Au-Sommerfest, Frankfurt, 4.06.2022
Hier folgt der zweite Teil unserer Berichterstattung zum diesjährigen Au-Sommerfest mit unseren Eindrücken zu den Shows von FACE UP! (Foto links), THRASHING PUMPGUNS und dem Headliner BÁNÁNACH. Wer Teil 1 noch nicht gelesen hat, kann dies hier tun.
Wer sich nun fragt „Moment mal, drei Bands im zweiten Post und zwei im Ersten, da fehlt bei sechs Acts doch etwas?“ hat Recht. Ursprünglich war als dritte Show des Konzertabends die des Leipziger Queer-Rappers SIR MANTIS angekündigt. Sie fand auch später noch statt (warum die Reihenfolge geändert wurde, wissen wir nicht). Unabhängig davon werden wir über den „Transmann-Rapper mit Kampflesbenswagga“ (so bezeichnet er sich selbst bei Facebook) nichts schreiben. Der Grund dafür ist einfach: Niemand von uns kennt sich mit Rap und HipHop aus und kann daher den Auftritt einigermaßen fair beurteilen. Seht es uns nach.
Das Publikum wartete also auf SIR MANTIS, der an dritter Stelle des Billings gesetzt war. Die Bühne erklommen jedoch fünf englischsprachige, mehr oder weniger stark tätowierte Personen mit Punk-Attitüde. Eine Dame, die mir schon vorher auf dem Gelände aufgrund ihres mit dem knallgelben Schriftzug „STOP WARS“ versehenen schwarzen Tops und ihrer blond-schwarz gefärbten Haare aufgefallen war, schnappte sich sogleich das Mikrofon. Die Sängerin von FACE UP! sagte, dass ihre Band in Abänderung des Programms nun schon früher spielen werde, grinste und erklärte, dass das für sie und ihre Jungs gar kein Problem sei. Dann könne man nämlich schon eher anfangen zu trinken. Sympathisch, diese Briten.
Ich muss einräumen, dass das Quintett aus Birmingham bis wenige Wochen vor dem Sommerfest für mich ein unbeschriebenes Blatt gewesen war. Ich hörte mir allerdings nach Bekanntwerden des Festival-Line-Ups deren einzigen Tonträger an – und war sofort so angefixt, dass ich mir das Teil umgehend besorgen musste. Das Album „The World Is Ours“ von 2019 ist bisher nur als CD erhältlich, soll aber demnächst auch auf (rotem) Vinyl erscheinen und kann inzwischen vorbestellt werden. Diese Mischung aus melodischem Punkrock mit catchy Singalongs, Crossover und Hardcore macht müde Beine munter und wer Bands wie z. B. die GENERATORS (Sound), CASUALTIES (Attitüde) und SVETLANAS (Gesang) mag, wird von diesem Hybrid vielleicht genauso begeistert sein wie ich.
Dass ein Live-Auftritt der Formation ein tolles Erlebnis werden würde, war schon beim Hören der Tonkonserve zu erahnen. Und das Publikum wurde nicht enttäuscht: Was nun folgte war eine der besten und actionreichsten Shows, die ich bei einem Sommerfest zu dieser frühen Stunde je erlebt habe: Die beiden Gitarristen links und rechts am Bühnenrand schienen sich in der Höhe ihrer Sprünge übertrumpfen zu wollen, während die Sängerin zwischen ihnen herumtobte und der Schlagzeuger im Hintergrund wie ein Wahnsinniger auf die Felle drosch. Wäre die Band – für mich der heimliche Headliner – später oder gar am Ende der Veranstaltung aufgetreten, hätten sich die Fans von Pogo und Rausch womöglich massakriert.
Die Pausen zwischen den Stücken wurden trotz der schwülen Hitze und der schweißtreibenden Aktionen kurz gehalten, auch konditionell präsentierte sich die Truppe in Topform. Mehrmals betonte die Frontfrau, wie glücklich die Band sei, beim Sommerfest spielen zu dürfen, was für eine „amazing atmosphere“ es gebe und was für ein „cool place“ die Au sei – sie hatte Recht und man glaubte ihr jedes Wort, so viel gute Laune versprühend absolvierte jede/r Einzelne der Musiker*innen diesen Auftritt.
Gegen Ende des Sets begab sich der Bassist noch mit seinem Instrument in den – inzwischen gut gefüllten – Moshpit und stand ebenso breitbeinig wie breit grinsend inmitten der Besucher*innen. Es bildete sich daraufhin ein Circle Pit, in dem die Tanzenden um ihn herumrannten und dem Musiker während des Rundlaufs noch den kahlgeschorenen Schädel tätschelten – vielleicht die beste Szene des gesamten Festivals. Als Fazit möchte ich sagen, dass sich die Liste meiner Lieblings-Livebands um einen Act erweitert hat. Bitte wieder einladen. (Stefan)
Als vorletzter Act des Abends gaben sich die THRASHING PUMPGUNS aus Hamburg die Ehre, deren Bandname bereits erahnen ließ, dass hier teutonischer Thrash-Metal zum Besten gegeben werden sollte. Und dies ist – soweit ich mich erinnern kann – ein Novum in der Geschichte des Festivals, eine Thrash-Combo gab es bis dato noch nie. Wie das Quintett ins Billing der diesjährigen Veranstaltung gelangte, entzieht sich meiner Kenntnis, vermutlich aber spielten hier Beziehungen eine Rolle, denn sonderlich aktiv war die Formation in den vergangenen Jahren nicht. Der erste und einzige Langspieler datiert aus dem Jahr 2015, seither hat sich bei den Jungs aus der Hansestadt außer einiger gelegentlicher Gigs nicht viel getan.
Das besagte Album „The Lord Is Back“ braucht den Vergleich mit der deutschen Thrash-Elite nicht zu scheuen. Geboten werden insgesamt zwölf Nackenbrecher, von denen der längste nur knapp die Drei-Minuten-Grenze überschreitet. Dies deutet darauf hin, dass die Norddeutschen auch dem Punk nicht abgeneigt sind, worauf auch die Debüt-EP „The New Wave of Metal Punk“ von 2012 hinweist. Auch live wurde das Ganze mit einer gehörigen Punk-Attitüde dargeboten, sodass sowohl Metal- als auch Punk-Fans auf ihre Kosten hätten kommen können. Der Live-Sound war allerdings weit weniger wuchtig und brachial als auf dem Album, was das Konzerterlebnis ein wenig schmälerte. Besonders der Gesang präsentierte sich für meinen Geschmack weniger eindrucksvoll als auf dem Longplayer. Unterm Strich war’s ein solider Gig einer sympathischen Combo, von der ich mir wünschen würde, dass sie mal wieder neues Material aufnimmt. (Marcus)
Als letzte Formation und somit als Headliner der 2022er-Ausgabe des Au-Festes fungierte schließlich die aus Bandung in Indonesien stammende Post-Punk-Band BÁNÁNACH, die nach der Verbannung des ursprünglichen Top-Acts TOXOPLASMA kurzfristig ins Programm genommen wurde. Die Tatsache, dass dies spontan zu bewerkstelligen war, ist zunächst einmal erfreulich, denn es war sicherlich nicht einfach, in der Kürze der Zeit eine Truppe zu finden, die die Anforderungen eines Headliners beim Jahresfest erfüllen würde. BÁNÁNACH sind hierzulande zwar gänzlich unbekannt, bestehen aber schon knapp zwei Dekaden und verfügen ob ihrer Herkunft natürlich über einen gewissen Exotenstatus. Und, wie der Zufall es wollte, hatten BÁNÁNACH zwischen zwei Gigs ihrer Mini-Deutschland-Tour einen Day Off und konnten daher für das Au-Fest verpflichtet werden.
Als „Fuzzy Post Punk“ bezeichnet die Band selbst ihren Stil, wobei in meiner musikalischen Welt die Begriffe „Fuzz“ und „Post-Punk“ eigentlich einen Widerspruch darstellen, da ich Fuzz eher mit Stoner-Bands wie KYUSS und FU MANCHU verbinde und bei Post-Punk an Acts wie KILLING JOKE, GANG OF FOUR und BIRTHDAY PARTY denke. Andere Quellen beschreiben BÁNÁNACH als Mixtur aus Riot-Grrrl und Grunge, zwei Stilrichtungen, die schon eher zusammenpassen. So oder so, die Mischung klang zumindest auf dem Papier ungewöhnlich und wurde vom Publikum mit Spannung erwartet. Tatsächlich war das Dargebotene weitaus weniger spektakulär als man es ob der Beschreibung hätte vermuten können. Spieltechnisch versiert und mit einer ebenso agilen wie äußerst gelenkigen Frontfrau ausgestattet, deren Moves man teilweise sogar als akrobatisch bezeichnen konnte, lieferte das Quartett eine eher seichte Post-Punk-Variante, die mehr im Emo/ Indie-Rock angesiedelt war.
Musikalisch war dies nur bedingt spannend und der monotone Gesang machte das Ganze nicht besser. Trotz der genannten Makel gelang es der Band dennoch mit ihrem treibenden Rhythmus und der exaltierten Sängerin das Publikum zu begeistern. Und dem gilt es Respekt zu zollen, denn als Headliner vor einem Publikum aufzutreten, das keinen der performten Songs je zuvor gehört hatte, die Leute aber dennoch zu erreichen, war sicherlich kein einfaches Unterfangen. Ob man die Indonesier unbedingt als Top-Act – und somit Ersatz für TOXOPLASMA – hätte präsentieren müssen, sei mal dahin gestellt. Ich denke, dass FRONT hier besser geeignet gewesen wären. Aber, und dieses Fazit gilt für jedes Au-Fest, die wenigsten Besucher kommen wegen der Bands nach Rödelheim, sondern um ein auch nach 39 Jahren noch existierendes Projekt zu unterstützen, um zu feiern und um Gleichgesinnte zu treffen. In diesem Sinne: Prost – und bis zum nächsten Jahr! (Marcus)
Links: http://au-frankfurt.org/, https://faceupuk.com/, https://www.facebook.com/faceup.uk, https://www.instagram.com/face_upuk/, https://www.facebook.com/ThrashingPumpguns/, https://thrashingpumpguns.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/thrashing+pumpguns, https://www.facebook.com/bananachtunes, https://www.instagram.com/bananachtunes/, https://bananachtunes.bandcamp.com/, https://soundcloud.com/bananachtunes
Text: Marcus
Text & Fotos (8): Stefan
Fotos (13) & Clips (2): Kai
Fotos (12): Markus Lang
Clip (1): chainrelease
Alle Bilder: