Schlachthof Wiesbaden, 27.04.2012
Metal ist eines der ehrlichsten, interessantesten und facettenreichsten Musik-Genres überhaupt. Und das sage ich, obwohl mein Herz mittlerweile eindeutig dem Punk gehört. In den Siebzigern lernte ich Hard Rock kennen und in den Achtzigern Metal lieben. Zu meinen Lieblingsacts zählten BLACK SABBATH, TROUBLE und SAINT VITUS, allesamt Bands, die langsamen, schwerfälligen und teilweise sogar psychedelischen Metal zelebrierten. Machen wir nun einen Zeitsprung ins Jahr 2012.
Das Metal-Genre gibt es immer noch und seit geraumer Zeit erleben Gruppen, die sich auf dessen Ursprünge und die oben genannten Acts besinnen, eine Renaissance. GRAVEYARD aus Schweden, ORCHID aus San Francisco oder ELECTRIC WIZARD aus England gehören zur Speerspitze der neuen Retro-Rocker und ständig kommen neue Bands und Stile hinzu. Was früher einfach nur Hard Rock oder Metal hieß, hat heute gut 50 Bezeichnungen, von denen sich allein die langsame, oben erwähnte Spielweise in Doom, Sludge, Southern Sludge, Stoner Rock und Psychedelic Rock unterteilt. Schubladen, die man weder braucht, noch kennen muss, denn letztlich ist es
immer Rock’n’Roll oder Hard Rock, der da heute von vielen jungen Bands dargeboten wird. Zwei gaben sich gestern im Wiesbadener Schlachthof die Ehre. Zum einen die derzeit sehr angesagten RED FANG aus Portland, Oregon, zum anderen die aus den Südstaaten stammenden BLACK TUSK.Es dürfte bereits eine Dekade, vielleicht sogar zwei, her sein, seit ich das letzte Mal ein richtiges Metal-Konzert besucht hatte, und wie ich feststellen musste, hat sich die Szene stark verändert. Metal-Fans, wie ich sie kannte, langhaarig, mit obligatorischer Kutte ausgestattet und meist schon vor dem Konzert hackedicht, waren nämlich so gut wie gar nicht anwesend. Stattdessen hatten sich zumeist unauffällig gekleidete, kurzhaarige Kids, von denen die meisten aussahen, als kämen sie gerade von einer Abi-Feier oder einem IT-Workshop, in der Räucherkammer versammelt. Irgendwie ungewöhnlich, wohl aber damit zu erklären, dass viele junge Leute sich heutzutage nicht mehr auf eine bestimmte Musikrichtung festlegen, sondern von ÄRZTEN über CULCHA CANDELA bis hin zu MOTÖRHEAD alles hören, ohne sich ausschließlich mit einer bestimmten Richtung zu identifizieren.
Doch wie dem auch sei, die Stimmung war gut, die Show ausverkauft und der Schweiß tropfte schon von der Decke, als ich den Club betrat und BLACK TUSK bereits auf der Bühne wüteten. In klassischer MOTÖRHEAD-Formation agierend, bestach die Band durch einen wuchtigen, kantigen Sound, der schwerfällige Doom-Passagen mit bluesigen Elementen verband. Als Sänger fungierten dabei alle drei Mitglieder, was die Songs sehr abwechslungsreich gestaltete und hohe Vocal-Parts, wie man sie von vielen Metal-Bands her kennt, mit dreckigem, rotzigen Gesang kombinierte. Wie unter Strom und ständig in Bewegung, verausgabte sich das Trio sichtlich und konnte immerhin einen Teil des Publikums für sich gewinnen.
Für diejenigen, die wegen den weitaus eingängigeren RED FANG gekommen waren, dürften BLACK TUSK wohl zu unmelodiös und hart gewesen sein. Dabei war es durchaus eine Überraschung, dass letztere nicht als Headliner spielten, denn die Jungs aus Savannah, Georgia können nun schon auf fünf Veröffentlichungen zurückblicken, während ihre Kollegen nur auf zwei kommen. Die Band spielte hauptsächlich Songs ihres Klassikers „Passage Through Purgatory“ und des aktuellen Albums „Set the Dial“ und stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass Stücke wie „Breaking the Backs of Men“ oder „Crossroads and Thunder“ live noch eine Ecke brachialer und wuchtiger rüberkommen als ohnehin schon auf den Alben. Ein ganz starker Auftritt.
Dann war es Zeit für RED FANG. Die Gruppe macht seit einigen Jahren durch sehr originelle Videoclips auf sich aufmerksam, die fast vermuten lassen, dass es sich bei dem Quartett eigentlich um Komiker handelt, die nur nebenbei Musik machen. (Unbedingt auf YouTube die Clips zu den Songs „Prehistoric Dog“, „Wires“ und „Hank is dead“ anschauen!) Doch dem ist nicht so, RED FANG sind eine seriöse Band, Comedy wurde auf der Bühne nicht geboten, dafür aber gute Musik.
Als die Jungs die Bühne betraten, wurde es in der ohnehin schon gut gefüllten Räucherkammer noch einmal voller und ungemütlicher, so dass ich keine Lust mehr hatte, mich in der Menschenmasse nach vorne zu drängeln, um Bilder von der Band zu schießen. Optisch wirkten die Kerle, Gitarrist Bryan Giles mal ausgenommen, wie ein Haufen Nerds, die man eigentlich eher in der Modellbau- oder Comicszene ansiedeln würde, gerockt haben sie aber wie die Großen.
Soundtechnisch war zunächst ein deutlicher Unterschied zum Opener auszumachen. Wo BLACK TUSK brachial, mit sägender Gitarre und schrillen Vocals zu Werke gingen, präsentierten sich RED FANG mit ihren tief gestimmten Gitarren und ihrem harmonischen Gesang eher zahm, zumal die Gitarren auch wesentlich leiser waren. Daran musste man sich erst gewöhnen, doch mit zunehmender Konzertdauer wurde man vom groovenden Stoner-Rock der Band regelrecht hypnotisiert. RED FANG hatten sich zudem die oben genannten „Hits“, zu denen es auch Videos gibt, für die zweite Hälfte des Gigs aufgespart und steigerten so die Stimmung kontinuierlich. Etwas schade war, dass von den Musikern keinerlei Ansagen kamen, aber vielleicht war die Erwartungshaltung aufgrund der unterhaltsamen Clips auch einfach zu groß.
Letztlich haben beide Bands in Kombination sehr viel Spaß gemacht und mit ihren unterschiedlichen Stilen für Abwechslung und einen kurzweiligen Abend gesorgt, wobei mir der aggressivere Auftritt von BLACK TUSK besser gefallen hat als der doch etwas langweilige von RED FANG. Fest stehen dürfte aber bereits jetzt, dass letztere ihren Weg machen werden und man sie vermutlich schon bald auf größeren Bühnen sehen wird.
Links: http://www.redfang.net/, http://www.myspace.com/redfangpdx/, http://www.blacktuskterror.com/ (entsteht gerade), http://www.myspace.com/blacktusk
Text & Fotos: Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von Legionoftheluftbumbe
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