CONOR OBERST & BIG THIEF

Batschkapp, Frankfurt, 15.08.2017

Conor OberstConor Oberst live in 2017, die zweite. Nach seiner erfolgreichen (fast)-Solotour, die am Rhein/Main-Gebiet leider vorbei ging (von uns aber in Köln besucht wurde, Bericht hier), gab es im Sommer noch einen kleinen Nachschlag in Form von ein paar Festival-Auftritten (in Deutschland beim Haldern Pop). Zum Glück wurde Frankfurt nebenbei auch mit einem Gastspiel bedacht. Allerdings unterschied sich der Abend in mehrerlei Hinsicht von dem im Köln – vor allem dadurch, dass Oberst in FFM mit Band auftrat, passend zum Album „Salutations“, welches zum Teil die gleichen Songs enthält wie der Vorgänger „Ruminations“. Nur eben nicht mehr solo und intim, sondern mit Begleitmusikern. Diese waren die FELICE BROTHERS.

Conor Oberst & Felice BrothersUnd die sind ja jetzt auch nicht gerade irgendwelche Mietmusikerhansels. Die FELICE BROTHERS sind eine US-amerikanische Folkrock-Institution, die ursprünglich aus drei Brüdern sowie zwei weiteren Mitstreitern bestand. Oberst nahm sie 2007 als Vorband seiner BRIGHT EYES mit auf Tour und veröffentlichte auf seinem Label Saddle Greek ein Album von ihnen. Auch in der (alten) Batschkapp waren sie bereits 2009 als Headliner zu Gast. Von dieser Formation, die auf sehr eigene Art zwischen Folk, Country, Rock und Blues unterwegs ist, unterstützen drei Musiker Oberst bei seiner aktuellen Live-Band: James Felice Conor Oberst & Felice Brothersan Keyboard, Gesang und Akkordeon, Greg Farley an der Geige sowie Josh Rawson am Bass (den Oberst dem Publikum im Verlauf der Show als speziellen guten Freund mit On/Off-Beziehung zu ihm vorstellte). Komplettiert wurde die Combo von Schlagzeuger Will Lawrence sowie dem Gitarristen Taylor Hollingsworth (Maria Taylor, Conor Oberst & THE MYSTIC VALLEY BAND).

Vorher durfte man aber ein weiteres Saddle Greek-Signing als Opener erleben: Die aus Brooklyn stammenden und bisher von der Kritik euphorisch gefeierten BIG THIEF – eigentlich ein Quartett, in Frankfurt aber als Trio zu Big Thiefsehen. Und die sorgten für einen äußerst … interessanten Konzertauftakt. Mir persönlich war die Formation um Sängerin und Gitarristin Adrianne Lenker bisher unbekannt.

Ihr bescheiden „Masterpiece“ benanntes Debüt von 2016 riss diverse Rezensenten von Rolling Stone bis Newsweek vom Hocker, ihr aktueller Zweitling „Capacity“ toppte das für Einige noch. Von der Tagespresse fand Big Thiefnur der Kritiker der Frankfurter Rundschau die Band einer Erwähnung wert, bei der F.A.Z., der Frankfurter Neue Presse oder dem Mannheimer Morgen begann der Abend erst mit Conor Oberst.

Die Gäste in der Batschkapp wirkten neugierig bis fasziniert, einige Tänzer gingen steil – kalt ließ das Trio aber die wenigsten. Der an Neil Young geschulte Sound zwischen introvertiertem Folk und expressiven Big ThiefGitarrenattacken war viel zu eigen, ebenso wie die Stimme Lenkers, die zwischen allerliebst und nervtötend changierte (zumindest gestern). Die Gitarrenarbeit teilt sich Lenker in der Regel mit Buck Meek, mit dem sie vor BIG THIEF bereits Duo-Platten aufnahm und der beim Konzert (vielleicht sogar auf der ganzen Tour) fehlte. Auf den offiziellen Seiten der Band ist er jedoch vermerkt, er scheint also weiter dazu zu gehören. Bassist Max Oleartchik und Drummer James Krivchenia stärkten Lenker den Rücken und bildeten das Fundament für den musikalischen Freiraum, den die Sängerin sich nahm – beide (besonders der Schlagzeuger) wirkten dabei wie nicht von dieser Welt.

„Was für Drogen nehmen die denn?“ raunten Einzelne. Als Oleartchik und Lenker zwischen zwei Songs aufeinander zuwippten, in den gleichen tonlosen Takt kamen und dann innehielten wurde gemutmaßt, dass da wohl „gerade ein Big ThiefName getanzt wird“. Doch der Spott ob dieser Wunderlichkeiten hielt sich in Grenzen, zu überzeugend war die 45-minütige Performance, an deren Ende alle begeistert applaudierten und Adrianne Lenker glücklich ins Auditorium winkte. Jeweils drei Songs von jedem BIG THIEF-Album wurden gespielt, plus noch weitere. Die vokalen Big ThiefEntgleisungen mögen Lenkers Doppelbelastung geschuldet sein, auf CD klingt ihr Organ weit stimmiger. Und faszinierend, wenn man anfängt, sich auf die morbiden Texte der Autorin einzulassen, die schon so einige Widrigkeiten erlebt zu haben scheint. Ein echter Tipp, diese BIG THIEF, mit denen weiter zu beschäftigen sich auf jeden Fall lohnt.

Die Batschkapp wurde zur gestrigen Show halbiert, die Empore geschlossen. Sie war also ungleich der Behauptung im Mannheimer Morgen und dem Konzert in Köln bei weitem nicht ausverkauft, aber in diesem halbierten Bereich sehr gut gefüllt. Alle Altersstufen waren anwesend, Frauen wie Männer, und es herrschte Conor Obersteine angenehme Atmosphäre ohne Drücken und Quetschen. Als nach einer halbstündigen Umbaupause der Headliner mit seinen fünf Mitstreitern erschien und mit „Afterthought“ vom aktuellen Album loslegte, konnte man sich des ewigen (und vor allem Oberst zum Hals heraushängenden) Bob Dylan-Vergleichs nicht erwehren – nicht, wenn seine Mitstreiter so an dessen fulminante Begleitgruppe THE BAND erinnern.

Conor Oberst

Vor allem die Hünen an den Bühnenrändern, James Felice und Greg Farley, addierten Klangfarben und Energien, die man so intensiv selten erleben darf. Dass mit dem zweiten Track „Four Winds“ der erste von fünf BRIGHT EYES-Conor Oberst & Felice BrothersSongs kam ließ das kaum vorhandene Eis komplett brechen, die Party war eröffnet und alle hatten Spaß, auch die Akteure auf der Bühne. “Spielfreudig“ nennt man sowas wohl, wobei der ständig seine Mitmusikanten animierende Farley diese Vokabel viel zu klein erscheinen ließ. Conor Oberst ging auch zu seinen Kollegen, solange er die Gitarre umhängen hatte und nicht am Piano saß – meistens war er jedoch in „Klampfenklausur“ mit Taylor Hollingsworth.

Hier wurde der Countryrock zur Musik einer Jamband; Assoziationen zum Zusammenspiel von Neil Young mit Nils Lofgren traten auf. Solo-Momente am Piano waren rarer, die gab es ja im Winter schon zur Genüge, fehlten aber auch Conor Oberst & Felice Brothersnicht komplett. Eine Stunde lang ging das so, betroffene Ansprachen zur US-Politik sparte sich Oberst diesmal, obwohl es dafür genug Grund gab. Nach einer kurzen Pause wurden nochmal 45 Minuten nachgereicht. Am Ende gab es nur glückliche Gesichter, Oberst und seine Band hatten die Batschkapp nach allen Regeln der Americana-Kunst gerockt. Konkurrenzlos, oder? Wir warten nun auf Gastspiele von WILCO und Ryan Adams.

Links: http://www.bigthief.net/, https://www.facebook.com/bigthiefmusic, https://soundcloud.com/big-thief, https://bigthief.bandcamp.com/, https://www.last.fm/music/Big+Thief, http://www.conoroberst.com/, https://www.facebook.com/conoroberst, https://myspace.com/conoroberst, https://soundcloud.com/conor-oberst-official, http://www.last.fm/de/music/Conor+Oberst

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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