Au-Sommerfest, Frankfurt, 9.06.2018
Hier geht es weiter mit dem zweiten und letzten Teil unserer Berichte zum Sommerfest 2018 in der Frankfurter Au, in dem wir uns den Bands SENSA YUMA (links) , THE BELLRAYS und dem Headliner SNUFF widmen. Falls Du den ersten Teil noch nicht gelesen haben solltest, dann kannst Du das hier nachholen.
Als nächster Act betraten alte Bekannte die Open Air-Bühne: SENSA YUMA waren nicht nur bereits des Öfteren zu Gast in Rödelheim – unter anderem beim Sommerfest im Jahr 2007 –, sondern blicken auch auf eine lange Geschichte zurück. Die Band wurde bereits im Jahr 1980 in England gegründet und bestand zunächst bis 1988. 1997 reformierten drei Original-Mitglieder unter Mithilfe von Gitarrist Colin „Jock“ Blyth und Basser Ross Lomas (beide GBH) SENSA YUMA und spielten das Album „Every Day‘s Your Last Day“ ein. 2001 kam es zum erneuten Bruch, als Sänger (Stu-)Pid nach Spanien auswanderte, wo er schon bald ein neues Line-up mit einheimischen Musikern auf die Beine stellte. Seither touren SENSA YUMA (ein Slangausdruck für Sense of Humour) regelmäßig durch Europa und haben in der englisch-spanischen Konstellation bereits drei Scheiben aufgenommen.
Live erweist sich der sympathische Pid stets als Klasse-Frontmann, der sich nicht hinter Größen wie Colin Abrahall von GBH oder Rat von den VARUKERS verstecken muss. Darüber hinaus ist Pid einer, der stets die Nähe zum Publikum sucht, einer, mit dem man schnell ins Gespräch kommt und einer, der gerne feiert. Gestern zeigten sich die Jungs in Bestform und zelebrierten schnörkellosen, klassischen Street-Punk im Stile der alten GBH mit gelegentlicher Crust-Kante. Das Ganze wurde herrlich rotzig und dreckig dargeboten, mit viel Druck gespielt und war für mich – und viele andere Besucher – das Highlight des diesjährigen Festivals.
Leider fand der Gig im Rahmen der „Ear Damage Final Tour“ von SENSA YUMA statt (deren vorletzter Stopp Frankfurt war), sodass wir wohl nie wieder in den Genuss der Combo kommen werden. Auf Shouter Pid werden wir allerdings in Zukunft nicht verzichten müssen, frontet er doch auch die D-Beat/Crust-Band POLICE BASTARD, die ebenfalls bereits mehrmals in der Au gastierte und sich bestimmt mal wieder sehen lassen wird.
Nach dem von SENSA YUMA vorgetragenen Punkrock-Brett musste man erstmal gehörig durchschnaufen. Hatten wir den besten Act des diesjährigen Festivals bereits gesehen? Was sollte da noch kommen? Die Antwort folgte nach einer etwas längeren Umbaupause: THE BELLRAYS. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich die vierköpfige Combo, die sich selbst als „the maximum punk-rock-and-soul-group“ bezeichnet, bisher nie live erlebt habe. Allerdings hatte ich schon im Vorfeld des Sommerfestes gehört, dass einige nicht ganz Au-affine Freunde sich nur für die Show der Kalifornier einfinden wollten. Was aus dreierlei Gründen bestimmt kein Fehler war: Zum ersten ist ein Ticket für einen regulären BELLRAYS-Gig teurer als der Eintritt zum gesamten Festival, zum zweiten spielen die Bands im vorletzten Slot ein sehr langes Set und zum dritten kann die Atmosphäre des Festes es locker mit der jeder Clubshow aufnehmen.
Getragen wird die Musik des bereits 1990 gegründeten Quartetts von der tollen Soul-Stimme der Frontfrau Lisa Kekaula, die auf dem Podest von ihrem Ehemann Robert Vennum an der Gitarre sowie Justin Andres am Bass flankiert wird. Stefan Litrownik am Schlagzeug komplettiert die Truppe, die bereits seit dem 22. Mai auf Europa-Tournee ist und noch bis zum 30. Juni fast ohne Ruhetage die Bühnen Westeuropas bespielt. Diese Strapazen merkte man weder den Instrumentalisten noch der Sängerin an, im Gegenteil: Die Band schaffte sich richtig rein und präsentierte 20 Songs, angefangen mit „Bad Reaction“ vom just in diesem Jahr erschienenen Werk „Punk Funk Rock Soul (Vol. 2)“ bis zum Schlussakkord von „Startime“ des 2003-er-Release „The Red, White & Black“.
Insgesamt hat die Formation aus Riverside bisher neun Alben vorzuweisen, dazu kommen mehr als zwei Dutzend Singles, EPs und Compilation-Beiträge – ein schöner Fundus für eine abwechslungsreiche Liveshow. Geschenkt, dass die Sängerin während des Gigs nach beinahe jedem Stück „We are the Bellrays!“ und „This is a Rockshow!“ rief (was auf die Dauer etwas nervte) – das war Party- und Tanzmusik galore, ein schöner Kontrapunkt zu Punk und Hardcore und kompatibel mit dem Geschmack der allermeisten Festgäste. Ich sprach jedenfalls nach dem Konzert mit niemandem, der nicht voll des Lobes über diese mitreißende Darbietung war. Im Genre Soul-Musik bin ich nicht wirklich zuhause, mir fehlen deshalb die Vergleichsmöglichkeiten. Doch ich kann sagen, dass mich die Sangeskünste von Lisa Kekaula ähnlich begeisterten wie die der inzwischen leider verstorbenen Soul-Ikone Sharon Jones, die ich 2006 einmal mit ihren DAP-KINGS erleben konnte. Für mich waren THE BELLRAYS nach SENSA YUMA das zweite Highlight des Festivals.
Nun stand nur noch eine Band aus: SNUFF. Der gestern als Quintett auftretende Punk-Act aus England ist das 1986 geborene Baby des Schlagzeugers und Sängers Duncan Redmonds. Der umtriebige Musiker war und ist außerdem aktiv bei GUNS N‘ WANKERS (als Gitarrist), DOGPISS sowie seinem zweiten eigenen Baby, BILLY NO MATES, das 2004 aus der Taufe gehoben wurde. Viele Freunde des Genres werden Redmonds aber auch als den aktuellen Drummer der weitaus bekannteren TOY DOLLS kennen und schätzen; ein Job, der ihm vermutlich am meisten den Kühlschrank füllt.
Sowohl BILLY NO MATES als auch SNUFF waren schon diverse Male in Frankfurt zu Gast, letztere nun also als Headliner des Au-Sommerfestes. Ich habe sie schon mehrfach gesehen und muss zugeben, dass mich die Truppe nie richtig abholen konnte, obwohl, und das ist das Interessante, ihr mit diversen Einflüssen angereicherter Punkrock abwechslungsreich und handwerklich über jeden Zweifel erhaben ist.
Woran liegt es also, dass die Jungs bei mir nicht so recht zünden? Ich denke, es hat damit zu tun, dass Bandkopf Redmonds, ein ausgewiesener Könner an der Schießbude, auf der Bühne schlicht zu weit hinten agiert. Wenn der Frontmann (diese Rolle kommt ihm auch durch den Gesang natürlich zu), einen extrem beschränkten Aktionsradius hat und teilweise noch durch seine Vorderleute verdeckt wird, dann ist – zumindest für mich – das Live-Erlebnis teilweise getrübt. Warum nicht einfach mal das Schlagzeug mittig nach vorne an den Rand des Podests stellen?
Außerdem geriet für meine Begriffe so manche Pause zwischen den Songs arg lang, mit zuviel Konversation, die dem Gig hier und da den Schwung nahm. Aber es gab auch witzige Szenen: So ließ sich zum Beispiel der Gitarrist ein grünes Fabelwesen aus Schaumstoff, das während des Festivals immer mal wieder über den Köpfen des Publikum hin- und herflog, zuwerfen und kuschelte erstmal mit dem Plüschtier. Wie sich überhaupt sämtliche Mitglieder alle Mühe gaben, gute Laune zu versprühen.
Ich empfand den Gig als ambivalent, aber wie auch immer: Hunderte Besucher sahen das anders, denn es wurde fleißig getanzt und die Band entsprechend abgefeiert. Kann man machen. Für mich war SNUFF letztlich nach SENSA YUMA und THE BELLRAYS die dritte Kraft der Veranstaltung. Ein Festival, bei dem – man kann es nicht oft genug erwähnen – alle Helfer bei der Organisation, dem Aufbau und an den Theken ehrenamtlich tätig sind und die nach Abzug aller Kosten entstehenden Überschüsse gespendet werden. Danke und Respekt dafür. Auch im kommenden Jahr sind wir gern wieder mit von der Partie wenn es dann heißt: „36 Jahre Au – Besetzt!“.
Links: http://www.sensayuma.com/, https://de-de.facebook.com/punkfookinrockers/, https://sensayuma.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Sensa+Yuma, https://www.thebellrays.com/, https://de-de.facebook.com/BellRays/, https://myspace.com/thebellrays, https://www.last.fm/de/music/The+BellRays, https://www.snuffband.com/, https://de-de.facebook.com/snuffukband/, https://myspace.com/snuffbanduk, https://www.last.fm/de/music/Snuff
Text (SENSA YUMA): Marcus / Text (BELLYRAYS/SNUFF): Stefan
Fotos (18) & Clip: Kai / Fotos (14): Frank
Fotos (18): Eric, https://www.flickr.com/photos/vanreem
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