CHROME

Das Bett, Frankfurt, 3.06.2014

ChromeGäbe es eine Liste der „100 Bands to see before you die“, so gehörten CHROME sicherlich dazu. Das Projekt blickt mittlerweile auf eine fast 40-jährige Karriere zurück und war in dieser Zeit vor allem die kreative Spielwiese zweier Musiker: Keyboarder Damon Edge und Gitarrist Helios Creed (rechts). Edge gründete die Band Mitte der Siebziger Jahre und veröffentlichte 1976 das Album „The Visitation“, ein Jahr später stieß Creed dazu und ersetzte den ausgestiegenen Sänger und Gitarristen Mike Low. In den nachfolgenden fünf Jahren entstanden neben Singles und EPs fünf Alben, die bis heute legendär sind und experimentelle Klanglandschaften zwischen Proto-Punk, Psychedelic- Noise und frühem Elektrosound darstellen.

ChromeInsofern fungierten CHROME als Bindeglied zwischen dem psychedelischen Sound von HAWKWIND und frühen Lärmorgien der STOOGES. Beim Hören der schrägen Sounds – zum Beispiel des Albums „Alien Soundtracks“ aus dem Jahr 1977 – wird klar, dass hier Musiker am Werke waren, in deren Universum Künstler wie Timothy Leary, Bruce Haack, Frank Zappa und THROBBING GRISTLE eine bedeutende Rolle spielten. Dennoch ist es den aus San Francisco stammenden Amerikanern stets gelungen, einen völlig eigenen Sound zu kreieren, der besonders in der schöpferischen Hochphase der Band zwischen 1977 und 1982 seiner Zeit weit voraus war und nachfolgend diverse andere Musiker inspirierte. 1983 gingen die beiden kreativen Köpfe der Band getrennte Wege. ChromeEdge zog es nach Europa, wo er mit seiner Frau und europäischen Kollegen die Band weiterführte, Creed wandelte fortan auf Solopfaden und brachte bis heute mehr als 20 Alben heraus. Als Edge 1995 einem Herzinfarkt erlag, übernahm Creed den Namen CHROME und veröffentlichte seither fünf neue Outputs mit stetig wechselnden Lineups. Das aktuelle Werk „Half Machine From the Sun“ stellt dabei eine Besonderheit dar, enthält es doch alte und bisher unveröffentlichte Aufnahmen aus den Jahren 1979 und 80, an denen Damon Edge und Helios Creed beteiligt waren. Im kommenden August soll schließlich ein ganz neues CHROME-Album folgen.

ChromeEs ist etwa 20 Jahre her, seit ich Helios Creed das letzte Mal live sah. In den 90ern tourte der Amerikaner recht regelmäßig durch Europa, unter anderem kann ich mich an Auftritte im Nachtleben und im Cooky’s erinnern. Und die waren wild, laut und brachial. Umso gespannter war ich, was mich bei der aktuellen Tour erwarten würde, für die Creed ein kleines All-Star-Lineup zusammengestellt hat. Steve Fishman am ChromeBass stand beispielsweise schon in Diensten der SEX PISTOLS, der DAMNED und der STRANGLERS und begleitete Ex-Strangler Hugh Cornwell auf dessen letzten Touren.

Keyboarder Tommy Grenas (oben) – der quasi an die Stelle von Damon Edge getreten ist – ist Mitglied der aus dem HAWKWIND-Umfeld stammenden ANUBIAN LIGHTS und hat bereits mit HAWKWIND-Urgestein Nik Turner zusammen musiziert. Komplettiert wurde das Lineup durch Creeds langjährigen Drummer Aleph Omega und einen recht jungen Rhythmus-Gitarristen, der mir bis dato unbekannt war.

ChromeLos ging’s bereits kurz vor 21 Uhr und direkt mit CHROME; auch mal schön, keine Vorband sehen zu müssen. Etwa 70 vornehmlich ältere Zuschauer hatten Tickets für den folgenden Spaceride gebucht. Helios Creed, den ich aus den Neunzigern als einen stets in schwarz gekleideten Hünen in Erinnerung hatte, präsentierte sich in einer Art Indiana Jones-Outfit, hatte kitschigen Indianerschmuck um seinen Hals baumeln und Chromebot daher ein etwas skurriles Bild. Der 57-jährige entlockte fortan nicht nur seiner Gitarre allerlei schräge Töne, sondern war auch damit beschäftigt, diverse Effekt-Geräte am Boden, in Hüfthöhe und an seinem Mikro zu bedienen. Und das machte er gewohnt routiniert.

Als Opener fungierte der Track „New Age“ vom vierten Werk der Band, der den Konzertsaal sogleich in einen Space-Tunnel verwandelte, der direkt in ein anderes Universum führte. CHROME spielten konsequenterweise ausschließlich Songs aus der Ära 1977 bis 82, mit Ausnahme zweier Songs des kommenden Albums „Feel it Like a Scientist“, die sich aber nahtlos ins Set einfügten. Zu hören waren Klassiker wie „March of the ChromeChrome Police“, „Zombie Warfare“ und natürlich auch „3rd from the Sun“, ein Song, der 1988 von PRONG auf deren Album „Beg to Differ“ gecovert wurde.

Was ich sah war eindrucksvoll und atmosphärisch, wenn auch weitaus zahmer als die wilden Solo-Auftritte von Creed in den Neunzigern. Mit Damon Edge wäre das Konzert vermutlich weitaus psychedelischer und verspielter ausgefallen, ohne ihn dominierten die beiden punkigen Gitarren und der oftmals skurril verzerrte Gesang deutlich das Geschehen. Dennoch war es ein Erlebnis, die alten Klassiker noch einmal live hören zu können.

Links: http://www.staticwhitesound.com/chrome/, https://myspace.com/gehennalion, https://www.facebook.com/chromechronicles

Text & Fotos: Marcus
Clip: am Konzertabend aufgenommen von VodkaViolator

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