ATTACK OF THE MAD AXEMAN & PRIPJAT

Exzess, 21.10.2012

Konzerte im Frankfurter Exzess sind oft wie eine Wundertüte, zumindest für mich. Bei den dortigen Veranstaltungen gastieren nämlich jeweils zwei bis vier Grindcore-, Power Violence- oder Wasweißichcore-Bands, von denen ich noch nie gehört habe und von denen ich mir auch niemals eine Scheibe zulegen würde, weil mir die Musik zu eintönig und langweilig ist, aber die Bands live zu sehen, macht immer einen Heidenspaß. Außerdem ist es stets ein willkommener Anlass, sich mit Freunden zu treffen und mit einem gepflegten Binding Ex in Zimmertemperatur anzustoßen. Die Wundertüte des gestrigen Abends enthielt ein Ticket für eine Zeitreise in die Achtziger sowie eine Schildkröte, eine Biene, eine Schnecke und eine Eule, die zusammen musizierten, doch dazu später mehr.

Als erster Act des Abends betraten vier junge Bengel die Bühne, an deren Seiten gelbe Blechfässer mit dem Zeichen für radioaktive Strahlung aufgestellt worden waren. Die Band hat offensichtlich äußerst intensiv die jeweils ersten Scheiben von EXODUS, METALLICA, AGENT STEEL und ANTHRAX studiert und hört auf den Namen PRIPJAT, was wiederum die Ortschaft ist, die 1970 für die Arbeiter des Kernkraftwerks Tschernobyl errichtet wurde. Das hätte ich nicht gewusst, wenn ich nicht recht viele Horrorfilme schauen würde und kürzlich über den Streifen „Chernobyl Diaries“ gestolpert wäre, in dem einige US-Touristen just diese Geister-Stadt besuchen und es dort mit radioaktiv verseuchten Zombies zu tun bekommen. Merke: Horrorfilme bilden!

Doch zurück zur Band. Neben dem Proto-Metal und Psychedelic-Rock-Genre erlebt auch das Thrash-Metal-Genre dieser Tage einen Boom, der junge, mit EXODUS-Shirts (in diesem Falle MORBID ANGEL-Shirts) ausgestattete Combos wie Pilze aus dem Boden sprießen lässt. Mir persönlich macht das großen Spaß, denn in den Achtzigern bin ich mit just den genannten Bands aufgewachsen und reise daher gerne in die Blütezeit des Speed-Metals zurück.

PRIPJAT präsentierten sich erstaunlich nahe an ihren Vorbildern, die Jungs rockten mit energiegeladener Show, immenser Spielfreude und richtig geilen, schnellen Songs den Saal.

Passend zum Oldschool-Sound trugen die Stücke dann auch Titel wie „Nuclear Chainsaw“, „Destruction Manifesto“ und „Sons of Chernobyl“, die durchaus aus dem Buch „Metal Lyrics for Dummies“ hätten stammen können, aber das gehört nun mal zum Metal dazu. Alles in allem ein Klasse-Gig der Kölner Band, der allerdings auch einige ungewollt komische Elemente lieferte. So zum Beispiel, wenn Sänger Kirill Gromada nach gefühlt jedem zweiten Song den etwa zwanzig Leuten vor der Bühne ein „Seid Ihr gut drauf, Frankfurt?“, entgegenschmetterte. Das hat man sich dann doch eher von den SCORPIONS, den TOTEN HOSEN oder dem Musikantenstadl abgeschaut. Dennoch: „Two thumbs up for PRIPJAT“, ich bin beim nächsten Mal gern wieder dabei.

Als zweite Band und Höhepunkt des Abends standen schließlich die Jungs aus der Wundertüte auf dem Programm, ATTACK OF THE MAD AXEMAN aus Hamburg. Der Name könnte zwar auch auf Metal-Klischees schließen lassen, doch dem ist mitnichten so, denn dahinter steckt ein Konzept. Er spielt nämlich

nicht auf die Mitglieder an, wie man vermuten könnte, sondern vielmehr auf einen bösen Holzfäller, der mehreren armen Tierchen den Wald kaputt gemacht hat. Und nun sind Biene, Eule, Schildkröte und Schnecke so sauer, dass sie es der Menschheit heimzahlen, in dem sie deren Gehörgänge mit infernalischen Grindcore-Attacken penetrieren – wenn das mal nicht die beste Idee seit Vader Abraham und seinen singenden Schlümpfen ist.

„Animal Grind is Future“, prangte auf einem der Shirts am Merch-Stand, und dass dem so ist, beweist die Band nun schon seit über fünf Jahren und drei Alben. Doch die Kerle haben nicht nur ein einzigartiges Konzept, sie gehen live auch ab wie ein Pitbull auf einem Kinderspielplatz. Es war nicht nur ein optisches Vergnügen, den Jungs beim Spielen zuzusehen, auch musikalisch war es richtig gut. Vorausgesetzt natürlich, dass man härteren Klängen nicht abgeneigt ist; BROILERS-Fans wäre vermutlich die Birne geplatzt und das zu Recht. In puncto theatralischen Posen steht das Quartett übrigens Bands wie

MANOWAR, RAMMSTEIN und LAIBACH in nichts nach, die Fotos spiegeln dies zum Teil wieder. Apropos RAMMSTEIN: Auch bei ATTACK OF THE MAD AXEMAN kamen Pyro-Effekte zum Einsatz (siehe unseren Videoclip weiter unten), die nun auch erklärten, warum die Schildkröte zu Beginn des Auftrittes noch einen Feuerwehrhelm trug.

Was bei Grindcore-Bands leider genrebedingt immer etwas in den Hintergrund rückt, sind die Texte, die man sowohl live, als auch auf Tonträger zumeist lediglich als Durchfallgeräusche oder Brunftschreie von Wildschweinen wahrnimmt – und das ist schade, denn auch hier haben die Tierchen einige Kracher parat. Songs wie „Victim of the Wohngeldamt“, „The Philosophy of Rüdiger Nehberg“ oder „Eichhörnchen Wasserski“ zeugen von dialektischer Auseinandersetzung mit dem menschlichen Mikrokosmos.

Ein tierisch starker Gig mit hohem Unterhaltungswert und ein Tipp für alle, die gerne in den Zoo gehen und/oder musikalischen Kuriositäten nicht abgeneigt sind. Am Merch-Stand gab es übrigens neben diversen T-Shirts, den drei Scheiben auf Vinyl und einer Doppel-Kassetten-Edition des aktuellen Albums (in einer VHS-Hülle!) auch die offizielle Animalgrind-Publikation zu kaufen. Titel: „Grind am Sonntag!“ Hatte ich eingangs erwähnt, dass ich bei Konzerten im Exzess nie eine Scheibe kaufen würde? Diesmal habe ich es doch getan! Animal Grind is Future!

Links: http://www.animalgrind.org/pages/story.html, http://www.myspace.com/attackofthemadaxeman

Text & Fotos (12): Marcus / Fotos (12) & Clip: Stefan

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