Northampton, UK, 15.09.2013
Wenn man alt und unfit ist, guckt man sich bei einem Gig den Pit gelassen an und springt erst beim letzten Lied rein, wenn alle anderen schon kaputt sind. Macht Spaß und steigert außerdem das Selbstbewusstsein. Diese Strategie lässt sich auch bei mehrtätigen Festivals gut anwenden: Am letzten Tag frisch hinfahren und den Verkaterten zeigen, wo der Hammer hängt. Genau das tat ich vor kurzem anlässlich der 16. Auflage des BEDLAM BREAKOUT in Northampton. Nur muss ich sagen, dass bei den Verkaterten der Hammer genauso hoch hing wie bei mir. Muss am Festival liegen, an der Energie und guten Laune, die dort freigesetzt werden. Aber dazu habe ich mich bereits vor einem halben Jahr geäußert (hier), deswegen werde ich diesmal mehr auf die acht Bands eingehen, die ich miterleben durfte (von insgesamt 22 an jenem Wochenende).
Losgehen sollte es eigentlich mit den LIGAMENTS aus London. Aber aufgrund einer leicht zeitintensiven Anreise von Manchester mit Zwischenstopps in Liverpool, Stoke-on-Trent und anderen unansehnlichen Orten kamen wir zu spät, so dass ich diesen „Punk Rock’n’Roll Steamroller“ (Zitat Band) verpasst habe. Leider, denn was ich von der Combo im Internet gehört habe, machte Lust auf live. Nun gut, die erste Band, die ich also mitbekommen habe, waren die LEECHMEN (unten) aus Deutschland – Ulm glaube ich. Auch die hatte ich online getestet und für mittelmäßig befunden. Umso besser, dass sie mir live wirklich gut gefallen
haben, oder besser gesagt, die zwei Lieder, die ich noch sehen konnte. Das ist vielleicht nicht genug, um ein Urteil zu fällen, aber der erste Eindruck war positiv. Solider Neorockabilly/Psycho der alten Schule von prima Musikern. Die Reaktion des Publikums war auch gut, und es war wieder schön zu sehen, dass am sehr frühen Nachmittag schon so viele in der Halle waren. Es gibt ja nichts Blöderes, als wenn die ersten paar Bands vor leerem Haus oder apathischem Publikum spielen müssen. Hier nicht der Fall!Weiter im Programm: Nach der kurzen Pause konnte ich mir dann das erste vollständige Set ansehen. Am Start die MARKSMEN, vier nicht mehr ganz so junge Herren aus dem Osten Englands. Was mir und meinen Mitgereisten vor
der Bühne dann erst einmal auffiel, war der hervorragende Sound. Ich habe auf Festivals schon so oft schlechten Sound erlebt, dass das nun wirklich zu erwähnen ist.Die MARKSMEN haben mich aber nicht mitreißen können. Nicht weil sie schlechte Musiker sind, sondern weil ihr Stil für mich zu „rockig“ ist. Punkrock mit Doppelbass und Metallgitarre, aber keine wirklich eingängigen Songs und leicht gröhliger Gesang. Wie gesagt, reine Geschmackssache, aber bei mir haben die Schützen ihr Ziel verfehlt. Egal, Bier trinken und anderen zusehen, die Spaß haben, ist auch schön. Vor allem wenn man weiß, was noch so kommt.
Zum Beispiel die ZIPHEADS, ein recht junges englisches Trio, das bei mir schon vor dem Gig einen hohen Stellenwert hatte. Und den hat es jetzt erst recht, denn die Show hat absolut Laune gemacht. Sie spielen schnellen, punkigen
Rock’n’ Roll/Rockabilly ohne einen Hauch von Retro oder Nostalgie, dafür mit einem guten Schuss Ironie, Freude am Experimentieren und vor allem gekonnt. Sehr tight das Ding. Dementsprechend stieg die Stimmung im Saal, es wurde gegrinst und getanzt. Die ZIPHEADS haben gerade ihr erstes Album veröffentlicht, „Prehistoric Beat“ mit 12 Liedern, leider bislang nicht auf Vinyl zu haben. Wer sich die CD zulegt, kommt auch in den Genuss einer einfallsreichen Coverversion des Rocksteady-Klassikers „54-46“ von TOOTS & THE MAYTALS, den das Trio auch in Northampton als Uptempo-Rocker darbot, der dann in die Version der Kalifornier SUBLIME überging. Mein Tipp an die geneigten Leser: ZIPHEADS ausprobieren, wer sie noch nicht kennt. Solche Newcomer verdienen es. Danke.So, dann wieder an die Theke, noch ein Guinness, und zurück vor die Bühne, auf der jetzt die HELLFREAKS aus Ungarn standen. Von denen hatte ich mir eigentlich eine große Portion Fremdschämen erwartet, denn ich kannte sie nur von ihrem Video zum Song „Boogie Man“, und das ist schlichtweg peinlicher 08/15-Psycho für Kleinkinder mit affigem Styling. OK, auch auf der Bühne fehlte bei den Musikern das Horror-Make-Up nicht, aber dafür hatte die junge Sängerin zum Glück auf den Betty Page-Look verzichtet und sah jetzt eher nach Tank Girl aus.
Auch musikalisch war da nix mit Psycho, eher Hardcore-Punk mit einem Touch Oi! Das ist normalerweise nicht mein Leibgericht, aber bei den vier Osteuropäern kam das gut rüber, auch der Gesang von Tank Girl konnte mit der Optik mithalten. Umgehauen haben mich die HELLFREAKS nicht, aber immerhin doch positiv überrascht. Darauf noch ein Bier! Oder mehr, denn jetzt war Teatime, das heißt eine Stunde Pause, um in die Kneipe zu gehen, was zu essen, zu quatschen, zu trinken, und sich auf dem Rückweg zur Halle zu wundern, dass es ja immer noch hell ist und man nicht mehr grade gehen kann. Und das war noch lange nicht das Ende des Festivals – den zweiten Teil des Berichts über BONSAI KITTEN, die EPILEPTIC HILLBILLYS, die COFFIN NAILS und NEKROMANTIX lest Ihr hier.
Vielen Dank schonmal an dieser Stelle an die Fotografin Ami Kaye, die uns ihre Fotos für diesen Bericht zur Verfügung gestellt hat. Schaut mal auf ihre Facebook-Seite: https://www.facebook.com/AmiKayePhotography
Links: http://www.bedlambreakout.com/, https://www.facebook.com/bedlambreakout, https://myspace.com/bedlambreakout
Text: Jan
Clips: am Konzertabend aufgenommen von MaddieSinner
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