GBH, 100BLUMEN, WAVING THE GUNS

Au-Sommerfest, Frankfurt, 8.06.2019

GBHIhr habt den ersten Teil unserer Berichterstattung zum diesjährigen Sommerfest in der Frankfurter Au gelesen? Falls Nein, habt Ihr hier die Gelegenheit dazu. Nachdem die DISASTER JACKS, die STATUES ON FIRE und die DECIBELLES über die Bühne gegangen waren, standen nun zwei Acts aus Deutschland sowie der Headliner des Festivals aus England an: Den Anfang machten WAVING THE GUNS aus Rostock, gefolgt von den Düsseldorfern 100BLUMEN und schließlich der Punk-Legende GBH mit Mr. Colin Abrahall (oben). Ein abwechslungsreiches Line-up, das die Gäste auf dem inzwischen rappelvollen Gelände im Stadtteil Rödelheim erwartete. In den nächsten Zeilen schildern wir Euch unsere Eindrücke.

Nach den DECIBELLES gab es nun musikalisch das totale Kontrastprogramm: Die Hip-Hopper WAVING THE GUNS aus Rostock bezogen ihre Plätze auf dem Podest. Durch das Tragen von Hassis und Bandanas vor den Gesichtern wurde die Waving the Gunstextliche Ausrichtung unterstrichen: Es handelt sich dabei sozusagen um Anti-Rap. Mit diesem Genre und mir funktioniert es immer gut, wenn der Rapper eine schöne Stimme und einen guten Flow hat, check. Hinzu kommt, dass die Samples interessant und abwechslungsreich sind, check. Der Groove ist zum Kopfnicken und passiert dazu im Hintergrund, check. Also dreimal check und die Band bekommt den Stempel „top“.

Waving the GunsDass ich mit diesem Urteil nicht alleine bin, bewies ein Blick Richtung Bühne, das Publikum bewegte sich wellenartig auf und ab. Auch WAVING THE GUNS kamen mit einem aktuellen Album („Das muss eine Demokratie aushalten können“) zum Au-Fest. Ich hätte bei ihrem Auftritt vielleicht etwas besser zuhören und weniger babbeln sollen, denn linker Anti-Rap mit Stücken wie „Ich werde mich verteidigen“ bezieht klar Stellung und passte damit verdammt gut zu der Veranstaltung.

Mit der als „Elektro-Punk“ angekündigten Formation 100BLUMEN schloss ich erstmals im November 2018 Bekanntschaft, als ich die Düsseldorfer im hiesigen Club The Cave sah. Damals betrieb das Trio etwas Frankfurt-Bashing, weil nicht gerade viele Leute den Weg zu ihrem Konzert gefunden hatten. Nun, dieses 100BlumenManko wies der Gig diesmal nicht auf – vor der Bühne standen die Besucher des Au-Sommerfests bei Band Fünf inzwischen dicht an dicht. Dafür mussten sich die Gäste diesmal Sprüche anhören wie „Was’n das hier? Das ist doch nicht der Fernsehgarten!“, obwohl sich vorne bestimmt rund 50 Menschen die Seele aus dem Leib pogten. Witzig? Hm. Aber wie heißt es doch so schön: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

100BlumenDie Musik? Gefällt mir immer dann, wenn die aus Marcel (Gesang, Synthesizer), Chris (Gitarre, Gesang) und Malte (Schlagzeug) bestehenden 100BLUMEN ihre harten Beats instrumental darreichen. Sobald die Stimme einsetzt, das Singen der auf Relevanz gebürsteten Texte in growl-artiges Geschrei übergeht, bin ich raus. Was möglicherweise aber ein altersspezifisches Phänomen ist: Während fast ausnahmslos im Kreis der gleichaltrigen Freunde und Bekannten angesichts der Darbietung des vorletzten Festival-Acts mit den Augen gerollt wurde, machte die nachfolgende Generation ganz schön Bohei im Pit (respektive Fernsehgarten). Auch Gitarrist Chris hatte auf dem Podest ein paar ansehnliche Sprünge in petto. Props dafür.

100BlumenHilft dennoch alles nichts: Wenn ich elektronische Musik mit Aggro-Faktor hören möchte, greife ich doch lieber auf ein paar der frühen Hits von FRONT 242 („Headhunter“), PROJECT PITCHFORK („K.N.K.A.“) oder SHOCK THERAPY („Theatre of Life“) zurück. Da gibts auch etwas mehr Melodei. Ich weiß: Äpfel, Birnen, andere Baustelle, anderes Jahrhundert. Die Entwicklung (oder auch Diskrepanz) zwischen dem Now and Then bei angesagter elektronischer Musik außerhalb des kommerziellen Dancefloors wurde im Rahmen des Auftritts von 100BLUMEN besonders deutlich: Die Jüngeren fanden es super, die Älteren super-enervierend. Und damit weiter zu Marcus und: GBH!

Nachdem ich mich nach der zweiten Band aus dem Konzertgeschehen ausgeklinkt und einer ausgiebigen Apfelweinprobe sowie philosophischen Diskussionen gewidmet hatte, war es endlich soweit: Das englische Punk-GBHUrgestein GBH – gegründet 1978 in Birmingham – betrat die Bühne und bedeutete für viele Besucher so etwas wie eine Erlösung von den musikalischen Qualen der letzten Stunden. Das Quartett spielt auch nach mehr als 40-jährigem Bestehen noch immer (fast) in Originalbesetzung: Frontmann Colin, Gitarrist Jock und Bassist Ross sind von Beginn an dabei, Schlagzeuger Scott stieß 1994 zu der Formation. Allerdings residiert Ross inzwischen in den USA und ist daher nur bei umfangreichen Touren mit von der Partie. Ersetzt wurde er am gestrigen Abend von Sean McCann, seines Zeichens Gitarren-Roadie von Captain Sensible.

GBHGBH zählen zur zweiten, härteren Welle des englischen Punks und prägten mit Acts wie DISCHARGE, EXPLOITED und den VARUKERS Begriffe wie Street Punk und Hardcore. Der raue, ruppige Sound von GBH inspirierte dabei nicht nur etliche junge Punk-, sondern auch diverse Metal-Bands wie z. B. KREATOR und DESTRUCTION. 2016 und 2013 (Bericht hier) hatten die Briten zuletzt im Kellerclub der Au gespielt, nun kehrten sie als Headliner des 2019er-Sommerfestes zurück.

GBHDer Gig mit einer Länge von mehr als 60 Minuten enthielt mit dem Opener „Birmingham Smiles“ und dem später dargebotenen „I Never Asked Any For This“ lediglich zwei Songs der (noch) aktuellen Scheibe „Momentum“. Alle anderen Tracks stammten vom ersten Mini-Album „Leather, Bristles, Studs and Acne“, frühen Singles und den ersten beiden Referenzwerken „City Baby Attacked by Rats“ und GBH„City Babys Revenge“. Die Setlist ließ somit kaum Wünsche offen, gespielt wurden Hits wie „Sick Boy“, „Lycanthrophy“, „Give me Fire“ und auch „Big Women“ – ein Lied, in dem Colin seiner Vorliebe für üppigere Frauen Ausdruck verleiht und das man, in politisch korrekten Zeiten wie diesen und wenn man keine Affinität zum Rock‘n‘Roll hegt, als provokant bezeichnen könnte.

GBHMir ist nicht bekannt, ob es diesbezüglich im Vorfeld von Seiten des Veranstalters eine Ansage an die Band gab, aber Colins Einleitung zu dem Stück (Videoclip dazu weiter unten), könnte darauf hindeuten: „We didn‘t come all the way here to Frankfurt and not play this next song!“. Doch wie dem auch sei, gespielt wurde der Track jedenfalls – that‘s Punk. Das Set endete schließlich mit „Maniac“ und ließ ein erschöpftes Publikum zurück, das sich vor der Bühne völlig verausgabt hatte, aber glücklich war, Teil der Punk-Party des Jahres gewesen zu sein. Für mich waren GBH in der 36-jährigen Geschichte der Au der bis dato beste Sommerfest-Headliner. Basta.

Links: https://www.facebook.com/wavingtheguns/, https://soundcloud.com/wavingtheguns, https://www.last.fm/de/music/Waving+The+Guns, http://100blumen.com/, https://de-de.facebook.com/100blumen/, https://100blumen.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/100Blumen, http://gbhuk.com/, https://de-de.facebook.com/GBH.official/, https://www.reverbnation.com/gbhofficial, https://www.last.fm/de/music/GBH

Text (Waving the Guns): Andrea / Text (100Blumen): Stefan
Text (GBH): Marcus / Fotos (18) & Clips (2): Kai
Fotos (18): Eric, https://www.flickr.com/photos/vanreem
Clip (GBH): am Konzerttag aufgenommen von 2199Y77

Alle Bilder:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Kommentare deaktiviert für GBH, 100BLUMEN, WAVING THE GUNS

Filed under 2019, Konzerte, Videoclips

Comments are closed.