Au, Frankfurt, 5.04.2014
Die schönsten (Liebes-)Geschichten schreibt ja bekanntlich das Leben selbst. So zum Beispiel die einer jungen Frau aus dem Ruhrpott, die 2007 in Köln bei einem Gig der inzwischen leider nicht mehr existenten amerikanischen Wave- Punks EPOXIES deren Keyboarder F.M. Static kennen- und wenig später auch schätzen lernte. Sie siedelte zwei Jahre danach zu ihm in die USA über, die beiden heirateten und gründeten, nein, keine Familie, sondern eine neue Band. Die Initiative dazu kam von Schneck Tourniquet (links), so der Name der blonden Deutschen, die in der THE BLOODTYPES benannten Formation an Mikro und Synthesizer zu finden ist. Ihr Ehemann bedient nach schneller Namensänderung nun als Jesse B Negative den Bass und tut dies, wie augenzwinkernd kolportiert wird, angeblich nur, weil bisher kein besseres Personal zu finden war. Die Combo komplettieren mit I.V. Frehley (Gitarre) und Matt O Dermic (Schlagzeug) zwei weitere erfahrene Musiker aus der Punkrock-Szene von Portland (Oregon). Das Quartett mischt Punkrock mit New Wave und hat im vergangenen Jahr sowohl die LP „Just Your Type“ (in Europa über das deutsche Label P. Trash Records veröffentlicht) als auch die 4-Track- EP „Johnny“ herausgebracht. Auch in den genrerelevanten Fanzines war die Truppe aus dem Nordwesten der USA in den zurückliegenden Monaten vermehrt präsent, zuletzt im Ox #113, das ein langes Interview mit Verena (alias Schneck) und Co. enthält. Die oben erwähnte EP könnt Ihr beim Weiterlesen anhören, einfach auf den Pfeil klicken:
Auf ihrer ersten Europa-Tour machten die BLOODTYPES auch in Frankfurt Station und standen gestern auf dem Podest der Rödelheimer Au. Bevor die Amerikaner ihre Show abziehen durften, kam allerdings erstmal der lokale Support durch
Dann war es Zeit für den Auftritt der sonnenbebrillten BLOODTYPES, die wie zu erwarten in ihren weißen, mit lustigen blutroten Farbklecksen bespritzten Arztkitteln auf die Bühne kamen. Wie die Flecken auf die Klamotten gekommen sind, dazu lassen sich (mindestens) zweierlei zweifelhafte Theorien aufstellen: Entweder ist eine OP am offenen Herzen in die Hose gegangen oder es handelt sich um Tomatenmatschepampe, lässt sich die Sängerin doch schonmal gern mit überreifen Exemplaren des Nachtschattengewächses bewerfen (netter Clip dazu hier).
Doch genug der Spekulationen: Im Auftritt war vom ersten Moment an Zug drin; Schneck bog, krümmte und verrenkte sich, spielte das Keyboard teilweise im Knien und schrie in bester Rrrriot-Girl-Manier ins Mikrofon, während sich ihre Kollegen in allerlei Posen und Grimassen ergingen. Aufgekratzt, hektisch, flippig sind so einige Attribute, die mir in den Sinn kommen, um das Dargebotene zu beschreiben. Schwester, Alarm auf Station 9! Pfleger, bitte!
Ohne die Melodien zu vernachlässigen, erreichen einige BLOODTYPES-Songs in der Spitze sogar das Tempo der legendären BRIEFS, die uns an gleicher Stätte auch schon viel Freude gemacht haben. Musikalische Parallelen gibt es natürlich zu den EPOXIES (bei denen allerdings das Keyboard stärker eingesetzt wurde) sowie unter anderem zum Sound der ebenfalls verblichenen kalifornischen Band THE ZODIAC KILLERS, deren Alben (insbesondere das letzte, „Radiation Beach“ von
2005) ich hiermit allen empfehle, die solcherlei Musik mögen. In puncto Spaß, Kostüme und Show erinnerte mich der Auftritt zudem an die PHENOMENAUTS, bei deren letztem Gig in Frankfurt (2011 im Orange Peel) Jesse B am Synthesizer aktiv war und das geniale Klorollen-MG bediente (Bericht hier).Als persönliche Favoriten der Songs, die übrigens in der Mehrzahl aus der Feder von Ms. Tourniquet stammen, würde ich „Alien Eyes“, „Anti-Social Media“, „Radiation Sickness“ und „ Running Out Of Time“ bezeichnen. Als Überraschung präsentierte die Combo noch ihre Version des NDW-Kulthits „Eisbär“, auch das war amüsant und in dieser Form sicher noch nie zu hören. Das Publikum in der
zu etwa zwei Dritteln gefüllten Au (die Konkurrenzveranstaltung fand mit MA VALISE im Bockenheimer Exzess statt) zog während des gesamten Auftritts munter mit, auch wenn es nur wenige TänzerInnen gab, die es mit einem solch schnellen Rhythmus aufnehmen wollten.Kumpel W. gefiel die Show so gut, dass er seine letzte S-Bahn fahren ließ, um den Rest des Sets miterleben zu können. Das bescherte ihm zwar, wie ich tags darauf erfuhr, eine Taxirechnung über schlappe 54 Euro, aber das sei ihm der Abend wert gewesen, so W. Ich bin geneigt, mich dieser Meinung anzuschließen. THE BLOODTYPES – eine verrückte, frische Band, die dem Genre gut tut und die ich mir gern schon bald wieder ansehe.
Setlist: Spy – Be a Man – They Live – Johnny – Destroy the Heart – Katz R Punx – TV Dreams – Alien Eyes – Running Out Of Time – Radiation Sickness – Eisbär – Don’t Wanna – Until it Bleeds – Going Away – Anxiety – The Day the Sun Explodes – Anti-Social-Media
Links: http://www.thebloodtypes.com/, https://myspace.com/hemophonic, http://www.reverbnation.com/bloodtypes, http://www.lastfm.de/music/The+Bloodtypes, http://thebloodtypes.bandcamp.com/, http://www.rockyfrankfurt.de/
Text & Clip: Stefan / Fotos: Frank
Mehr Bilder: