Au-Sommerfest, Frankfurt, 4.06.2022
Endlich wieder ein Au-Fest! Nachdem das traditionelle Open Air-Festival in Frankfurt-Rödelheim in den beiden vergangenen Jahren pandemiebedingt nicht stattfinden konnte, durfte nun wieder gefeiert werden. Mit RUMBLE DELUXE, FRONT (Foto links), FACE UP!, SIR MANTIS, den THRASHING PUMPGUNS und BÁNÁNACH waren gleich sechs Acts am Start, über deren fünf wir im Rahmen von zwei Posts berichten werden. Auch das Wetter spielte an diesem Pfingstwochenende mit. Vorhergesagt waren zwar – wie eigentlich immer, wenn das Sommerfest ansteht – unbeständige Bedingungen mit Regenschauern und Gewittern, doch Pustekuchen: Es blieb die gesamte Zeit über sonnig und warm. Man muss lange zurückdenken, um sich an ein Festival mit latenter Sonnenbrandgefahr zu erinnern.
Es war also alles bereitet für eine schöne Sause anlässlich des 39. Geburtstags der Au als selbstverwaltetes Kulturzentrum und Wohnprojekt. Nicht verschwiegen, aber an dieser Stelle wenigstens kurz angerissen werden sollte allerdings, dass es im Vorfeld Irritationen, um nicht zu sagen Missstimmung über den geplanten Auftritt von TOXOPLASMA gab. Das Billing des Festivals war bereits fix, Plakate und Flyer mit dem Namen der Band gedruckt, da erfuhr man, dass deren Show nicht stattfinden würde (rechts der aktualisierte Flyer). Dieser Blog ist nicht das Medium, das die Hintergründe rund um die Ausladung der verdienten Punk-Formation aufdröseln sollte. Von unserer Seite bleibt Verwunderung. Wer mehr in Erfahrung bringen möchte, informiere sich im Netz.
Für Stirnrunzeln sorgte bei vielen Konzertgänger*innen auch die Bedingung, dass das diesjährige Au-Sommerfest nur unter Vorlage eines tagesaktuellen, negativen Corona-Bescheids aus dem Testzentrum besucht werden durfte. Ich finde: Okay, es ist zwar eine Open Air-Veranstaltung, aber man spricht doch im Laufe eines sehr langen Nachmittags und Abends mit Dutzenden Menschen, brüllt einander ob der Lautstärke in Gesicht und Ohren, sodass Omikron und Co. leicht übersiedeln können. Insofern habe ich meinen Frieden mit dieser Regelung gemacht. Dass allerdings am Einlass der Name auf dem Zertifikat nicht mit dem auf einem Ausweis abgeglichen wurde, ist dann schon wieder inkonsequent. Da könnte man auch mit dem Testergebnis von Onkel Otto auf das Fest gehen. Naja, man muss halt auch immer an das Gute im Menschen glauben…
Bevor wir in die Konzertberichterstattung einsteigen, noch eine Randnotiz zum Thema Essen: Es wurden in diesem Jahr – ich denke erstmals – auf dem Au-Fest nur vegetarische und vegane Speisen angeboten. Geschichte sind die Festivals, bei denen noch leckere Forellen gegrillt (ja, das gab’s!) oder gebratene Würste kredenzt wurden. In der Politik wird ja dieser Tage unablässig von „Zeitenwende“ gesprochen, diese scheint – zumindest in Bezug auf das leibliche Wohl – auch in der Au Einzug gehalten zu haben. Ich bin kein Freund veganer Speisen, aber natürlich muss man den Gastgeber*innen überlassen, wie sie ihr – wie immer mit viel Herzblut organisiertes – Fest gestalten. Gegessen werden muss dann eben, was auf den Tisch kommt.
Nun widmen wir uns den Eindrücken zu den einzelnen Shows, die wir innerhalb unseres Teams zwischen Stefan und Marcus aufgeteilt haben. Wer über welchen Act geschrieben hat, steht nach der entsprechenden Passage in Klammern. (Stefan)
Los ging’s gegen 17 Uhr mit „Frankfurt’s Own“ RUMBLE DELUXE, die zwar nicht zum ersten Mal in der Au, wohl aber zum ersten Mal beim Sommerfest gastierten. Tatsächlich war der Auftritt des Quartetts bereits für 2020 geplant, doch damals sorgte bekanntlich die Corona-Pandemie dafür, dass reihenweise Konzerte und Festivals abgesagt wurden, darunter auch das Au-Fest. Nun aber war es endlich soweit und den Spaß, den das Quartett auf der Bühne hatte, sah man ihm deutlich an: Sängerin und Bassistin Jule grinste wie ein Candykuchenpferd („Andere träumen davon, in Blackpool zu spielen. Für uns geht heute beim Sommerfest ein Traum in Erfüllung!“) und auch der Rest der Truppe, die seit nunmehr zwölf Jahren in dieser Besetzung zusammenspielt, präsentierte sich bestens gelaunt – das Wetter trug sicher auch seinen Teil dazu bei.
Candy Punk nennt die Band ihren Stil und die Bezeichnung passt wie die Erdbeerglasur auf den Rock’n’Roll-Donut. Geboten wurde eine Mischung aus Bubblegum- und Pop-Punk, der irgendwo zwischen den MUFFS, den POWERPUFF GIRLS und SHONEN KNIFE angesiedelt ist. Den Songs sind dabei die unterschiedlichen Einflüsse der einzelnen Musiker anzuhören. Hier klang ein wenig Oi-Punk von Gitarrist Rupp durch, Drummer Oskar, der einzige Überlebende der Frankfurter Kultcombo DER DURSTIGE MANN, sorgte hinter der Schießbude für oldschooliges Punkrock-Trommelfeuer. Dominiert wurde das Ganze von den zuckersüßen Gesangsharmonien der beiden Candy-Amazonen.
Die Band präsentierte einen Querschnitt ihres bisherigen Schaffens, das aus zwei EPs aus den Jahren 2012 und 2019 besteht, von denen letztere auch im Vinylformat erhältlich ist. Nicht fehlen durfte natürlich der Smash-Hit „Shitface“, mit „Lockdown“ wurde ein neuer Song vorgestellt und zudem fand sich mit „Stutter“ von ELASTICA eine Coverversion in der Setlist wieder. Und auch wenn zu jener frühen Stunde das Gelände noch nicht komplett gefüllt war, so ließen sich doch viele der bereits anwesenden Besucher*innen vom Candy-Charme des Quartetts anstecken und feierten die Local Heroes. Ein gelungener Auftakt fürs Au-Fest 2022! (Marcus)
Als nächstes wartete schon einer meiner persönlichen Höhepunkte des diesjährigen Festivals: FRONT. Die vier „Men in Black“ aus Wiesbaden – gewandet wie immer in schwarzen Klamotten und mit Sonnenbrillen – präsentieren deutschsprachigen Punk mit Achtziger Jahre-Wave-Einfluss, ausgestattet mit im zackigen Stakkato vorgetragenen gesellschaftskritischen Texten und treibenden Beats. Höchst tanzbar, das Ganze. Und es sollte auch diesmal nicht lange dauern, ehe sich trotz Sommerhitze und der recht frühen Startzeit gegen 18 Uhr eine erkleckliche Anzahl von Besucher*innen vor der Bühne einfand, um die Band auf dem Rasen hopsend abzufeiern. Ich geb‘s zu, mir wars zu warm zum Tanzen, aber was rede ich von Hitze: Schon vor dem Gig hatte ich mich gefragt, ob Bassist Markus wie gewohnt seine Gasmaske tragen würde. Er tat‘s – was muss das unter dem Ding warm gewesen sein (nach dem Auftritt kippte er sich erstmal eine Flasche Mineralwasser über seinen verschwitzten Schädel).
Das Quartett hat seit Gründung 2003 sieben Alben und EPs herausgebracht, und was das Publikum bei diesem ersten Konzert der Band im Jahr 2022 zu hören bekam, war ein schönes, aus 15 Liedern bestehendes Potpourri aus den meisten dieser Veröffentlichungen. Die Show startete mit dem Titelsong des bisher jüngsten Werks „Dissonanz und Wahnsinn“ von 2018, gefolgt von „Komparatistik von Scheisse“ von ebenjenem Dreher. Als dritter Song gleich einer meiner Favoriten: „Neonlicht“ von meiner Lieblings-LP „bitte recht freundlich“ (das Cover zeigt vier Überwachungskameras) von 2006.
Zum Track „Der Ivan“ (von der Scheibe „Zur Lage der Automation“) ging der Sänger und FRONT-Mann Falk Fatal auf den Krieg in der Ukraine ein: Die Band habe 2010 ein fast schon prophetisches Lied geschrieben und daraufhin beschlossen, es aus der Mottenkiste zu holen und ins Set aufzunehmen. Darin heißt es: „Die Angst geht um, die Angst geht um, der Ivan dreht den Gashahn zu“ – Songzeilen, so aktuell wie nie zuvor. Darüber hinaus zeugen Lieder wie u. a. „Aufschwung“, „Plastik“, „DSDS“ und „Hamsterrad“ (allesamt während des Konzerts zu hören) davon, wie gut FRONT kritische, provozierende und pointierte Texte in Stücke verpacken können, die meist nur zwei bis drei Minuten lang sind. Textliche und musikalische Assoziationen zu den legendären FEHLFARBEN sind erlaubt – nur dass die Jungs aus Hessens Landeshauptstadt aggressiver zu Werke gehen und damit auch beim Publikum des Au-Festes von der ersten Minute an zündeten. Ich habe die Formation schon mehrfach gesehen und war erfreut, dass sie während der pandemiebedingten Pause weder an Bissigkeit noch an Spielfreude eingebüßt hat. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja zum 2023 anstehenden 20-jährigen Bandjubiläum auch wieder mal ein neues Album. (Stefan)
Wie das Festival mit den Acts FACE UP!, SIR MANTIS, den THRASHING PUMPGUNS und BÁNÁNACH weiterging, erfahrt Ihr in Teil 2 hier.
Links: https://de-de.facebook.com/rumbledeluxe/, https://rumbledeluxe.bandcamp.com/, https://front-punk.de/, https://de-de.facebook.com/frontpunk/, http://frontpunk.bandcamp.com/
Text: Stefan/Marcus
Fotos (11) & Clips: Kai
Foto (1): Markus Lang
Alle Bilder:
“ Dieser Blog ist nicht das Medium, das die Hintergründe rund um die Ausladung der verdienten Punk-Formation aufdröseln“.
Gackern, aber dann nicht legen?
Angeblich ging es um Toxoplasmas Songtext von „Arschlecker“.
Kann man drüber streiten, ob das allgemein frauenfeindlich ist, oder vielleicht einer speziellen Situation geschuldet ist. Man weiss es nicht. Selbst Spermbirds haben früher 1,2 fragwürdige Texte gemacht. Die empfinde ich aber als ironisch.
Zum Thema Wurst bzw. keine Wurst:
Das war seitens der Veanstalter*innen keine Vorgabe oder Teil eines Konzepts. Die Stände bzw. Iniativen entscheiden selbst, welches Essen sie anbieten wollen. Bei der Auswahl wird aber schon darauf geachtet, dass es einigermaßen ausgewogen ist. Dieses Jahr hat sich aber leider schlicht kein Stand gefunden, der Lust hatte Fleisch zu grillen.
Forelle? Ich errinnere mich auf jeden Fall noch an das Leberwursteis..