Schlachthof, Wiesbaden, 3.12.2014
Als BLACK MOTH im April 2014 vor UNCLE ACID AND THE DEADBEATS eröffneten und Kollege Marcus und ich zum gefühlt 340sten Mal modernen Classic/Heavy-Rock mit femininer Note bestaunen durften (Bericht hier), kündigte Diseuse Harriet Bevan (rechts) bereits an, Ende des Jahres nochmal vorbeischauen zu wollen, dann mit neuem Album im Gepäck. Für die einen mag das eine Drohung gewesen sein, für mich eher ein Versprechen: Auch, wenn der erste Longplayer „The Killing Jar“ zwar nicht übel war, aber meiner Meinung nach nicht ansatzweise in die Nähe von Veröffentlichungen von Genrekollegen wie MOUNT SALEM, AVATARIUM, BLOOD CEREMONY oder gar JEX THOTH oder BLUES PILLS kommt, empfand ich ihn und die Live- Präsenz der Musiker aus Leeds dennoch als ansprechend genug, um ihnen
wieder einen Besuch abzustatten. Wäre das inzwischen erschienene zweite Album „Condemned to Hope“ aber nicht so gut, wie es ist (und damit viel besser als das Debüt) – ich hätte mich an diesem kalten Dezembertag wohl doch nicht nach Wiesbaden begeben. So aber war Erscheinungspflicht. Und selbst Männer mit Geweih konnten mich daran nicht hindern.
Geweih? Die Vorband, wohl eher der Special Guest ANTLERED MAN (Mann mit Geweih) aus London bewies in mehrfacher Hinsicht speziellen Humor sowie, dass Hardrock- und Metalfans nicht halb so intolerant sind, wie es ihnen gerne nachgesagt wird. Gut, ein paar sogenannte Hipster werden extra ihretwegen gekommen sein, was die Zahl der Zuschauer auf beachtliche, großzügig geschätzte 100 Leute erhöhte; eher waren es vielleicht doch nur 80. Ich habe ja eine Schwäche für musikalische Freidenker (und um solche handelt es sich hier zweifellos); und der Arbeitseinsatz des Quartetts war mehr als erstaunlich, aber das war nicht unbedingt was zum Nebenbeihören: Tierisch rasanter Free- Rock, der mich in Spuren an PIL und JANES ADDICTION erinnerte und dem Jazz ebenso nah schien wie dem Hardcore.
Das brachte sogar die Köpfe der bekutteten Metal-Fans zum Wippen und wirkte auch erstmal optisch sehr aufregend: Zum einen, weil die Herrschaften extrem aus sich raus gingen, zum anderen, weil man selten so eine Gitarrenvorrichtung sieht wie bei dem Sänger Damo Ezekiel-Holmes. Die Klampfe war auf einem (Key?)board aufgeschnallt, so dass der Herr sie von oben spielte und damit auf eine Art an den Gitarrenhals griff, die ich so noch nie gesehen habe. Zwischen Gitarrenspiel, Gesang und Turnübungen an der Räucherkammer-Säule spielte er auch noch ein bisschen Flöte. Sänger Zwei und Hauptgitarrist Danny Fury tat seinem Namen ebenfalls alle Ehre. Das alles uneingeschränkt vom Verstand her respektierend, trotteten mein Bauch und ich zur Theke; orderten ein Hefeweizen und beschlossen, dass uns dieser Post-HC (zumindest heute) komplett am Arsch vorbei geht. Nächstes Mal, vielleicht. 45 Minuten spielten die Londoner und hinterließen einen guten Eindruck bei der toleranteren Hörerschar.
Nach schnellen 20 Minuten Umbau ertönte als Intro „Suspiria“ von GOBLIN (gute Wahl) und die Jungs kamen erstmal; schon ein wenig Stimmung machend für Queen Harriet I, die gestern, soviel Gala sei erlaubt, mit ihrem düsteren Blüschen und dem Kreuz darauf bestens zum BLACK SABBATH-Shirt des Drummers passte. Man konnte das durchaus auch als Ansage werten, denn die schwarze Motte rockte famos los – Gitarrenheld Jim Swainston gab genauso das R’n’R-Tier wie die Klampfen-Träger des Geweih tragenden Menschen vorher, nur dass es, äh, in meinen Ohren besser klang. Ich weiß, es sind alte Ohren. Aber trotzdem.
Songs wie „Tumbleweave“ (Clip dazu weiter unten) oder „Room 13“ sind ganz großes Kino, ebenso Hard- wie Stoner-Rock-kompatibel. Ein bisschen Punkrock war auch im Spiel. Es hätte ein wahrlich wunderschöner Abend sein können, wenn Harriet nicht nach knapp 45 Minuten den „letzten Song“ angekündigt hätte. Auf das allgemeine „Hä?“ folgte die Beschwichtigung, dass es der letzte Song des Albums sei, hihi, na sowas, voll reingefallen. Spielten den Song und Abgang. Mit Verlaub: Geht’s noch?
Nun spielte mir das indirekt sogar in die Karten wegen spätem Zug usw, aber eine Dreiviertelstunde sind eines Headliners mit zwei Alben unwürdig, Punkt. Gut, es gab noch eine Zugabe, so dass wir insgesamt knapp eine Stunde lauschen durften; und, soviel ist klar: Diese Stunde war erlesen, keine Frage. Trotzdem ist das mehr als mau. Manche Combos sollten vielleicht dann doch Vor- oder Festivalband bleiben. Schade drum. Mehr Text gibt’s dafür auch nicht.
Links: https://www.facebook.com/antleredman, https://myspace.com/antleredman, http://www.lastfm.de/music/Antlered+Man, http://antleredman.bandcamp.com/, http://www.themothpit.co.uk/, https://www.facebook.com/themothpit, http://www.lastfm.de/music/Black+Moth
Text, Fotos & Clips: Micha
Alle Bilder: