Northampton, UK, 9.03.2013
Der erste Rockstage-Riot-Rheinmain-Auslandsbericht kommt aus der britischen Hauptstadt des Rock’n’Roll: Northampton, das jedem ein Begriff sein sollte. Okay, stimmt vielleicht nicht so ganz. Aber immerhin hat sich die etwa auf halber Strecke zwischen London und Birmingham liegende Stadt mittlerweile den Titel der britischen Psychobilly-Hauptstadt verdient. Denn dort findet seit einigen Jahren der sogenannte Bedlam Breakout statt, und zwar gleich zweimal im Jahr. Der Weekender hat sich als erfolgreich erwiesen, und so kam es im vergangenen Monat zur 15. Auflage, bei der auch ich mal wieder aufschlug. Allerdings war ich aus verschiedenen Gründen nur am Samstag vertreten. Das Festival steigt Samstag und Sonntag im Hauptvenue, dem „Roadmender“, und am Freitagabend gibt es immer einen Aufwärmgig mit ein paar Bands in einer Kneipe.
Mein Erlebnis beschränkt sich wie gesagt auf den Samstag, aber das waren auch immerhin etwa dreizehn Stunden mit neun Bands. Für 21 Pfund im VVK (also etwa 25 Euro). Fairer Preis, finde ich. Dazu kommen natürlich je nachdem noch Kosten für Übernachtung und “Verpflegung”. Bei mir hieß das Guinness, und wo wir gerade beim Geld sind: Das Bier kostet im Roadmender 3,50 Pfund (ein Pint, also ein guter halber Liter). Mehr Geld kann man dann noch an den zahlreichen Merchandise-Ständen loswerden. Essen wird dort leider nicht verkauft, aber zum Glück gibt es am späten Nachmittag eine längere Pause, in der man sich in
einen Imbiss oder eine Kneipe zurückziehen kann. Davon gibt es in der Nähe genug. Das führt natürlich auch dazu, dass viele Psychos, Punks, Rocker und was weiß ich schon mal ein bisschen im Pub hängen bleiben und den einen oder anderen Act verpassen. Aber insgesamt war es diesmal bei allen Bands, selbst der ersten, die um 13.30 Uhr anfing, gut gefüllt. Nur bei der Afterparty wurde es für meine Begriffe etwas zu schnell leer, wahrscheinlich ließ da hier und da die Kondition etwas nach.Nichtsdestotrotz war die Stimmung ausgelassen und friedlich. Das ist wirklich das, was das Festival super hinkriegt und vielleicht auch von manchen anderen Events absetzt. Nur der Wrecking Pit ist alles andere als friedlich. Und die Bands? Rundum gut. THE WRECK SCENE, die den Samstag eröffneten, spielten melodischen und gleichzeitig recht punkigen Billy, wobei fast alle Lieder im Duett eines Sängers und einer Sängerin dargeboten wurden. THE LOVELESS BASTARDS sind so ein bisschen eine Allstar-Band: Sam und Bob von HYPERJAX und Valle, Bassist von MAD SIN, außerdem Valles Freundin Sally, die man auch aus MAD SIN-Videos kennt. Insgesamt wohl mehr ein Spaßprojekt, aber lustig. Die HOWLING WOLFMEN aus Deutschland dagegen fand ich eher lahm, ein nur mittelmäßig erfolgreicher Versuch, an den Neo-Sound der Achtziger ran zu kommen. Dafür gefielen mir die HILLMANS, eine weitere recht neue britische Band, sehr gut. Powerful and dark rocking, würde ich in der Landessprache sagen. Vor der Pause gab es dann noch die MIDNITERS. Die kannte ich nur aus den erwähnten Achtzigern, hatten zwei LPs und klangen … Neo. Jetzt sehen sie aus wie Biker und klingen nicht mehr so Neo, aber gut und wild. Endlich mal ein erfolgreiches Comeback.
Nach der Pause kam mein persönliches Highlight: THE STRINGBEANS aus Finnland, die ich schon seit Ewigkeiten mag, aber noch nie sehen konnte. Ein toller Gitarrist und ein super rockiges Set. Ein Freund von mir bezeichnet sie als die skandinavischen REVEREND HORTON HEAT. Darauf folgten die MILWAUKEE WILDMEN aus den Niederlanden. Für mich ist das eine Mischung aus SLIPKNOT und den BASEBALLS, brauche ich nicht, aber beim Publikum kamen sie dennoch an. Vorletzte Band waren die legendären TALL
BOYS: extrem laut, garagig und dunkel, und das sowohl bei den alten Klassikern als auch bei neuen Kompositionen. Jetzt war der Pit wirklich nicht mehr friedlich. Der Headliner DEMENTED ARE GO (Foto oben) brachte dann auch noch mal so richtig Stimmung. Es war interessant, den Übergangs-Drummer – keinen anderen als den MAD SIN-Frontmann Köfte – zu erleben. Hat er gut hingekriegt. Ein schöner Abschluss des Konzerts. Aber wie gesagt nicht des Abends, denn im Barbereich wurde dann noch weiter gefeiert, mit DJ und kleinerer Tanzfläche.Also, ich hatte Spaß. Aber verlasst Euch nicht auf mich, kommt selbst mal rüber. Das nächste Bedlam findet am 14. und 15. September 2013 statt, unter anderem mit den NEKROMANTIX. Dass das Lineup für #16 schon wieder steht, zeigt, wieviel Mühe sich die Jungs hinter dem Breakout geben. Einer der Hauptorganisatoren ist Tobe Wright (Foto rechts), der sich die Zeit nahm, mir ein paar Tage nach dem Festival einige Fragen zu beantworten:
Der Bedlam Breakout ist mittlerweile sehr beliebt und alle sagen, dass die Stimmung dort so super ist. Wie habt Ihr das denn hingekriegt?
Ich kann es nach wie vor kaum glauben, wie beliebt unser Festival geworden ist. Aber ich denke, das liegt an unserem Konzept, bei dem kaum Security zu sehen ist. Das gibt dem Ganzen schon ein entspannteres Ambiente. Außerdem kennen wir sehr viele Leute aus der Szene, die hier als Freunde hinkommen. Die helfen uns und passen ein bisschen auf, falls ausnahmsweise mal jemand über die Stränge schlägt und Ärger macht. Denn die meisten wollen hier einfach nur Spaß haben und sich das nicht versauen lassen. Das Ganze ist ein DIY-Projekt von Psychobillies für Psychobillies. Wir kümmern uns um alles, und dafür werden wir, glaube ich, respektiert.
Wieviel Zeit nehmen die Vorbereitungen in Anspruch?
Haha, die Vorbereitungen laufen ununterbrochen! Okay, nach dem Festival gönnen wir uns vielleicht 14 Tage Auszeit, aber generell buchen wir schon frühzeitig Bands fürs nächste Festival, damit wir bei dem davor dann schon die Flyer fertig haben. Manchmal weiß man gar nicht mehr, wen man für welches Konzert gebucht hat! Also normalerweise gibt es bei jedem Festival die ersten kleinen Flyer fürs nächste, und einen Monat danach geht es dann richtig mit der Werbung los, mit hochwertigen Flyern in Farbe, die wir in ganz Europa versenden und die Freunde dort für uns verteilen. Es hilft uns, dass viele bei der Sache mitmachen. Bei fast allen Psycho-Konzerten in GB ist einer der Bedlam- Gang vertreten, um für das Festival zu werben und gleichzeitig andere gute Promoter zu unterstützen. So gibt es also keine echte Atempause zwischen unseren Festivals.
Wieviele Leute waren beim letzten Mal da und wieviele braucht Ihr, um keinen Verlust zu machen?
Die genaue Zahl habe ich jetzt nicht parat, aber es waren wohl so 500 pro Tag, und etwa 160 in der Kneipe am Freitag davor. Finanziell gesehen hängt die Frage von Verlust oder Gewinn dann natürlich immer davon ab, was die Bands verlangen. Aber zu Gagen und so weiter möchte ich hier lieber nichts sagen. Doch es kann einem schon Angst machen, wenn man erstmal die Kosten für Bands, die Halle, Werbung, Verpflegung und so weiter tragen muss, bevor was rein kommt!
Gab es für Dich beim letzten Breakout Highlights?
Für mich war das Highlight, und ist es immer, dass ich sehen kann, wieviel Spaß die Leute haben. Ich selber kann das Ganze aber eigentlich erst eine Woche danach genießen. Denn dann weiß ich, ob wir alles richtig gemacht haben, einfach weil wir von denen, die da waren, Feedback bekommen. Und wenn man dann die Bilder und so weiter im Internet sieht, ist das schon cool. Dann kann ich immer sehen, was ich selbst verpasst habe! Meine persönlichen Höhepunkte beim letzten Festival waren aber auch die Tall Boys und Raw Deal, die hier zum ersten Mal aufgetreten sind. Und die Milwaukee Wildmen, die ich echt mag und die auch beim Publikum super ankamen. Obwohl ich die beim Festival gar nicht mitbekommen habe, mir aber ihr komplettes Set nachher anhören konnte. Allgemein mag ich aber alle Bands, Meteors, Demented Are Go, usw.
Was für uns alle vom Bedlam Breakout auch toll ist, sind die zahlreichen Besucher, die aus dem Ausland angereist kommen. Und die sagen uns oft, dass sie unser Festival anderen Großen dieser Art vorziehen – ich muss immer noch lachen, wenn jemand unser Ding als ein großes Festival bezeichnet.
Und vielleicht auch Negativerlebnisse?
Ja, und leider gab es auch ein paar wenige Dinger, die nicht so toll waren. Aber das kann man wohl nicht ganz ausschließen bei so vielen Leuten, die ein Wochenende lang saufen. Ein Vollidiot jedenfalls meinte, er müsste beim Set der Meteors einen unserer Freunde verprügeln. Der hat jetzt lebenslanges Hausverbot bei uns. Ein anderer Wichser ist ebenfalls nicht mehr bei uns willkommen, weil er einem Mädel an ihrem Verkaufsstand trotz Warnungen übelst zugesetzt hat – anscheinend, weil ihr Mann bei der Polizei ist.
Wie sieht’s mit Plänen für die Zukunft aus?
Pläne für die Zukunft? Wie Du weißt, haben wir es endlich geschafft, die Nekromantix für den nächsten Breakout zu buchen. Aber unser eigentliches Ziel ist es, kleinere britische Bands zu pushen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, vor einem etwas größeren Publikum aufzutreten. Und jetzt, wo wir die Mittel dazu haben, wollen wir auch noch mehr kleine Bands aus dem Ausland rüberbringen. Denn für viele der Fans von der Insel ist das dann wahrscheinlich die einzige Gelegenheit, diese Bands mal sehen zu können.
Danke nochmal an Tobe und die Bedlam Crew, sowie an Lisa Hands für die tollen Fotos. Auf der Website http://bedlambreakout.com/ könnt Ihr Euch über das Festival auf dem Laufenden halten.
Text, Interview & Fotos (6): Jan
Fotos (18): Lisa Hands, Cherries-Rock-Photography
Clip: aufgenommen am Konzertabend von TheMidnitersUK
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