Au-Sommerfest, Frankfurt, 3.06.2017
Nachdem Du (hoffentlich) den ersten Teil der Berichterstattung zum diesjährigen Sommerfest in der Frankfurter Au mit den Auftritten von F*CKING ANGRY, ESTRICALLA und LENA STÖHRFAKTOR gelesen hast (falls nicht, klicke hier), beschreiben wir in diesem Post unsere Erlebnisse bei den folgenden Bands THE FIEND (rechts), THE KIDS und THE PUKES. Und über allem stand natürlich noch immer die Frage, ob der von den Propheten des Wetterdienstes prognostizierte Gewitterregen der feierfreudigen Gemeinde nachhaltig den Garaus machen würde. Bisher war noch keine Spur eines Wetterumschwungs zu erkennen, und Feuchtigkeit führte man sich höchstens in Form von Bier und Apfelwein zu. Doch das sollte sich noch ändern (dazu später mehr). Weiter ging es erstmal mit:
Ganze 35 Jahre hat die aus Newcastle stammende Formation THE FIEND bereits auf dem Buckel. Zuletzt hatte ich die Band im Jahr 2010 gesehen, als die Engländer gemeinsam mit den VARUKERS im Keller der Au gastierten. Und wer mit den VARUKERS tourt, der macht natürlich keinen Folkrock, sondern schlägt in eine ähnliche Kerbe. Die großen Vorbilder von THE FIEND sind daher Acts wie DISCHARGE und GBH und ähnlich angepisst, brutal und gewalttätig manifestiert sich der Sound denn auch live – Hardcore-Punk mit gelegentlichen Crust-Referenzen. Allerdings muss man sagen, dass die Songs von THE FIEND im Gegensatz zu denen der oben genannten Bands über weniger Wieder- erkennungswert verfügen und somit weniger partytauglich sind.
Der Gig der Jungs glich daher einer Fahrt mit dem Mähdrescher durch ein blühendes Maisfeld. Es wurden keinerlei Gefangene gemacht und die Stücke brachial und ohne Punkt und Komma Richtung Publikum gedroschen. Songtechnisch wurde ein Querschnitt der beiden bisherigen Longplayer aus den Jahren 2011 und 2014 geboten, zudem gab‘s ausgewählte Lieder der frühen EPs, darunter „Fires of Hell“ und „Stand Alone“ von der gleichnamigen ersten EP aus dem Jahr 1985. Und die waren musikalisch deutlich von den jüngeren Songs zu unterscheiden: Während die frühen Werke eher an die Landsmänner von DISCHARGE angelehnt waren, waren bei den Neuen hier und da Stilelemente des Thrash-Metals herauszuhören. Insofern blieb das Ganze recht abwechslungsreich und kurzweilig und machte für mich die vorangegangene Sprachdarbietung vergessen. (Marcus)
Mit dem Auftritt der belgischen Punkrocker THE KIDS stand anschließend das eigentliche Highlight des diesjährigen Au-Fests bevor. Und obgleich man mit der Bezeichnung „Legende“ im Zusammenhang mit Bands stets vorsichtig umgehen sollte, so ist der Begriff in diesem Fall durchaus gerechtfertigt. Inspiriert von den ersten englischen Punk-Bands gründeten sich die KIDS bereits im Jahr 1976, tourten 1977 als Support von Iggy Pop und Patti Smith, veröffentlichten im Folgejahr gleich zwei Scheiben und hatten nach drei weiteren Alben und siebenjähriger Geschichte anno 1985 alles erreicht, was man als Punk-Act erreichen konnte.
Die Auflösung der Combo war somit nur konsequent. Erst elf Jahre später reformierte Sänger und Gitarrist Ludo Marimann die Truppe mit neuen Mitstreitern und seither touren die KIDS durch die Welt – wohlgemerkt ohne seither ein weiteres Album eingespielt zu haben. Aber das ist auch okay so, denn auf diese Weise standen ausschließlich Klassiker auf der Setlist, die einen feucht-fröhlichen Party-Abend garantieren sollten.
Feucht wurde es allerdings zunächst einmal in anderer Hinsicht. Das Wetter, das bisher perfekt mitspielte, änderte fortan seine Laune und bescherte den Besuchern mit Beginn des KIDS-Sets Dauerregen. Die Anwesenden störte dies jedoch wenig, ob mit Schirm, Regenjacke oder auch ohne, die Zuschauer strömten in Massen vor die Bühne, um mit den Belgiern zu feiern. Ob der vielen pogotanzenden Schirme bot dies optisch ein skurriles Bild und machte einen Heidenspaß, zumal die KIDS Hit an Hit reihten und jeder Song zum Mittanzen animierte. Neben eigenen Klassikern wie „There Will Be No Next Time“, „Fascist Cop“ und „Do You Love The Nazis“ wurde als Zugabe schließlich noch das SHAM 69-Cover „If The Kids Are United“ gespielt, das von der tobenden Menge vor dem Podest stimmgewaltig begleitet wurde. Unterm Strich war‘s ein großer Auftritt, der bei mir Erinnerungen an die legendären Auftritte der RAMONES oder der HANSON BROTHERS weckte. Was konnte danach noch kommen? (Marcus)
Zum Schluss des Festivals trat dann noch der Headliner THE PUKES vor das entweder völlig durchnässte oder leidlich trockene (weil vorher gut beschirmte) Publikum. Ich hatte die Truppe, die aus bis zu zehn mit Ukulelen die Klassiker der Punkrock-Geschichte nachspielenden Damen sowie einiger männlicher Mitstreiter besteht, im Oktober 2016 im Au-Keller gesehen. Damals waren die Londoner in einer Stärke von sieben Personen am Start und der Auftritt war einfach grandios. Gestern trat die Band lediglich als Quartett mit zwei singenden und Gitarre spielenden Damen sowie einem Bassisten und einem Drummer an.
Ich muss sagen, mir fehlte es da nicht etwa an Qualität – spielen können die Mädels und Jungs ausgezeichnet – sondern an der Quantität der Mitspieler/innen. Diese Combo hat einen besonderen Reiz, wenn mindestens ein halbes Dutzend Damen in einem kleinen, schwitzigen Club ihre Ukuleken schrammeln und in die Mikrofone schreien. In der Minimalbesetzung und auf einer großen Bühne war der Gig zwar immer noch amüsant, das gewisse Etwas indes fehlte. Aber mir ist natürlich auch klar, dass für den Auftritt nicht zehn bis 15 Mitglieder der PUKES eingeflogen werden können, dies würde den finanziellen und logistischen Rahmen der Veranstaltung sprengen.
Den meisten der verbliebenen Besucher dürfte die Besetzung der Formation egal gewesen sein, zumal die wenigsten wohl einen Vergleich mit einem Clubkonzert hatten. Vor der Bühne fand auf matschigem Geläuf mit Cover-Versionen u. a. von DEAD KENNEDYS („Holiday in Cambodia“), den RAMONES („Blitzkrieg Bop“) oder EXPLOITED („Sex & Violence“) noch eine große Tanzparty statt. Und als die letzten Töne des Quartetts verklungen waren, durfte noch bis zum Ausruf „Letzte Runde!“ der Thekenmannschaft gegen drei Uhr getrunken und natürlich noch weit länger darüber hinaus geplaudert werden. Alles in allem wars wieder ein gelungenes Fest – und wir freuen uns schon jetzt auf die Feierei zum 35. Jahrestag der Au 2018. (Stefan)
Links: https://de-de.facebook.com/thefiend.uk82/, https://www.last.fm/music/The+Fiend, http://www.thekidspunk.eu/, https://www.facebook.com/the-kids/, https://www.last.fm/music/The+Kids, http://thepukes.co.uk/, https://de-de.facebook.com/thepukes/, https://www.reverbnation.com/thepukes, https://www.last.fm/de/music/The+Pukes
Text: Marcus & Stefan
Fotos (19) & Clips: Kai / Fotos (8): Frank
Alle Bilder: