Au-Sommerfest, Frankfurt, 3.06.2017
Am ersten Juni-Wochenende ging wieder das Sommerfest in der Au über die Bühne – diesmal anlässlich des 34. Jahrestages der Besetzung der Liegenschaft im Frankfurter Stadtteil Rödelheim. Eingebettet zwischen der traditionellen Hausparty am Freitag und dem Fußballturnier am Sonntag gaben sich am Samstag gleich sechs Bands ein Stelldichein, über deren erste drei F*CKING ANGRY, ESTRICALLA (links) und LENA STÖHRFAKTOR wir im Folgenden berichten. Der zweite Teil behandelt dann die Shows von THE FIEND, THE KIDS und dem Headliner THE PUKES (klicke hier). Wie schon häufiger beim Au-Fest teilen sich Stefan und Marcus die textliche Aufarbeitung der Auftritte, der Name des jeweiligen Autoren ist der Klammer am Ende der Absätze zu entnehmen. Für die zahlreichen Fotos zeichnet wieder das eingespielte Team mit Kai und Frank verantwortlich. Genug der Vorrede, los gehts:
Die Wettervorhersage mag schuld gewesen sein, dass 2017 etwas weniger Freunde von Punk, Hardcore und Artverwandtem in der Au vorbeischauten als in den vergangenen Jahren, denn angekündigt waren Unwetter mit Starkregen und Gewitter. Vielleicht hielt auch das Fußball-Champions League-Finale am Abend einige potentielle Gäste ab oder ganz einfach die Tatsache, dass eben das lange Pfingstwochenende eine gute Gelegenheit für eine Kurzreise bietet. Ich weiß es nicht, aber letztlich spielte es auch keine Rolle. Das Festival hatte dennoch eine mehr als vorzeigbare Kulisse. Und ob es tatsächlich Katzen und Hunde regnen würde, sollte der Verlauf des Abends erstmal zeigen. Nach einem heftigen Schauer, der um die Mittagszeit über dem Norden Frankfurts niederging, präsentierte sich das Gelände bei meiner Ankunft gegen halb Fünf jedenfalls bei schönem Sonnenschein, eine erkleckliche Anzahl von Musikfreund/innen hatte sich bereits eingefunden und der ein oder andere ließ sich einen Anti-G20-Soli-Schnaps nach dem Motto „Mexikaner gegen Trump“ einschenken. Lecker übrigens, dat Zeugs…
Das erste musikalische Ausrufezeichen des diesjährigen Festivals setzte gleich der Opener F*CKING ANGRY. Der Punkband aus Bonn gelang es nach dem kurzen Ausruf „Au-Fest, kommt mal ran!“ eine für die frühe Stagetime von 17 Uhr recht ansehnliche Menschenmenge vor der Bühne zu versammeln und machte dann vom Start weg ordentlich Alarm. Kurze, knackige Songs, kaum einer länger als zwei Minuten, vorgetragen mit räudig-rotziger Attitüde und aufgrund des hohen Tempos höchstem Energielevel, bei dem auch die zahlreichen Sprünge des Bassisten Chris (stilecht im CIRCLE JERKS-Shirt) und seiner Kollegen an den Gitarren zu gefallen wussten. Da schonte sich trotz Hitze und aufs Podest knallender Sonne niemand – die mit schöner Reibeisen-Stimme ausgestattete Sängerin Beckx musste hier und da ganz schön pumpen, um das Tempo konditionell mitzugehen. Zum Ende des Gigs stieg sie noch vom Podest hinunter, um das letzte Stück auf Augenhöhe mit dem Publikum zu singen.
Die Geschichte des Quintetts reicht bis ins Jahr 2012 zurück, in dem es die allererste Show in der Silvesternacht spielte. In der Folgezeit sammelte es Erfahrung mit jeweils knapp 25 Auftritten pro Jahr und teilte die Bühne mit Schwergewichten wie HAMMERHEAD, OIRO, POPPERKLOPPER und LOVE A, um nur einige zu nennen. 2013 erschien mit „Doin‘ Alright“ die Debüt-EP, 2015 folgte der erste Langspieler namens „Dancing in the Streets“. Gesungen wird Deutsch und Englisch. Stücke wie „Fuck off“, „Psycho“ und „Lone Wolf“ sind nicht nur auf letzterem Album sondern auch live absolute Raketen. Textlich, wie bei anderen Punkbands auch, zwar nicht unbedingt die Offenbarung – dass Arbeit Scheisse (Song „Arbeit“) und Politiker und Polizei eher unbeliebt sind („Destroy“) ist hinlänglich bekannt. Aber manchmal auch augenzwinkernd witzig: „Was ist schon dabei? – Ich brat mir ein Ei – Sonntags auch mal zwei – mit Atomstrom!“ („Atomstrom“). Ein mehr als gelungener Auftritt der Bonner, die sich nach eigener Aussage freuten, das Festival „mal nicht vor, sondern auf der Bühne“ zu erleben. Für mich zusammen mit THE KIDS der beste Gig des Au-Sommerfestes 2017. (Stefan)
Die folgende Band ESTRICALLA konnte bereits bei mir punkten, als sie beim kurzen Soundcheck vor dem eigentlichen Set „Lost Cause“ von den COSMIC PSYCHOS anspielte. Wer die australischen Farmpunks mag, der kann keinen schlechten Musikgeschmack haben. Und tatsächlich: Das, was die seit etwa zehn Jahren existierende Formation aus dem spanischen Baskenland bot, wusste zu gefallen.
ESTRICALLA spielen politischen Hardcore, mal brachial und schnell, mal melodisch. Und obgleich der Name der Basken hierzulande relativ unbekannt ist, genießt das Quintett international einen sehr guten Ruf, was Gastauftritte von Punkgrößen wie Mr. Chi-Pig (SNFU) und Jello Biafra (Ex-DEAD KENNEDYS) auf den letzten Veröffentlichungen von ESTRICALLA beweisen. Schlagzeuger Bati hilft zudem gelegentlich als Live-Drummer bei SNFU aus.
Aufgrund der Tatsache, dass die Jungs ihre Songs ausschließlich auf Spanisch und Baskisch darboten, blieb mir die Botschaft hinter den einzelnen Stücken leider verborgen. Außer Frage stand aber, dass die Tracks mit sehr viel Wut im Bauch dargeboten wurden. Beim Publikum kamen ESTRICALLA – bei nach wie vor schönem Wetter – gut an und als abschließend der bereits eingangs erwähnte Song „Lost Cause“ in kompletter Länge gespielt wurde, gab‘s ohnehin kein Halten mehr. Unterm Strich ein starker Auftritt, der als eine der Überraschungen des Festivals angesehen werden kann. Wer auf technisch anspruchsvollen Hardcore steht, der sollte die Combo auf jeden Fall mal anchecken. Da mich der nächste Act zwang, vom Gelände zu fliehen, übergebe ich die Berichterstattung nun wieder an Stefan. (Marcus)
Kaum ein Auftritt polarisierte im Vorfeld eines Sommerfestes so wie der von Lena Stöhrfaktor. Hip Hop beim Au-Open-Air? Manch altgedienter Besucher ereiferte sich und rümpfte die Nase. Jüngere dagegen standen dem Gig schon offener gegenüber. Erstmal Mexikaner trinken und abwarten, was da so kommen würde. Die Berlinerin war durch die Absage ihrer Kollegen SOOKEE ins Line-Up gerutscht. Ich selbst war gespannt, wie die Show beim Publikum ankommen würde. Ich habe ja immer einen Heidenrespekt vor all jenen, die da aufs Podest klettern und performen, in diesem Fall sogar ganz alleine (mit Unterstützung vom Sound aus der Konserve). Aber wie sagte ein befreundeter, während der Show neben mir stehender Musiker: „Wenn Du auf eine Bühne gehst, dann musst Du auch liefern können“. Recht hat er.
Das tat das Mädel, das seit 2003 Hip Hop macht, dann auch. Routiniert und souverän reihte sie schier endlos Zeile an Zeile und brachte ihre Gedanken, die sie in Lieder fasst, dem Publikum dar. Das hörte geduldig zu, manche tanzten und recht viel Applaus gab es auch. Damit hatte wohl selbst die Sängerin nicht in dieser Form gerechnet, was sie zum Anlass nahm, sich auf ihrer Facebook-Seite mit den Worten „Leute war Hammer beim AU Fest in Frankfurt. Richtig herzliche Stimmung und mein Rap inmitten der ganzen Punkbands wurde genauso herzlich angenommen. (..) Danke euch.“ zu kommentieren. Meine Tasse Tee war das nicht, aber bekanntlich schadet es auch nicht, mal über den Tellerrand zu blicken und sich Neuem, wenigstens ansatzweise, zu öffnen. Also, war Lena beim Au-Fest nun ein Stö(h)rfaktor? Für die ältere „Generation“ der Besucher wohl schon, für die jüngere mitnichten. (Stefan)
Damit war Halbzeit beim Au-Sommerfest 2017. Was die folgenden Gigs von THE FIEND, THE KIDS und THE PUKES auf die Bühne brachten und ob das vorhergesagte Unwetter Frankfurt und das schöne Open-Air-Gelände doch noch heimsuchte, erfährst Du im zweiten Teil unserer Berichterstattung hier.
Links: http://au-frankfurt.org/, http://fucking-angry.blogspot.de/, https://de-de.facebook.com/f.cking.angry/, https://rilrec.bandcamp.com/album/f-cking-angry-lp, https://soundcloud.com/f-cking-angry, https://de-de.facebook.com/Estricalla-Crass-Punk-Outsiders/, https://myspace.com/estricalla, https://estricalla.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Estricalla, http://www.lenastoehrfaktor.de/, https://de-de.facebook.com/LenaStoehrfaktor/, https://myspace.com/lenastoehrfaktor, https://lenastoehrfaktor.bandcamp.com/, https://soundcloud.com/lenastoehrfaktor, https://www.last.fm/de/music/Lena+Stoehrfaktor
Text: Stefan & Marcus
Fotos (21) & Clips: Kai / Fotos (7): Frank
Alle Bilder:
Hey Leutz… Ich wollt mich nochmal bei allen bedanken, die mir bei meiner Panikattacke geholfen haben und mir Schutz gegeben haben… Ihr seid großartig…