CHRISTIAN DEATH

Frankfurt, 13.01.2016 – Interview

Christian DeathDa im Januar die Konzerttermine traditionell rar sind, haben wir ein bisschen Material gebunkert. Wir präsentieren Euch nun ein Interview, das wir im Oktober 2015 mit Valor (Foto rechts), dem Frontmann von CHRISTIAN DEATH, im Vorfeld der „Hell Nights Tour“ (Bericht dazu hier) geführt haben. CHRISTIAN DEATH sind die Ur-Väter des echten Goth-Rocks. 1982 gegründet, haben sie gleich mehrere Alben geschaffen, die heute als Meilensteine des Genres gelten und sich dabei stets neu erfunden. Los geht’s:

Acht Jahre sind seit Eurer letzten Veröffentlichung „American Inquisition” ins Land gezogen. Fass doch bitte kurz zusammen, was sich seither ereignet hat.

Nach dem Release von „American Inquisition“ haben wir etwa zwei Jahre getourt und dabei ständig neue Songs geschrieben. 2010 gingen wir ins Studio, um unser nächstes Album einzuspielen. Im Mai 2011 war quasi alles Valor / Christian Deathfertig, doch dann brach das Chaos über uns herein: Unser gesamtes Studio, das komplette Equipment, unsere Instrumente und jede einzelne Kopie der aufgenommenen Songs verbrannten in einem verheerenden Feuer. Wir konnten lediglich unsere Leben retten, alles andere fiel den Flammen zum Opfer. In den letzten Jahren haben wir erneut viel getourt und neue Songs geschrieben, sodass wir nun ein neues Album aufnehmen konnten. Allerdings haben wir keinen der verlorenen Songs erneut eingespielt, da nach dem Trauma die ursprüngliche Magie, die herrschte, als wir die Songs zum ersten Mal aufnahmen, verflogen war. Also haben wir bei Null angefangen und ein komplett neues Album eingespielt, das den Titel „The Root of all Evilution“ trägt.

Der Vorgänger „American Inquisition“ war ein sehr politisches Album, das hauptsächlich die Politik der Bush-Ära thematisierte. Wie verhält sich dies beim neuen Album?

„The Root of all Evilution“ ist unser Versuch, ein Bewusstsein für den Fakt zu schaffen, dass die organisierte Religion die Angst vor dem Bösen als Kontrollmechanismus instrumentalisiert. Wir werfen dabei die Frage auf, was „das Böse“ eigentlich ist und durch was es verursacht wird. Und obwohl Politik eng verbunden mit all den bösen Geschehnissen ist, die sich in der Geschichte zugetragen haben, widmet sich dieses Album diesmal keiner spezifischen politischen Gruppierung.

Christian Death

Seit der Gründung von CHRISTIAN DEATH 1982 hat die Band diverse musikalische Phasen durchlaufen, vom klassischen Goth-Rock über Post-Punk bis hin zum Industrial. Selbst vor Black Metal-Einflüssen (im Lovers of Sin- Sideproject) habt Ihr nicht gescheut. Wie wichtig ist Dir dieser Wandel?

Seit dem „Catastrophe Ballet”-Album liefert die Musik von CHRISTIAN DEATH eine Interpretation der jeweiligen Lyrics, aus diesem Grund ist der Stil der Band stets Veränderungen unterworfen. Hinzu kommt, dass wir die Abwechslung einfach mögen.

Gibt es bestimmte musikalische Einflüsse, die Dich zu Beginn Deiner Karriere dazu bewegt haben, selbst Musik zu machen?

Ich hatte schon immer einen äußerst vielseitigen Musikgeschmack, bei dem es stets die obskuren Acts waren, die mir am besten gefallen haben. An dieser Stelle wäre es nicht fair, bestimmte Künstler zu nennen, da dies eine inakkurate Schnittmenge meiner Einflüsse darstellen würde. Tatsächlich ist es so, dass ich keine spezifischen Lieblingskünstler habe.

Was würdest Du als das wichtigste Album in der CHRISTIAN DEATH-Geschichte betrachten?

Bezogen auf die Wirkung auf den Hörer, den Effekt auf die Gesellschaft, die Albenverkäufe des Labels oder schlichtweg, welches Album uns als Band am glücklichsten gemacht hat, müsste ich, um diese Frage zu beantworten, eine ganze Reihe von Alben nennen. Vermutlich ist dies eine Frage, die die Hörer beantworten sollten.

CHRISTIAN DEATH hat stets eine deutlich anti-christliche Haltung in den Lyrics, den Cover-Artworks und auch der Art der Live-Performance an den Tag gelegt. Würdest Du Dich selbst als Mitglied einer bestimmten Religion bezeichnen?

Um dies klarzustellen: Wir haben nie gegen den Glauben eines Individuums agiert, so bedauernswert er auch sein mochte. Wir richten uns stets gegen Organisationen, die den Glauben des Individuums aus Gründen der Gier, des Krieges und der Lügen ausschlachten. Bereits auf unserem 1987er-Album „The Scriptures“ haben wir offenbart: „Ich glaube alles und nichts.“ Denn nichts ist wie es scheint. Alles ist gleichermaßen größer und kleiner, als man es sich vorstellt. Alles was Du bisher gehört hast und jemals hören wirst, ist gleichermaßen Wahrheit und Lüge.

Christian Death
Zurzeit herrscht in den USA ein Konflikt zwischen der Wissenschaft auf der einen und der Kirche auf der anderen Seite. Dabei beschränken sich beide Seiten auf die limitierte Sichtweise ihres Google-Mikrokosmos. Die Wissenschaft nimmt dabei eine atheistische Haltung ein und vernachlässigt ihre wissenschaftliche Herangehensweise. Der Glaube in das, was Du kennst, ist definitiv zu bemitleiden…

Gibst Du dieser hasserfüllten Welt, in der wir leben, noch eine Chance oder denkst Du, dass die Menschheit ohnehin kurz davor steht, sich selbst mit einem Christian Deathgewaltigen Knall ins Nirwana zu befördern?

Wie sagt man so schön, die Hoffnung stirbt zuletzt. Und jede Sekunde, in der eine weitere unbekannte Gefahr heranreift, kann parallel dazu genutzt werden, Hoffnung zu verbreiten. Diese Sekunden sollte man nutzen, um seinen Partner zu lieben oder seinen Arsch hochzubekommen und einen Wechsel herbeizuführen.

Als Künstler in diesen Zeiten zu überleben ist schwerer denn je, daher nutzen viele Bands Plattformen wie Kickstarter oder Pledge Music, um ihre neuesten Projekte zu verwirklichen. Wie ist Deine Meinung zur aktuellen Situation der Musikindustrie?

Das Internet hat das Musik-Label-Business regelrecht zerstört, viele Labels stehen kurz vor dem Ende. Keine Label mehr zu haben bedeutet für Künstler, dass es auch keine Möglichkeiten, beziehungsweise Gelder gibt, um Songs qualitativ hochwertig aufzunehmen oder auf Tour zu gehen. Die genannten Websites bieten daher zurzeit die einzige Möglichkeit, um Musik abseits des Mainstreams zu schaffen.

Ihr selbst habt auf Pledge Music zurückgegriffen, um Euer neues Album zu finanzieren. Das System funktioniert in der Regel so, dass Fans Geld im Voraus bezahlen und dann signierte Special Editions oder andere Goodies erhalten. CHRISTIAN DEATH haben jedoch sehr ungewöhnliche Gegenleistungen angeboten. Beispielsweise, dass Ihr auf dem Begräbnis des Stifters spielen würdet oder dass Du eine Trauung oder eine Taufe des Stifters durchführen würdest. Bist Du dazu legitimiert?

Ich bin ein ordinierter Pfarrer der Church of Christian Death und kann in dieser Funktion rechtmäßig Deine Trauung und auch die Taufe Deines Kindes durchführen. (Weitere Infos unter http://www.pledgemusic.com/projects/christiandeath, d. Red.) Ich habe festgestellt, dass es eine ganze Reihe von Menschen gibt, die nicht einverstanden mit den konventionellen Religionen sind, die ihnen durch ihre Familie oder ihr Umfeld vermittelt werden, die aber dennoch nicht auf eine Zeremonie verzichten wollen. Ich bin froh diese Dienste anbieten zu können, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen.

Valor, vielen Dank für das Interview.

Links: http://www.christiandeath.com/, https://www.facebook.com/christiandeath/, https://myspace.com/christiandeath, http://christiandeathrozz.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Christian+Death

Interview: Marcus & Thorsten
Fotos (aufgenommen am 28.10.2015 in Das Bett, Frankfurt): Stefan

Den Bericht zum Auftritt von CHRISTIAN DEATH bei den „Hell Nights 2015“ findet Ihr hier.

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