sei. Einige Gesangsparts wurden daher vom zweiten Gitarristen Neil Newton übernommen.

Spätestens beim Gänsehaut- Track „Solidarity“ (mit STAGE BOTTLES-Sänger Olaf, einem langjährigen Freund der Combo, am Mikrofon – siehe Clip unten) verwandelte sich Das Bett jedoch vor meinen Augen in ein nordenglisches Arbeiter-Pub und ließ meinen Äppler nach Cider schmecken. Den Song hatte die Band anno 1981 als Huldigung der polnischen Solidarnosc-Bewegung geschrieben und auch heute, über 30 Jahre später, hat er nichts von seiner Magie verloren. Ab diesem Moment wurde im „Pub“ Party gefeiert, ein Gassenhauer folgte dem nächsten und die etwa 80 Anwesenden, deren Durchschnittsalter sich von dem der Band nur unwesentlich unterschieden haben dürfte, gingen begeistert mit.

„Teenage Warning“, „The Murder of Liddle Towers“, „Police Oppression“, „England“, kein Klassiker fehlte. Dabei wurde natürlich auch ordentlich gesoffen, sogar Cuba Libre auf ex. Dies praktizierte zumindest ein Besucher neben mir an der Bar, vermutlich,

um sich den Glaspfand zu sparen. Die Setlist umfasste 23 Songs, von denen allein 18 aus den Jahren zwischen 1979 und 83 stammten. Mit „Delilah“ (fürchterlich) und „White Riot“ von THE CLASH wurden zudem zwei Cover-Versionen geboten. Alles in allem war der Gig natürlich nicht mit den wütenden Auftritten in den Achtzigern zu vergleichen; es war ganz einfach ein schöner Abend mit großen Songs von einer großen Band, der einen Hauch von Melancholie verbreitete.

Zu erwähnen ist noch, dass die Passagen, in denen der STAGE BOTTLES-Frontmann Olaf die UPSTARTS mit seinem Saxophon begleitete, scheinbar einigen Anwesenden zu lang waren, was zu vereinzelten „Ohne Olaf!“-Rufen (siehe Clip) im Publikum führte. Der guten Stimmung tat dies aber keinen

Abbruch, denn ob mit oder ohne Saxophon, die Songs der Jungs sind einfach eine Klasse für sich und ihre Botschaften aktuell wie eh und je. Wer noch einmal Gelegenheit haben sollte, die ANGELIC UPSTARTS in diesem wirklich guten Lineup live zu erleben, der sollte sie ergreifen. Sänger Mensi hatte nämlich bereits 2006 seinen Rückzug bekannt gegeben, kehrte aber nach einem Jahr wieder zur Band zurück. Wie lange er sich den Tour-Stress allerdings noch zumutet, ist fraglich.

Links: http://www.angelicupstarts.net/, https://myspace.com/angelicupstartsmusic, http://www.lastfm.de/music/Angelic+Upstarts, http://www.crashed-out.co.uk/, https://myspace.com/couk, http://www.lastfm.de/music/Crashed+Out

Text: Marcus / Fotos (14) & Clip (oben): Kai / Fotos (4): Stefan
Clip (unten): am Konzertabend aufgenommen von VodkaViolator

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