Nachtleben, Frankfurt, 8.05.2014
Seit 2012 findet in Frankfurt einmal im Jahr „Women of the World“ statt – ein Festival, welches an verschiedenen Orten fünf Tage lang und quer durch alle Stilrichtungen weibliche Musikanten zelebriert. Dass auch das Trio BABY IN VAIN aus Kopenhagen innerhalb dieses Festivals im Nachtleben präsentiert wird, war mir anfangs, als ich die Neuigkeiten auf der Homepage des Veranstalters studierte, nicht bewusst und auch egal. Da spielte eine mir unbekannte Formation, die als Hardrock/Grunge-Band angekündigt war vor meiner Haustür, und das bedeutete: Ich muss mir die mal anhören um ja nichts Großartiges zu verpassen.
Im Netz fand ich drei Songs der Gruppe. Drei Songs, die irgendwo zwischen rotzigem Garagenrock und heftigem Indie-Geschrammel zu verorten waren. Ich habe da keinen Grunge herausgehört, aber das habe ich bei SOUNDGARDEN ja auch nie. Als „interessant“ im Hinterkopf abgelegt und abwartend, wie arbeitsreich und kräftezehrend die laufende Woche wohl vonstatten gehen würde, las ich zwei Tage vor dem Auftritt, dass AD-Ticket viele, wenn nicht sogar alle Clubkonzerte des Festivals zum halben Preis kurzfristig raushaut. Neun Euro Eintritt also für das Trio aus Dänemark, statt 20 Euro an der Abendkasse. Gebongt.
Nun sind solche Aktionen ja ein sicherer Indikator dafür, dass der Vorverkauf beschissen läuft. Für die ebenfalls im Rahmen des Festivals stattfindenden Shows von Zaz in der Festhalle und Agnes Obel in der Alten Oper zum Beispiel gab es keine Rabatt-Tickets, das sind zu erwartende Selbstläufer. Der ganze Kleinkram in „Das Bett“ und eben dieses Nachtleben-Konzert wurden jedoch fast schon unter Wert verkauft, was natürlich an der mangelnden Reputation dieser Mädels liegen muss; die da, im Falle von BABY IN VAIN, gerade mal zwischen 17 und 20 Jahren alt sein sollen, aber angeblich auch schon vor Thurston Moore (of SONIC YOUTH-Fame) die Bühne gerockt haben. Spannend war das also auf jeden Fall.
Ernüchternd aber der Blick ins Nachtleben zur angegebenen Startzeit 20.30 Uhr: Maximal 20 Leute waren dort, die im seltensten Fall so aussahen, wie Menschen nun mal aussehen, die solch exaltierter Rockmusik lauschen. Frauen waren anwesend, logischerweise mehr als sonst. Aber keine Rockerinnen, sondern optisch dem Genuss harter Musikstile unverdächtig erscheinende Damen. Frauen verschiedenen Alters sowie einige Schlipsträger, die in ersterem Falle so wirkten, als würden sie mal schauen wollen, was ihre juvenilen Geschlechtsgenossinnen da so treiben und in letzterem Fall so, als hätten sie Geld oder Promo für dieses Event zu verantworten.
Da ich von den drei Vinylsingles gelesen hatte, die die Band nebst Downloadcode offeriert, steuerte ich zuerst den Merchstand an, der sich aber als Stand zum Festival entpuppte und mit der Combo nichts zu tun hatte. Stattdessen gab es Flyer für eine Diskussion im Orange Peel, die einen Tag später stattfand. Das war alles so Un-Rock’n’Roll wie nur was, erste Fluchttendenzen machten sich bei mir bemerkbar. Der aus den 70ern und 80ern stammende, im Hintergrund durch die Lautsprecher scheppernde Radiorock verschärften diese immens. Da auch die Tickets am gestrigen Abend von mir unbekannten Damen abgerissen wurden vermute ich, dass an diesem Tag die komplette Belegschaft vom Festival kam und nicht vom Club; vielleicht täusche ich mich aber. Vielleicht meinte auch ein Nachtleben-DJ, mit diesem Scheiß die Besucher zu erfreuen. Dann hat dieser Mensch aber noch ein viel schlimmeres Bild von den meisten Gästen als ich.
Als etwa um 20.45 Uhr die Stand-Up-Comedy-Frau Lena Liebkind die Bühne enterte und die nachfolgende Combo bewarb, manifestierten sich diese Fluchttendenzen zur ausgewachsenen Phobie: Ich hasse Comedy, vor allem live. Und besonders, wenn die Anwesenden zu einem, wie auch immer gearteten Mitmachen animiert werden und so wenig Leute da sind, dass es noch mehr auffällt, wenn man sich woanders hin wünscht und dem ganzen Getue verweigert.
Man muss Frau Liebkind allerdings zugute halten, dass sie sich, anders als so manch semi-professionelle Frankfurter Lokalberühmtheit im Travestie-Bereich, in erster Linie über sich selbst lustig machte und nicht über Menschen im Publikum. Danke schön. Auch dafür, dass das Ganze nur fünf Minuten dauerte.
Als die drei Ladies von BABY IN VAIN dann um kurz vor 21 Uhr die Bühne betraten, konnte man den „GOZU-Effekt“ (Bericht hier) genau wahrnehmen – das heißt: die Band weiß ganz genau, dass sie vor wenigen oder in diesem Fall unkundigem Publikum spielt und macht das Beste daraus. Augen zu und durch. Da ich nur drei Songs kannte (und von denen auch nur einen erkannte) weiß ich nicht, ob, wie im Falle von GOZU, das Werk aggressiver rausgehauen wurde als auf den Singles – die Ladies gaben im jeden Fall extrem Gas und legten sich so richtig rein in ihren Rock, der schon, in meinen Ohren, verdammt eigenständig klang. Wenig rifflastig, aber trotzdem brachial; bluesig, aber nicht anachronistisch – das machte schon ziemlichen Spaß und im Vorprogramm von Eigenbrötlern wie Thurston Moore durchaus Sinn.
Nach 45 Minuten war dann leider schon Schluss (was die 20 Euro Abendkasse extrem überzogen dastehen ließ, aber ich war davon ja nicht betroffen). Eine Musikerin versuchte noch, die Singles zu verkaufen (ich unterstützte dieses Vorhaben sehr gerne) und aus der Konserve tönte Pat Benatar mit „Hit Me With Your Best Shot“ und „Treat Me Right“. Gerne doch. Das nächste Mal aber bitte im allgemeinen Rock’n’Roll-Zirkus – so ein geschlechtsspezifisches Nischendasein hat die Band nicht verdient.
Links: http://babyinvain.com/, http://www.lastfm.de/music/Baby+in+Vain
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: