Nachtleben, Frankfurt, 31.07.2012
Als ich vor ein paar Monaten hörte, dass THE CREEPSHOW wieder in Frankfurt Station machen, dachte ich anfangs, dass es bestimmt (wie bei den früheren Gigs) ein prima Abend werden würde – aber müsste man sie wirklich schon wieder sehen, zumal sie ja auch keine neue Platte im Gepäck haben? Nein, eigentlich nicht. Der Konzertkalender ist im Sommer anno 2012 ohnehin prall gefüllt. Doch am 16. Juli, nur zwei Wochen vor dem Start der Europa-Tour, platzte überraschend die Bombe: Publikumsliebling und Aushängeschild Sarah Sin habe die Band verlassen, hieß es. Neu am Mikro bei den kanadischen Psychobillys sei nun Kendalyn Legaspi, genannt Kenda, ihres Zeichens Sängerin, Tattookünstlerin und Model. Und so trieb es mich doch an die Konstablerwache, um zu erleben, ob die neue, brünette Frontfrau die (nur physisch nicht besonders großen) Fußstapfen des blonden Giftes würde ausfüllen können.
Ebenso raus ist Matt “Pomade” Gee, der den Platz am Schlagzeug an Sandro Sanchioni abgetreten hat. Vom ursprünglichen Lineup sind damit nur noch Sean “Sick Boy” McNab (Kontrabass) und Reverend McGinty (Keyboard) übrig. Die Band selbst war sich im Vorfeld scheinbar nicht ganz so sicher, dass die Besetzungswechsel bei den Fans auf Gegenliebe stoßen würden, schrieb sie doch im Internet den Satz „If you have any negative comments, we would appreciate you keeping them to yourself.“ (Falls Du irgendwelche negativen Kommentare abgeben willst, würden wir es begrüßen, wenn Du sie für Dich behältst.)
Dass Befürchtungen dieser Art jedoch jeder Grundlage entbehrten, wurde schon während der ersten Minuten des Auftritts klar: Die neue Sängerin und ihre Kollegen wurden im gut besuchten Nachtleben stürmisch begrüßt. Ebenso erfreulicher- wie unangekündigterweise dabei: Daniel Flamm, Wahl- Kölner und ausgewiesener Könner an den sechs Saiten, bekannt u. a. aufgrund seines Mitwirkens bei SKI’S COUNTRY TRASH (Bericht) und als kongenialer Partner Sarah Blackwood’s
bei deren gleichnamigen Sideproject. Flamm wird die gesamte Tour an der Gitarre zu hören sein und macht die CREEPSHOW somit zumindest für einige Wochen vom Quartett zum Quintett.Die Band hielt sich nicht mit langen Vorreden auf, mit „Demon Lover“ ging’s von Anfang an zur Sache, gefolgt von „Get What’s Coming“ und „Sell Your Soul“. Von jenem Album fanden sich nicht weniger als sieben Stücke in der Setlist, was insofern ganz gut passte, da Kenda’s Stimme etwas rauer klingt als die ihrer Vorgängerin, ähnlicher der von Hellcat, die ja das erste Album „Sell Your Soul“ 2006 eingesungen hatte. Das weitere Programm (Auflistung unten) entbehrte nicht vieler CREEPSHOW-Hits, gemosht wurde, wann immer die Band Gas gab, und das war fast durchgängig der Fall.
Die neue Frontfrau zeigte sich dabei publikumsnäher als ihre Vorgängerin, kam einige Male zu den Gästen herunter, um mitten im Pulk zu singen oder mitzutanzen – und das mit High Heels. Sandro hatte bei schweißtreibenden Temperaturen neben seinen Pflichtaufgaben außerdem ein nettes Solo als Kür anzubieten, das seine Qualitäten eindrucksvoll nachwies. Sick Boy, der Mann mit der Schiebermütze und dem markanten Schnurrbart, bearbeitete seinen Kontrabass mit gewohnter Intensität und der Reverend schaukelte sein Keyboard vor und zurück, dass es fast in den Zuschauerraum gekippt wäre.
Die Atmosphäre im überhitzten Club war ausgezeichnet und sowohl Kenda als auch Sandro, die eigenem Bekunden zufolge das erste Mal überhaupt nach Deutschland kamen, wird ob des gelungenen Auftakts der Europatour wohl ein mittelschwerer Wackerstein vom Herzen gefallen sein. Es war erst der dritte Auftritt der Sängerin mit den Creepies überhaupt – in der vergangenen Woche hatte sie lediglich zweimal in Kanada mit ihnen die Bühne geteilt – und sie machte einen hervorragenden Job. Gegen Ende des Konzerts wurde sie vom Publikum sogar auf den Händen getragen – einen schöneren Sympathiebeweis kann es kaum geben. Einen dementsprechend aufgeräumten Eindruck machte die Combo später am umlagerten Merchstand – für jeden Fan ein nettes Wort und ein Lächeln für die Erinnerungsfotos.
Eine spontane Meinungsumfrage bei der „Zigarette danach“ ergab, dass die Besucher samt und sämtlich mit der Show und den neuen Protagonisten mehr als zufrieden waren – einziger Kritikpunkt war die Quantität, da hatten sich viele für knapp 20 Euro Eintritt (AK) doch etwas mehr als nur eine gute Stunde Musik erhofft, zumal es keinen Supportact gab. Einige fanden die Stimme Kenda’s etwas zu leise (dem schließe ich mich an), wir hätten sie gern etwas deutlicher vernommen. Mr. Sound: Beim nächsten Mal bitte das Knöpfchen im Sinne des Uhrzeigers weiter drehen.
Von Sarah Sin sprachen nach der Show nicht mehr viele. Sie wird sich, wie via des Zuckerberg’schen Internetimperiums kommuniziert wurde, künftig verstärkt um ihre andere, zurzeit sehr erfolgreiche Band WALK OFF THE EARTH kümmern. Mit dieser hat sie im Mai beim Major Label Columbia Records unterschrieben und tourt dieser Tage durch die Vereinigten Staaten. Außerdem möchte sie das unter ihrem bürgerlichen Namen Sarah Blackwood laufende Soloprojekt fortführen. Drei Standbeine waren dann wohl doch eins zu viel, so dass eine Trennung die unausweichliche Konsequenz war. Ob diese wirklich so einvernehmlich verlief, wie im offiziellen Statement verlautete, oder ob Columbia da vielleicht ein Wörtchen mitgeredet hat, ist rein spekulativ. Uns hat die ’sündige‘ Sarah in den vergangenen Jahren mit CREEPSHOW viel Freude gemacht. Wir hoffen für sie, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben.
Die Band-Website (auf der zwar neuerdings ein Gruppenfoto mit Kenda und Sandro zu sehen ist, der Weggang von Sarah und Matt aber bis heute mit keinem Wort erwähnt wird) ist unter dem Link http://www.thecreepshow.ca/ zu erreichen, auf http://www.myspace.com/thecreepshow und http://www.reverbnation.com/thecreepshow könnt ihr einigen, mehrheitlich älteren Stücken lauschen. Es wird Zeit für ein neues Album, an frischen Songs wird angeblich gearbeitet.
Setlist: Demon Lover – Get What’s Coming – Sell Your Soul – Zombies Ate Her Brain – Creatures Of The Night – Run For Your Life – Keep Dreaming – Hellbound – The Garden – Grave Diggers – You’ll Come Crawlin‘ – Buried Alive – Shake – Dusk Til Dawn – Psycho Ball And Chain // Sleep Tight – Rue Morgue Radio
Text: Stefan / Fotos: Kai
Clip: aufgenommen am Konzertabend von Wochenandy
Mehr Bilder:
Einen weiteren Bericht zu THE CREEPSHOW gibt es hier.