BLUES PILLS & WEDGE

Schlachthof, Wiesbaden, 14.07.2015

Blues PillsGuter Witz. Das war meine Reaktion, als am fortgeschrittenen Abend des 1. April eine mir unbekannte Dame die Bühne des Schlachthofs in Wiesbaden erklomm, um dem Publikum mitzuteilen, dass BLUES PILLS-Sängerin Elin Larsson krank sei, keinen Ton herausbekomme und die Band deshalb ohne sie auftrete. Schenkelklopfer. Was haben wir gelacht. Vorher gab es schon drei Combos zu sehen, von denen die TRUCKFIGHTERS bei den Anwesenden am meisten abräumten (bei mir nicht), JEX THOTH ihre verstörende Messe an größtenteils teilnahmslose bis ignorante Dummschwätzer verschwendete und mit den THREE SEASONS eine weitere Retroformation eröffnete, die aussah wie aus den Siebzigern importiert und klang wie eben die eine Retroband zuviel, weil es nun ja auch mal gut sein kann.

BLUES PILLS wären das Highlight gewesen und waren es letztlich auch, aber anders als erwartet. Der juvenile Gitarrengott im Wachstum, Dorian Sorriaux, transferierte den fehlenden Leadgesang der tatsächlich kranken Larsson in sein mitreißendes Gitarrenspiel und schaffte sich in knapp einer Dreiviertelstunde den absoluten Wolf, in der das Trio komprimiert die Höhepunkte einer ansonsten doppelt so langen PILLS-Headlinershow runterzockte. Das war zwar nicht das, was wir hören wollten, aber es war schon mächtig geil und etwas, was andere Besucher der Tour wohl nicht zu hören bekamen (Videoclip dazu hier).

Blues PillsMein erster Impuls nach dem Auftritt war, eine Klage gegen das Label der Band, Nuclear Blast, anzustrengen – wegen der rücksichtslosen Verheizung ihrer Schützlinge auf den internationalen Bühnen, seien es KADAVAR, GRAVEYARD, ARCH ENEMY oder eben BLUES PILLS, die fast alle seit ihrem kommerziellen Durchstarten Mitglieder verloren haben (bei den BLUES PILLS drischt seit einiger Zeit der ehemalige TRUCKFIGHTER André Kvarnström auf die Felle) und touren, touren, touren. Macht doch mal Pause, möchte man den gestressten Musikanten zurufen – allerdings erst, nachdem man sie vor der Haustür gesehen und genossen hat. Vielleicht hatte Frau Larssons Seuche aber auch gar nichts damit zu tun, jeder wird mal krank. Und sie wurde auch rasch wieder gesund, die Tour lief nämlich flugs mit ihr weiter.

WedgeDass die Band gestern wieder auf dem Spielplan des Schlachthofs stand und der Eintritt für Besucher des April-Gigs nur 10 Euro kostete, war natürlich eine feine Sache für jeden, der bei allem Respekt für das großartige Spiel Sorriaux‘s auch das soulfulle Organ der Schwedin Larsson schätzt. Mit WEDGE aus Berlin hatte das Quartett einen Opener dabei, der mit seinem verspulten 70er-Rock gut zum Headliner passte und schon des Öfteren mit diesem die Bühne teilte. Zum künstlerischen Schaffen des WEDGE-Kopfes Kiryk Drewinski gibt es hier mehr zu lesen und hören. Im Schlachthof performte das Trio vor vielen Leuten, die WEDGE nicht kannten und überzeugte mit ihren 45 Minuten die Gäste völlig. Drewinskis gute Laune und seine flockigen Ansagen mögen Wedgeetwas dazu beigetragen haben; Fakt ist aber, dass man sich als Freund solcher Sounds den Songs von WEDGE kaum verschließen kann. Originär und leidenschaftlich dargebotener Rock, der sich genug von anderen Soundepigonen unterscheidet um als eigenständig wahrgenommen zu werden. Über mangelnden Zuspruch am Merchstand konnten sich die Hauptstädter später nicht beklagen.

Die BLUES PILLS hatten diesmal sowas gar nicht dabei, was bei einer Nuclear Blast-Band etwas verwundert. Wahrscheinlich waren die Gemälde auf Leinwand und die Tonträger in achtundzwanzig verschiedenen Kolorierungen schon auf Blues Pillsdem nächsten Festival in Polen oder Norddeutschland gebunkert – abgesehen davon, dass wahrscheinlich sowieso jeder Anwesende das Zeug schon im Schrank stehen hat (ich ja auch, zugegeben). Heute waren nämlich ausschließlich BLUES PILLS-Fans da, was zur Folge hatte, dass ein Großteil der Halle abgehängt war und die Bühne aussah wie ein Proberaum zu Zeiten der sexuellen Revolution (mit sehr hoher Decke).

Als Elin zu Beginn des knapp neunzigminütigen Sets auf der Bühne erschien, entschuldigte sie sich für ihr Fehlen im April (seht dazu unseren Videoclip weiter unten) und startete dann mit „High Class Woman“ in einen mitreißenden, aber weitgehend überraschungsfreien Auftritt – bei dem es qualitativ keinen Abfall gegenüber Blues Pillsvergangenen Konzerten gab, der aber auch in jeder Hinsicht „routiniert“ war. Das kann man gut finden oder nicht. Mir gefällt das eben, sogar sehr, aber eine Gänsehaut beim Live- Genuss bekommt man davon auch nicht mehr. Einzig die akustische Darbietung des neuen Songs „Yet to find“ und die des Chubby Checker-Covers „Gypsy“ in der Zugabe überraschte, bevor mit dem unvermeidlichen, aber auch schlichtweg großartigen „Devil Man“ Schicht im Schacht war. Unterm Strich also waren alle zufrieden, Pflicht hervorragend erfüllt, Danke fürs Vorbeischauen. Die Kür – das war dann vielleicht doch eher der Auftritt am 1. April. Was für ein Spaß.

Links: http://www.wedgeband.com/home.html, https://www.facebook.com/wedgeband, https://wedgeband.bandcamp.com/, http://www.bluespills.com/, https://www.facebook.com/BluesPills, https://myspace.com/bluespills, https://www.reverbnation.com/bluespills, http://www.lastfm.de/music/Blues+Pills

Text, Fotos (10) & Clips: Micha / Fotos (10): Kai

Alle Bilder:

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