AURA NOIR & BLOOD PATROL

Schlachthof Wiesbaden, 30.10.2012

Kein Schwein kennt AURA NOIR. Bis vor kurzem traf das auch auf mich zu. Doch, Internet sei Dank: Heute kenne ich einiges von der Band und habe sie live gesehen. Ihr wart alle nicht da und habt echt was verpasst, weil es eine der geilsten Metalparties war seit langer Zeit. Und das kam so: Als Abonnent des Newsletters des Wiesbadener Schlachthofs, regelmäßiger Besucher dieses Veranstaltungsorts und Metal- Fan wurde ich unlängst mit der Tatsache konfrontiert, dass eine mir unbekannte Gruppe namens AURA NOIR in der Räucherkammer gastiert. Wenn im Steinbruchtheater in Darmstadt eine Metalband spielt, von der ich noch nie etwas gehört habe, dann ist das nichts Außergewöhnliches für mich, aber im Schlachthof?

Wenigstens ungefähr kann ich die Combos dank regelmäßiger Lektüre des Hammers & des Rock Hard zuordnen, verorte die meisten in Wiesbaden auftretenden Bands sowieso in der Schnittmenge zwischen Rock Hard & Visions-Leserschaft, also juveniler, kurz- oder pilzhaariger Buntklamottenpogo vom mehr oder weniger Derbsten, postrockiger Black Metal oder blackmetaliger Postrock, sowie Klassiker wie SAXON oder MOTÖRHEAD und deren Epigonen wie DANKO JONES oder GRAVEYARD. So ungefähr. AURA NOIR passen da sogar rein, file under Black Metal und Klassiker, also Black Metal wie VENOM und nicht wie DER WEG EINER FREIHEIT (auch toll, btw). Das verriet mir das Internet. Ich musste recherchieren, weil das nicht geht, dass im Schlachthof eine Metalband spielt, von der ich noch nie was gehört hatte.

Ein paar Fakten von Wikipedia und der Encyclopaedia Metallum also: AURA NOIR aus Oslo/Norwegen. Existent seit 1993. Zwei Sänger, Aggressor (auch Gitarre) und Apollyon (auch Bass). Aber scheinbar spielt jeder von denen mal alles, auch Schlagzeug. Ersterer kann sich Mitwirkungen (als Bandmitglied oder Live- Verstärkung) auf die Kutte schreiben bei VIRUS, CADAVER, SATYRICON, ULVER, VOID; letzterer bei IMMORTAL, GORGOROTH u.a. Seit 1996 an der zweiten Gitarre: Blasphemer, u.a. AVA INFERI, MAYHEM (!). Die Schlagzeuger werden wohl zur jeweiligen Tour verpflichtet, aktuell scheint das eine Gestalt namens Kristian Valbo zu sein. Oder Dirge Rep? Die Quellen sind da nicht eindeutig und auf den Bandfotos sind auch immer nur drei Leute.

Interessant ist noch, dass Aggressor (Foto rechts) „aufgrund eines Unfalls ab den Knöcheln gelähmt sei und deswegen im Rollstuhl sitze“ (Wikipedia). Das ist nicht mehr der Fall: In Wiesbaden schleppte er sich mit Krücken zu einem Barhocker, von dem aus er das Konzert im Sitzen spielen konnte. Wegen des besagten Unfalls war Aggressor wohl auch eine Weile raus aus der Band. In einem Interview mit Metal.de 2008 spricht er davon, dass er „die Schnauze voll hat vom Live-spielen“, aber das scheint zum Glück ja der Vergangenheit anzugehören.

Da ich mir leider nicht alle Platten kaufen kann, die ich möchte, bin ich seit einiger Zeit Kunde eines Streaming-Dienstes. Nachdem ich dort ein wenig AURA NOIR lauschte war das Ticket gekauft; zum Mitkommen konnte ich jedoch niemand überreden, bei dem diese Band ins Beuteschema passen könnte. Mir auch wurscht, gebe ich mir das Ganze eben allein.

Ein wenig Gesellschaft hatte ich in der Räucherkammer dann aber doch, in sehr überschaubarem Maße. Das Darmstädter Trio BLOOD PATROL (Foto unten) schlich bedächtig nach erlesener Johnny Cash-Beschallung vom Band auf die Bühne vor knapp 20 Zuschauern, die ihren Kutten nach zu urteilen SODOM und VENOM als das Nonplusultra an harter Musik abfeiern und wahrscheinlich nicht auf dem Au-Sommerfest 2012 gewesen sind, bei dem BLOOD PATROL für SCHEISSE

MINNELLI einsprangen (Bericht). Mit ihrem Oldschool-Crossover (als Crossover noch Metal & Punk verband statt Metal mit Rap) waren BP um einiges „aktueller“ im Sound als der Headliner. Auch wenn Sänger & Bassist George Acidbath beim Bedanken für das Erscheinen klarstellte, dass er schon weiß, dass die Leute nicht ihretwegen gekommen sind, brachte die Combo die Oldschool-Kutten doch zum dezenten Dauerbangen und respektvollen Applaudieren. Sehr feiner Opener.

Als nach relativ kurzer Umbaupause AURA NOIR entspannt die Bühne betraten, brach beim ersten Ton ein Inferno sondergleichen los. Die Kuttenträger (etwa 45, wenn ich richtig gezählt habe) gingen augenblicklich steil: Die Knie hoch,

Luftgitarre bis zur Schmerzgrenze, Pommesgabeln und gestreckte Fäuste, aber netterweise kein Gehopse oder Getrete wie beim Jungvolk, weswegen ich auch ein bisschen fotografieren konnte. Songs? Sorry, keinen Plan wie die hießen, dafür kenne ich die noch nicht lang genug. Einiges vom neuen Album „Out To Die“ natürlich, auf jeden Fall „Conqueror“ und mehr von „Black Thrash Attack“, „Schitzoid Paranoid“ und was weiß ich noch.

Die Stimmung war so saugut, dass Aggressor und Apollyon sich beratschlagten, was denn nun noch kommen könnte. VENOM wurde gecovert, ein „extrem selten gespielter Song“ dargeboten, von wegen keinen Bock mehr aufs Livespielen, die Herren wussten die Party genauso zu genießen wie die Bangerfront vor ihnen. Nach etwa 70 Minuten verabschiedete sich Apollyon „krankheitsbedingt“ vom Mikro (ich bin gesund nicht so fit wie der heute krank) und Aggressor spottete, ob „nicht doch jemand mal zum Zug müsste“? Ich musste kurz darauf, in der Tat. Seit SODOM in Aschaffenburg hatte ich nicht mehr so viel Spaß auf ’nem Metal-Konzert, danke dafür.

Links: http://www.myspace.com/auranoir, http://de.myspace.com/bloodpatrol

Text & Fotos: Micha
Clip: aufgenommen am Konzertabend von Dave Decay

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