BRIAN FALLON AND THE CROWES

Batschkapp, Frankfurt, 1.12.2016

Brian Fallon and the CrowesBrian Fallon backt, kommerziell gesehen, anno 2016 weitaus kleinere Brötchen als noch 2012, als seine ehemalige oder pausierende Band THE GASLIGHT ANTHEM noch in der Frankfurter Jahrhunderthalle spielte. Zu dieser Zeit erging es TGA noch wie einer Combo des Metal-Labels Nuclear Blast: Das 2006 gegründete Quartett aus New Jersey bespaßte im Vorprogramm von Acts wie BLINK 182 oder SOCIAL DISTORTION, nahm jedes relevante Festival (zum Beispiel das Vainstream Fest im Schlachthof Wiesbaden) mit und kletterte headlinend vom kleinsten Club in die fettesten Hallen. Rasch. Tourte, tourte, tourte. Dazwischen Platten, die immer langweiliger wurden und schon ab 2011 ein Seitenprojekt mit Ian Perkins namens THE HORRIBLE CROWES, welches, in erweiterter Form, gestern auf der Bühne der Batschkapp stand. Und: Offensichtlich tat ihm das gut, dem Herrn Fallon. Denn so entspannt und selbstsicher habe ich ihn vorher noch nie erlebt. Doch der Reihe nach, es gab schließlich auch noch zwei Opener zu bestaunen.

Beide hätten sich unterschiedlicher kaum präsentieren können. Als bereits um halb Acht ein Mann im Hoodie vor dem Mikro stand, der sich höflich für das frühe Erscheinen bedankte und dann anfing, neben Sounds aus der Konserve gitarrespielend ätherische Songs darzubieten, erlebten die Besucher einen mit „Ambient“ recht passend beschriebenen, Alex Rosamiliahalbstündigen Spannungsbogen, der mit einem weiteren „Thank You“ sowie der Feststellung endete: „I’m Alex.“. Hi Alex.

Alex Rosamilia

Alex Rosamilia, so der vollständige Namen des Herrn, der später auch bei Fallons CROWES an den Keys und an der Gitarre zu erleben war, ist es ebenso wie Fallon aus TGA-Zeiten gewohnt, auf hüpfende Massen zu starren statt auf andächtig lauschende oder schwafelnde Hipster. Ließ den Rockstar aber nicht nur nie raushängen, sondern machte was komplett Anderes als gewohnt, und das sehr gut (man beachte die Bandcamp-Seite seines Projektes DEAD SWORDS). Ein schöner, stimmungsvoller Opener.

Szenenwechsel. Auf Twitter fühlte ich mich in den letzten Wochen extrem belästigt durch das ständige Auftauchen des Porträts eines Musikers, den ich nicht kannte und nach dem zwölften, ungefragten Erscheinen in meiner Chris FarrenTimeline auch nicht mehr kennenlernen wollte. Danke, Du nervst. Als ich kurz vor diesem Konzertbesuch spitz kriegte, dass der Mann Chris Farren heißt und Brian Fallon auf der Tour als Special Guest begleitet,

Chris Farren

dachte ich: Gut, dann lass mal hören. Als ich beim Durchschreiten der Halle am Merchstand eine Fahne (!) mit dem Antlitz dieser Gestalt erblickte, mit Preisschild (!) dran, sagte ich zu mir: Also entweder ist das der absolute Weltstar und ging bisher an mir vorüber, oder der Mann hat ein gehöriges Egoproblem. Nun, das mit dem Weltstar ist nicht wirklich zu vermuten.

Chris FarrenFarren spielte oder spielt bei FAKE PROBLEMS, einer Band, die Punkrock ebenso mit main- streamigeren Heartland-Rock kreuzte wie THE GASLIGHT ANTHEM das taten. Also die Energie des Punk und die großen Gesten und das Herz solcher Storyteller wie Bruce Springsteen, Tom Petty oder Bob Seger, um drei der besten zu erwähnen. Kann nicht jeder so gut wie TGA, aber war okay.

Chris FarrenAuf der Batschkapp-Bühne war Farren allein, benutzte eine Art Spieluhr und spielte, teilweise hochenergetisch, Gitarre. Dazwischen Aufrufe, das von ihm veröffentlichte „beste Album der Welt“ zu kaufen, welches nur noch von zukünftigen Alben von ihm getoppt werden könne, blablabla. Seine Twitterseite ist, wie seine Performance, eine Aneinanderreihung von Eigenlob mit einer größenwahnsinnigen Note, die man, wenn man das freundlich liest, durchaus „ironisch“ nennen kann. So wie STEEL PANTHER ja so ironisch sind. Wenn diese „Ironie“ jedoch keinen Platz mehr lässt für Ausbrüche und ausschließlich in eine Richtung argumentiert/musiziert wird, dann sind Zweifel an dieser „Ironie“ erlaubt. Ist gut jetzt, Chris Farren, ganz toll. Zisch ab. Welch ein Kontrast zum Auftritt Alex Rosamilias.

Nach diesen unsäglichen 45 Minuten und einer mittelkurzen Pause stand um 21.15 Uhr Brian Fallon mit seinen CROWES auf dem Podest. Neben den erwähnten Rosamilia und Ian Perkins flankiert von Fußball-Schals und Leuten, deren Namen ich nicht rauskriegen konnte – Bassistin Catherine Popper, die mit Brian Fallon and the CrowesFallon in einer weiteren Band spielt (MOLLY AND THE ZOMBIES) sowie mit dem Who’s Who des modernen Americana-Sounds auf der Bühne steht (Jack White, Ryan Adams, Norah Jones, etc.) war jedenfalls leider nicht dabei.

Brian Fallon

Nachdenklicher, reservierter begann das Konzert – kein grinsendes Reinstürmen wie noch zu Clubzeiten bei TGA. Der unbeschwerte Übermut eines Vorstadt-Jungen ist verschwunden, kein Wunder: Allein schon der Medienrummel um seine religiösen Ansichten muss ihn verändert haben und misstrauischer werden lassen müssen. Damals, 2011, hatte Fallon noch die uneingeschränkte Unterstützung unseres Brian Fallon and the Crowesliebsten Punkheftes, des Ox. Das häufige Auftauchen von Jesus in den Dankeslisten der Alben und in Fallons Texten, gerade bei den HORRIBLE CROWES, veranlasste einen Schreiber des Visions, da mal genauer nachzufragen. Fallon outete sich als Kreationist – also als einer, der daran glaubt, dass Gott die Welt erschaffen hat und sowas wie Brian Fallon and the Crowesdie Evolution Blödsinn ist. Kann man und sollte man auch anders sehen – das Ox war darüber aber so empört, dass die Berichterstattung über Fallon ab sofort ausblieb (Artikel dazu hier). Blöderweise hatte das aber niemand gegenüber Fallon erwähnt, den Job erledigte dann erst wieder das Visions (Ausgabe vom August 2012, Titel: “Sagt den Leuten von mir, dass sie sich verpissen sollen!”). Fallon stand zu seinem Glauben, betonte, dass es bei TGA auch Atheisten gibt und, für mich das Entscheidende: Er missionierte nicht. Soll er doch glauben was er möchte: Solange er nicht den Bio-Unterricht an Schulen deswegen verbieten lassen will, ist doch alles tolerierbar.

Brian Fallon and the Crowes

Es menschelte auch mehrmals in der Batschkapp. Erstmals, als sich Fallon nach dem zweiten Song nach einem Besucher aus Peru erkundigte, dem er anbot, sofort ein Selfie zu machen (was sonst nicht seine Art sei, erzählte er, aber bei der weiten Anreise – nur Spaß, natürlich würde er sowas auch mit jemandem Brian Fallon and the Crowesvon der anderen Straßenseite machen) – später, als er seinen Kumpel Ian Perkins vorstellte und dessen Talent, Bruce Lees Akzent perfekt nachzuahmen. Fallon spielte und erzählte – packend und sympathisch. Zum Beispiel auch, wie blöd er es finde, wenn nach einem Gig nach „Zugabe“ gerufen werde und der Künstler wieder erscheine. Eine Zuhörerin fand das viele Gequatsche blöd und artikulierte exakt Brian Fallon and the Crowesdas, worauf Fallon erklärte: „Ich spiele weiter, wenn ich fertig geredet habe. Hol Dir was zu trinken. Oder noch besser, geh doch ins Internet.“ Bums, das hatte gesessen. Beifall.

Quatschte weiter über die Wahl, ja, Trump sei doof, der beste Präsident wäre eigentlich Dwayne “The Rock” Johnson gewesen und laberlaberlaber. In den vorderen Reihen hörte man aufmerksam zu, lachte und spendete Applaus. Brian Fallon and the CrowesHinten wurde geätzt, gemosert, geklagt. Die Songs von seinem Solo-Werk „Painkillers“, vom HORRIBLE CROWES-Album „Elsie“ sowie ein paar von MOLLY AND THE ZOMBIES gingen gut rein, sind teilweise wunderschön und wurden großartig gespielt. Von TGA kam gar nichts, war vielleicht zu unbeschwert oder noch zu früh. Es wäre schade, würde man diese Hymnen für die Ewigkeit live nicht mehr hören können oder Brian Fallon and the Crowesdürfen. Dazwischen Covers: Von den DIRE STRAITS („Romeo and Juliet“), mit herrlichem Gitarrenkrach von Neil Young („Rockin‘ In The Free World“). 90 Minuten lang. Keine Zugabe. Konsequent. Bei aller Klasse aber doch ein sehr merkwürdiger Konzertabend. Mit, wenn man nicht wie Bruce Springsteen über drei Stunden spielt, sondern nur popelige 90 Minuten, entschieden zu viel Gequatsche.

Setlist: Painkillers – Nobody Wins – Among Other Foolish Things – I Witnessed A Crime* – Long Drives** – Honey Magnolia – Steve McQueen – Smoke** – Open All Night – Lucky 7’s (The Scandals) – Red Lights** – Rosemary – Romeo And Juliet (Dire Straits) – Mary Ann* – Behold The Hurricane* – A Wonderful Life – Rockin‘ In The Free World (Neil Young)
* = The Horrible Crowes / ** = Molly And The Zombies

Links: https://www.facebook.com/deadswordsnj/, https://deadswords.bandcamp.com/, http://www.last.fm/de/music/Dead+Swords, http://chrisfarren.com/, https://www.facebook.com/chrisfarren, http://chrisfarren.bandcamp.com/, http://www.last.fm/music/Chris+Farren, http://fakeproblems.com/, http://thebrianfallon.tumblr.com/, https://www.facebook.com/thebrianfallon, http://www.last.fm/music/Brian+Fallon, http://thegaslightanthem.bandcamp.com/, http://thehorriblecrowes.bandcamp.com/

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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