BLACK SABBATH

Festhalle, Frankfurt, 4.12.2013

Drei Jahre älter als ich sind BLACK SABBATH, wir sind quasi miteinander aufgewachsen. Klar wussten wir lange nichts voneinander (und das ist in eine Richtung immer noch so), aber auf meinem Schirm sind sie seit Anfang der 80er. Als es sie gerade mal gar nicht gab, kurzzeitig – aber zwei ihrer ehemaligen Sänger anfingen, unter ihrem eigenen Namen mit jeweils neuen Bands in Metalkreisen durchzustarten. Der eine war Ozzy Osbourne, der erste Sänger von SABBATH. Der zweite war Ronnie James Dio, der zweite Sänger. Zu dieser Zeit gab es unter uns adoleszenten Metalfans die eine und die andere Fraktion, die Ozzy’s und die Dios. Ich gehörte zu letzteren. Wenn wir Dios (überschaubar an Masse, aber lautstark) beispielsweise den Sachsenhausener Klapperkahn enterten, wurde mit den Augen gerollt, aber trotzdem das verfügbare DIO-Video

gezeigt; wir tranken beim Feiern schließlich nicht gerade wenig. Haben wir auch Ozzy gehört? Logisch. Wir jammerten aber nicht den Zeiten hinterher, in denen das unterirdische „Live at Last“ mitgeschnitten wurde, sondern denen, in denen „Live Evil“ aufgenommen wurde. „The Mob Rules“-Tour. Mit Dio.

Mein erster BLACK SABBATH–Gig war kurioserweise mit Ian Gillan (DEEP PURPLE) am Mikro, die „Born Again“-Tour 1983. SABBATH spielten in der Zugabe schleppend „Smoke on the Water“, während Gillan unhörbar seine Congas bearbeitete. Mann, war das schlecht. Fand auch SABBATH-Bassist Geezer Butler, als ich ihn 1995 fragte, ob er auch gerne mal mit PURPLE gespielt hätte. Hätte er nicht. Schwamm drüber.

Anschließend kamen die Jahre mit Sänger Tony Martin. Epischer Hardrock/Metal mit Hang zum Kitsch, der für viele genauso wichtig ist wie die Phasen mit Ozzy oder Dio, wie unlängst auf dem Hammer Of Doom zu hören war, als die Youngster von BELOW „Headless Cross“ in der Zugabe zelebrierten und das Publikum darauf steil ging.

Dann, 1998, die Reunion. Originalbesetzung: Ozzy, Butler, Drummer Bill Ward und der Chef des Ganzen, Gitarrist Tony Iommi, der die ganze Zeit das Schiff am Sinken

hinderte. Auch, als zum Beispiel 1995 in der Band von Ozzy Osbourne doppelt so viele Original-Sabbath-Mitglieder spielten als bei BLACK SABBATH selber (nämlich Ozzy und Butler). Die Reunion 1998 sorgte für volle Konzertsäle (u. a. in Dortmund), ein Live-Doppelalbum mit zwei neuen Songs und Gerüchte über eine neue Scheibe. Die erst 2013 erschien. Lange, nachdem z. B. auch Dortmund 2005 abermals bespielt wurde, das Interesse aber schon extrem abflaute und eine Menge Luft im Zuschauerraum ließ. Ozzy klatschte debil in die Hände, wie er das bei seiner Band auch immer tut und schüttete Eimer voller Wasser auf die Gesichter der spärlich erschienenen Gäste, während der Rest der Musiker relativ lustlos etwa 80 Minuten Pflicht erfüllend dafür sorgte, dass ich eine weitere persönliche Legende abhaken durfte.

Das Album 2013 aber schuf neue Voraussetzungen für die danach begonnene Tour: Erstens fiel es mitten in die Retro-Welle, in der Hinz und Kunz aus jedem Winkel der Erde sich als kreativer SABBATH-Fan outete; und zweitens ist es ein ziemlich sehr gutes Album geworden. Dass mein Traum vom perfekten BLACK SABBATH-Konzert zwischenzeitlich sogar mehrmals wahr wurde, weil Butler und Iommi auch mit Ronnie James Dio auf Tour waren (sie sich aus juristischen Gründen aber nur 1992 BLACK SABBATH nennen durften und danach als HEAVEN & HELL auftraten) sei diesbezüglich nur am Rande erwähnt. Die Original-Besetzung hat also ein superbes neues Album an den Start gebracht (inwieweit das auch dem Produzentengott Rick Rubin zu verdanken ist, der schon Johnny Cash zur Renaissance verhalf, bei METALLICA aber nicht mehr viel retten konnte, kann nur vermutet werden), tourt ohne den nicht mehr so fitten Bill Ward und setzt an seine Stelle den durch Alice Cooper und die Ozzy- Band bekannten Drummer Tommy Clufetos, und, ich nehme es vorweg: Der ist richtig gut.

BLACK SABBATH wurden also mal wieder für Dortmund angekündigt, so weit, so langweilig. Als es sich aber abzeichnete, dass auch die „Gut‘ Stubb’“, die Frankfurter Festhalle, beehrt wurde, musste ich ein Ticket ordern. Geht nicht an, dass die Herren in meiner unmittelbaren Nachbarschaft spielen und ich daheim fernsehe, no way. Habe ich was Besonderes erwartet? Nein. Schon

gar nicht in der Festhalle, in der nach wie vor mehr Konzerte mit miesem als passablem Sound zu bestaunen sind und die Atmosphäre ungefähr so angenehm ist wie die dortige Speisekarte für Veganer. Sei’s drum.

Dass UNCLE ACID & THE DEADBEATS eröffneten, war mehr als passend – die 2009 gegründete englische Band beruft sich auf die psychedelischeren SABBATH der Ozzy-Phase als Vorbild. Ich hatte mit meiner Angst, den den meisten Anwesenden komplett unbekannten UNCLE ACID würde es ergehen wie z. B. KINGS X vor AC/DC, also untergehend in Buh-Rufen, den SABBATH-Fans extrem Unrecht getan – zumindest in meinem Teil der Veranstaltung (vor der Bühne im Innenraum) hörten die Gäste interessiert hin und ließen sich trotz des etwas mauem Sounds auf die Band ein. Wem die knapp dreiviertel Stunde Hippierock gefiel: Am 3. April spielen sie im Frankfurter Nachtleben.

Viel umzubauen war danach nicht, die beeindruckende Bühnenkonstruktion, in der diverse Leinwände kunstvoll um eine zentrale wie mit Bilderrahmen drapiert wurden, stand ja bereits. Auch die Setlist stand: Von der DVD, die kurz vor dem Frankfurter Konzert erschien und die beim Tourauftakt in Australien

mitgeschnitten wurde, unterschied sich das Programm nur bezüglich der Reihenfolge der Songs sowie durch das Austauschen ein paar weniger Lieder des Comeback- Albums „13“. Von der Setlist in Dortmund, Paris oder anderswo wich der Auftritt gar nicht ab. Im Vergleich zu Dortmund 2005 allerdings unterschied sich die gestrige Frankfurter Show in wesentlichen Punkten: Neben dem für Festhallen-Verhältnisse fantastischen Sound und den kreativen, gestochen scharfen Bildkompositionen vor allem im Arbeitsethos der Bandmitglieder: Schlagzeuger Clufetos (gut, er ist neu) war der Wahnsinn, sein Solo eines der unfassbar wenigen nicht-langweiligen im Metalbereich (ernsthaft: wer mal Ginger Baker, Elvin Jones oder Roy Haynes gesehen hat, findet Hardrock-Drumsoli nur noch peinlich und verzichtbar, Ausnahme: Ian Paice); der vom Krebs angeblich gesundete Iommi genau wie Geezer Butler an Lässigkeit kaum zu überbieten und dabei ein Höllenriff nach dem anderen raushauend und am meisten: der Ozzman himself.

Ozzy Osbourne wirkte würdevoll. Ich zumindest habe das noch nie erlebt, weder auf einem der vier von mir gesehenen OZZY OSBOURNE-Konzerte noch beim vergangenen Mal mit SABBATH. Und schon gar nicht im Fernsehen. Hier stand

doch endlich und tatsächlich ein Master of Darkness, und zwar immer gut bei Atem und Stimme. Verbunden mit den das Bühnengeschehen illustrierenden Bildern (u. a. bei „Fairies Wear Boots“ und „Dirty Woman“ passenderweise mit fast schon pornografisch anmutenden Aufnahmen, was einige Besucher etwas entsetzte, andere eher erfreute) wurde hier die perfekte Synthese aus Kino und Livefeeling zelebriert – etwas, was vielen großen Acts in solchen Hallen einfach nicht gelingen will.

Drei Songs vom Comeback-Album, der Rest nur Klassiker in zwei Stunden – ich war so begeistert, dass ich gleich danach Tickets für Stuttgart (25. Juni 2014) bestellen wollte. Ganz großer Abend. Posthum erkläre ich mich hiermit nicht nur den Dios, sondern auch den Ozzy’s zugehörig. Es wurde ja auch langsam Zeit.

Links: http://www.blacksabbath.com/home.html, http://www.black-sabbath.com/, https://myspace.com/blacksabbath, http://www.lastfm.de/music/Black+Sabbath, http://acidcoven.com/, https://myspace.com/uncleacid, http://www.lastfm.de/music/Uncle+Acid+and+the+Deadbeats

Text: Micha / Fotos (21): Kai / Fotos (6): Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von MrFlottmann1

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