FELLAWS KINGDOM, TERRORFETT, OIDORNO

Au-Sommerfest, Frankfurt, 8.06.2024

TerrorfettFrankfurt hat ja so seine ganz eigenen Traditiönchen. Zu nennen ist da zum Beispiel der Wäldchestag am 21. Mai, an dem die halbe Stadt in das „Wäldche“ (den Stadtwald) zieht, um sich dort von Fahrgeschäften bespaßen zu lassen und Leckereien vom Grill zu verspeisen. Die Vegetarier und Veganer kommen am „Grüne Soße Tag“ auf ihre Kosten, der in der jüngeren Vergangenheit auch im Mai stattfand. Der liebste aller Frankfurter Feier-Tage (und das meine ich im eigentlichen Wortsinn) ist für uns aber alljährlich der erste oder zweite Juni-Samstag. An diesem Datum pilgern traditionell alle Musikfreund*innen der linken Szene in den Stadtteil Rödelheim zum AU-Sommerfest. 2024 wurde das Event anlässlich des 41. Geburtstages der AU als autonomes Kulturzentrum und Wohnprojekt erneut mit sechs Bands aus dem In- und Ausland ausgerichtet.

Flyer Au-Sommerfest 2024 Über die ersten drei, FELLAWS KINGDOM, TERRORFETT und OIDORNO, berichten wir in diesem Post, bevor wir uns in Teil 2 den Formationen PUBIC ENEMY, NASTY RUMOURS und dem Headliner THE TOTEN CRACKHUREN IM KOFFERRAUM widmen.

Angesagt sind bei den Festen in aller Regel Combos aus den Stilrichtungen Punk(rock) und Hardcore, in den vergangenen Jahren wurden hin und wieder außerdem Hiphop-Acts gebucht. Doch auch Ska hat beim AU-Fest eine gewisse Tradition und ich erinnere mich noch gut daran, als Bands wie FRAU DOKTOR (1996, 2010, 2023), SKA ALLÜREN (2013) und SKA TREK (1995) das Publikum zum Tanzen animierten, einige davon sogar an den höchsten Positionen des Billings.

Dieses Jahr dufte erneut eine Ska-Band ran, nämlich die in der Mainmetropole heimischen FELLAWS KINGDOM als Opener des Festivals. Das Sextett nennt seine Musik ganz unbescheiden „SuperSka“ und hat just Mitte April einen neuen Langspieler mit dem Titel „Endlich“, es ist der zweite nach der Debüt-Scheibe Fellaws Kingdom„Invasion“ (2016), veröffentlicht. Im ersten Slot ab 17 Uhr fanden sich erstaunlich viele Besucher*innen vor der Bühne ein, was bereits ein Indikator dafür war, dass es – nicht zuletzt aufgrund des schönen, sonnigen Wetters – im Tagesverlauf sehr voll werden würde. Darüber hinaus war es natürlich ein taktisch kluger Zug der Veranstalter, eine prima tanzbare Gute-Laune-Band an den Anfang zu setzen, um sich schonmal für das Festival einzugrooven.

Fellaws KingdomIch habe die Kapelle schon mehrfach gesehen, für mich liegt ihre Stärke eindeutig im instrumentalen Bereich. Was auch auf den Platten gut zu hören ist, zeigte sich ebenso während des Gigs in der AU: Die Band performt perfekt aufeinander abgestimmt, das Zusammenspiel zwischen Gitarre, Bass, Schlagzeug und dem kompletten Bläsersatz mit Trompete, Posaune und Saxophon erfreut jeden, der sich an Ska ergötzen kann. Hier bewegt sich die Combo durchaus auf Augenhöhe mit den Großen des Genres. Aber ich habe auch einen Kritikpunkt, und der bezieht sich auf die Texte: Einige Lieder haben zwar einen gesellschaftskritischen Anspruch, wie zum Beispiel das Stück „Pflasterstein“ – meiner Ansicht nach ihr bester Track mit Gesang. Andere jedoch überschreiten mit Zeilen wie „Lügen haben kurze Fellaws KingdomBeine / doch noch kürzere haben die Schweine“ („Feenstaub“) oder „Ich häng auf der Toilette nun schon stundenlang / und frage mich wieviel ich wohl noch kotzen kann / dieses Gefühl ist nicht grad‘ angenehm / oh Mann, ich würd‘ so gern entspann‘ “ („Weg mit den Drogen“) die Grenze zum Banalen. Auf die Spitze getrieben wird das in dem Lied „Wo ist der Käse“ (für Deine Polonäse). Hier werden auf Gedeih und Verderb Reime aneinander gereiht, und was nicht passt, das wird eben passend gemacht. Vielleicht findet der eine oder die andere das lustig, aber ich habe, man möge mir das nachsehen, eine andere Definition von Humor. Letztlich sollte man solche Songtexte jedoch nicht auf die Goldwaage legen, denn das Konzerterlebnis trüben sie nur unwesentlich, da sie mitten im Festivaltrubel in den Hintergrund treten. 

Fellaws KingdomFELLAWS KINGDOM ist eine gute Partyband mit gelegentlich politischem Anstrich, und zum Abtanzen eignete sich die Show beim AU-Fest einmal mehr bestens. Mir gefiel die Darbietung jedenfalls, nicht zuletzt aufgrund der ausgezeichneten Bläsersektion und der fröhlichen Atmosphäre. Wer von dem Auftritt angefixt wurde und Lust auf mehr hat, kann sich freuen: Schon am 6. Juli ist die Combo beim Rödelheimer Parkfest und Ende August beim MUF wieder zu sehen.

TerrorfettBand Nummer zwei im Reigen der Künstler des diesjährigen AU-Festes stellten die Karlsruher Deutschpunks TERRORFETT dar, deren Gesichter geneigten AU-Besuchern teilweise bekannt vorgekommen sein dürften: TERRORFETT existiert bereits seit 2015, wobei die Gruppe sich vier Jahre später auflöste, nachdem der damalige Sänger die Band verließ. Die verbliebenen Mitglieder gründeten daraufhin die Formation BRUTALER KATER, die 2022 als Anheizer der US-amerikanischen Hardcore-Punks MDC im Club der AU fungierte und von niemand Geringerem als Gunnar Nuven, der ehemaligen Stimme der legendären norwegischen Combo SO MUCH HATE, als Frontmann unterstützt wurden.

Irgendwie scheint es TERRORFETT aber nun doch wieder zu geben, wenn auch in veränderter Konstellation. Hinzugekommen ist ein neuer, junger Sänger, der zugleich Gitarre spielt, sodass aus dem ursprünglichen Trio ein Quartett wurde, Terrorfettdas nun mit doppelter Gitarrenpower unterwegs ist. Damals wie heute (und auch bei BRUTALER KATER) mit dabei ist Schlagzeuger Plüschi, der nicht selten auch als Gast in der AU zu sehen ist und vielen Punk-Fans als Betreiber der Kneipe und Konzertstätte Alte Hackerei in Karlsruhe bekannt sein dürfte. Auch bei den kultigen Eidgenossen FONDÜKOTZE hat Plüschi bereits hinter der Schießbude gesessen.

Hier standen also größtenteils alte Bekannte auf der Bühne, die mit ihrem klassischen Deutschpunk im modernen Gewand für kurzweilige Unterhaltung und gute Stimmung sorgten. Geboten wurde eine Mischung aus bekannten Songs des 2017er-Albums „Die Boys vom Barbershop“ und neuen, bis dato nicht Terrorfettveröffentlichten Tracks. Mich erinnerte der Sound der Badener etwas an die Berliner KOTZREIZ: Es ging schnell, hart und ruppig zu und natürlich durfte auch der Hit des Quartetts – „Krebs für Gauland“ – nicht fehlen. TERRORFETT waren mein persönliches Highlight des diesjährigen Line-ups, ob der Vielfältigkeit der einzelnen Bands und der unterschiedlichen musikalischen Vorlieben des Publikums gab es dazu aber natürlich unterschiedliche Meinungen.

An Position drei stand die aus Hamburg stammende Formation OIDORNO auf dem Programm. Bei deren Musikrichtung handelt es sich – wie der Bandname schon andeutet – um Oi-Punk. Und dieser (Wortwitz lässt grüßen) vermutlich sogar der philosophischen Art nach dem großen (übrigens in Frankfurt/Main Oidornogeborenen) Denker Adorno? Songtitel wie „Halt die Fresse ich will saufen“, „Jobcenter brenn“ und „Aufs Maul“ lassen nicht unbedingt darauf schließen. Dennoch entpuppen sich die Liedtexte bei genauerem Hinhören als etwas subtiler als angenommen. „Diskurs-Oi“ nennt sich das Ganze auf der Facebook-Seite der Band sowie der Veranstaltungsankündigung. Hier soll also zu Diskussion und Debatte, oder wenigstens zum Nachdenken, aufgefordert werden.

OidornoEin Blick auf die Konzert-Historie des Quartetts zeigt, dass die Combo gern auf Veranstaltungen mit politischem Hintergrund (bei Jubiläen linker Zentren, auf Soli-Events, zur Streik-Unterstützung) auftritt. Sympathisch. Ebenfalls erfreulich, dass die Truppe sich selbst nicht ganz so ernst nimmt: So bezeichnet sie sich in einem FB-Post als „verkappte Studiband mit frühzeitigem Haarausfall“ und verkündet an anderer Stelle, dass man sich sehr auf den anstehenden Gig freue und „ganz eventuell sogar nochmal proben wird vorher“. Huaahhh. Und wer im Netz die eigenen Fans auffordert, während des Konzerts die Klamotten anzubehalten („Keine*r will ungefragt mit Deinem verschwitzten Körper in Kontakt kommen. Das ist übergriffig.“), hat bei mir sowieso einen Stein im Brett.

OidornoDie Show startete mit dem Track „Oithentisch“ von der ersten Scheibe „Oi – The EP“ (2018). Im weiteren Verlauf des Auftritts luden Songs wie „Schlagermove“, „Bordbistro“ und natürlich „Halt die Fresse ich will saufen“ zum Mitsingen ein. Viel hat die Combo noch nicht herausgebracht, zu Buche stehen zwei EPs und eine Single, sodass das Publikum bis auf den 7″-Track „Schwarz-Gelbes Herz“ (eine Hommage an den Verein SC Göttingen 05) jedes bisher veröffentlichte Stück auch zu hören bekam.

OidornoEtwa in der Mitte des Sets folgte ein Gastauftritt der Sängerin der Frankfurter Gruppe RAMPAMPAM, die mit den befreundeten Jungs von OIDORNO das Stück „Bullenwagen klaun und die Innenstadt demolieren“ von RICCORAW coverte. Gut machte sie das, so wie man überhaupt konstatieren muss, dass der gesamte Gig absolut gelungen war. Nach meinem Empfinden generierte OIDORNO die ausgelassenste Stimmung des diesjährigen AU-Festes mit wüstem Pogo, zahllosen nach oben gereckten Fäusten und lauthals skandierten Refrains. Da machte sogar das Schlager-Cover von Matthias Reims „Verdammt ich lieb Dich“ Spaß, in der Oi-Fassung, versteht sich.

Wer die Jungs demnächst wieder erleben möchte, muss sich erstmal gedulden: Sie sind wohl alles andere als Vieltourer und nehmen jedes Jahr nur an wenigen, ausgesuchten Veranstaltungen teil. So bezeichneten sie ihre zwei Shows im Juni (Freiburg und eben Frankfurt) als ihren „fulminanten Jahresabschluss“. Ob es Oidornotatsächlich so kommt, wird man sehen. Schade wäre es zumindest für all diejenigen, die es wie die Band mit der Maxime „Doch wir bleiben der Bewegung treu / ein ganzes Leben für den Oi“ (aus dem Song „Oiverräter“) halten. Musikalisch ist das zwar nicht zu hundert Prozent meine Baustelle, was eine reine Geschmacksfrage ist, aber der Humor und die politische Einstellung passen und daher würde ich mir OIDORNO auch wieder ansehen.

Oidorno

Mit diesem Auftritt war die erste Hälfte des AU-Sommerfestes – zumindest was die Anzahl der Bands betrifft – vorbei. Über die folgenden Acts PUBIC ENEMY, NASTY RUMOURS und THE TOTEN CRACKHUREN IM KOFFERRAUM berichten wir in unserem nächsten Post hier.

Links: https://fellawskingdom.de/, https://www.facebook.com/fellawskingdom, https://www.instagram.com/fellawskingdom/, https://www.last.fm/music/Fellaws+Kingdom, https://www.facebook.com/terrorfett, https://www.instagram.com/terrorfett/, https://www.last.fm/music/Terrorfett, https://www.facebook.com/Oidorno/, https://oidorno.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Oidorno

Text: Stefan (FK, OI), Marcus (TE)
Fotos: Nils (13), Kai (11), Frank (8)

Alle Bilder:

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2 Comments

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2 Responses to FELLAWS KINGDOM, TERRORFETT, OIDORNO

  1. Thomas

    Hey, wieder gut recherchiert und schon formuliert, aber eine Korrektur möchte ich vornehmen, das nunmwhr 32. Parkfest Rödelheim findet am 06. Juli 24 statt, richtig ist, u.a mit Fellwas Kingdom, weiteren Bands und dem bestimmt auch in der Redaktion beliebten Spielmobil. Beste Grüße Tom

    • Stefan

      Hi Tom,
      danke für das korrekte Datum des Parkfestes. Ich habe das oben im Text verbessert. Na klar, das Spielmobil ist Kult! 😉
      LG Stefan