DAF & NO MORE

KUZ Mainz, 17.03.2010

Mir war es nicht vergönnt, die Deutsch-Amerikanische Freundschaft, kurz: DAF, zu ihren mutmaßlich besten und wildesten Zeiten Anfang der 80er live zu sehen. Ihre Platten „Gold und Liebe“ und „Alles ist gut“ gehörten allerdings in jenen Jahren zum Pflichtprogramm eines jeden DJ’s auf unseren Teenagerpartys. Diejenigen, die DAF nicht kannten, mochten oder keine ihrer Scheiben zuhause hatten, waren eigentlich nur eines: out. Das war die Gruppe kurz nach deren (erster) Auflösung und der Veröffentlichung ihres fünften Albums namens „Für immer“ anno 1982 auch.

Wer wie ich keinen Disco- oder House-Sound hörte, für den hatten die beiden Protagonisten Gabriel „Gabi“ Delgado-Lopez (Gesang) und Robert Görl (Schlagzeug), die fortan mal solo, mal zusammen oder mit anderen Künstlern arbeiteten, 20 Jahre lang eine Tarnkappe auf. Erst 2003 wurde ich wieder auf die beiden aufmerksam, als sie „Fünfzehn neue DAF-Lieder“ aufnahmen. Auf ihrer Welttournee spielten sie dann auch in Amsterdam, wo ich sie im Urlaub um wenige Tage verpasste. Ich befürchtete, die womöglich letzte Chance, das Duo doch noch auf der Bühne zu erleben, vertan zu haben.

Doch weit gefehlt: Wiederum sieben Jahre später kamen DAF im Rahmen der Tour zu ihrer (nunmehr vierten) Reunion gestern abend ins Kulturzentrum nach Mainz. Auf dem Weg dorthin gingen mir Gedanken durch den Kopf wie: Haben’s die Jungs noch drauf? Oder bin ich Zeuge der Selbstdemontage von Heroen meiner Jugend? Werden die alten Songs heute noch vor Publikum bestehen? Und: Werden die überhaupt gespielt?

Das KUZ war schon zu Beginn gut gefüllt, möglicherweise später sogar ausverkauft. Das hätte ich so nicht unbedingt erwartet. Doch DAF treten nun mal selten auf, und es schien einige Fans mit Nachholbedarf in Sachen Liveerlebnis zu geben.

Das Vorprogramm bestritt die Kieler Band NO MORE, die sowohl vom Stil als auch von ihrer Geschichte perfekt als Support für DAF passte. Auch diese Gruppe hat sich dem Minimal Elektro- Sound verschrieben, auch sie wurde Ende der Siebziger Jahre gegründet, hatte 1981 (mit dem Tanzflächenfüller „Suicide Commando“) ihren größten Hit und trennte sich 1986. Ebenfalls 20 Jahre später, seit 2006, besteht NO MORE wieder und ist nun zum Duo geschrumpft.

Die Gründungsmitglieder Andy Schwarz (Gesang, Gitarren) und Tina Sanudakura (Keyboards, Effekte) brachten Songs aus ihrem guten neuen Album „Midnight People & Lo-Life Stars“ zu Gehör. Natürlich durfte auch „Suicide Commando“ nicht fehlen, ein Song, zu dem sich wohl jeder früher die Füße wund getanzt hat. Mir gefiel die Darbietung ausgezeichnet, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass nicht alle im Publikum mit der Musik der Norddeutschen viel anfangen konnten.

Dann DAF. Nach wenigen Minuten war klar: Dies würde kein Abend für technoide Klangexperimente, sondern der erhoffte Time Warp in die Vergangenheit werden. Das Set begann mit „Verschwende Deine Jugend“ und das Publikum forderte im Sprechchor: „Lauter, lauter!“ Worauf Gabi sich mit einem breiten Grinsen in Richtung Mischpult wandte und ins Mikrofon rief: „Hey, mach doch mal lauter!“. Das passierte postwendend und danach gab es kein Halten mehr: Die Band lieferte Hits am Fließband, von „Ich will“ und „Muskel“ über „Als wär’s das letzte Mal“ und „Der Räuber und der Prinz“ bis hin zu „Kebabträume“. Zwischendurch der Überhit „Der Mussolini“. Spätestens jetzt herrschte Ausnahmezustand im KUZ: Hunderte im Stroboskoplicht zuckender, teils Pogo tanzender Leiber, brüllten sich beim Mitschreien des Textes heiser. Zur Freude der Fans wurde das Stück als Zugabe wiederholt (dazu gibt es weiter unten einen Clip, etwas wackelig, aber vorn war wirklich der Bär los).

Delgado bewegte sich, meist wild gestikulierend, während des ganzen Konzerts am Bühnenrand wie ein Tiger im Käfig, von links nach rechts und wieder zurück, unzählige Male. Ab und zu legte er einen kurzen Zwischenstopp am Schlagzeug seines Kollegen ein, um sich den Inhalt mehrerer Wasserflaschen über den Kopf zu gießen und die Reste über

die schwitzende Menge in den ersten Reihen zu verteilen. Hätte er Kilometergeld bekommen, er wäre als reicher Mann nach Hause gefahren. So blieb ihm meine Hochachtung als gnadenlos guter Entertainer. Görl dagegen scheute das Rampenlicht, war im Halbdunkel des hinteren Teils der Bühne hinter seinem Schlagwerk nur von einem schmalen Lichtkegel erhellt. Doch sein präzises Spiel und die monotonen Stakkato-Beats vom Band pushten seinen Mitstreiter und die Meute unablässig nach vorn.

Nach knapp 80 Minuten hinterließen DAF eine begeisterte Zuhörerschar, zu der auch ich zählte. Klar sind die Jungs nicht jünger geworden, doch sie stecken noch immer voll purer Energie und der Auftritt war bestimmt nicht allzu weit entfernt von dem, was sich zum Höhepunkt ihrer Popularität auf den Shows abgespielt haben muss. Damit war dann auch die Eingangsfrage beantwortet:
Sie haben’s noch drauf, definitiv.

Ich werde künftig gespannt beobachten, ob es nun bald wieder zum fast schon obligatorischen Split zwischen Delgado und Görl kommt oder ob die fragile künstlerische Liaison länger hält und man vielleicht sogar mit neuen Tracks und Touren rechnen kann.

Weitere Informationen zu DAF und NO MORE sind im Netz unter den Links http://www.myspace.com/dafgermany, http://www.myspace.com/officialdaf, http://www.robert-goerl.de/, http://www.nomoremusic.de/, http://www.myspace.com/nomoreremakeremodel zu finden.

Text: Stefan / Fotos: Kai
Clip: aufgenommen am Konzertabend von evilutuion

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