Das Bett, 1.03.2012
„Wie lange macht’s der Kerl eigentlich noch?“, war eine der Fragen, die ich an diesem Abend am häufigsten hörte. Die Rede war natürlich von Sänger Spark Retard, kurz Sparky genannt, der mit seiner Combo DEMENTED ARE GO nun schon seit 30 Jahren durch die Welt tourt. In unregelmäßigen Abständen erscheint mal ein Album der Jungs, dann hört man von Alkohol- und Drogen-Exzessen und davon, dass Sparky alle Bandmitglieder gefeuert hat. Und so verwundert es nicht, dass als einzig konstantes Mitglied neben Sparky dessen Cousin Ant Thomas gilt, der sich aber auch hin und wieder mal eine Auszeit gönnt und dann, wie bei der aktuellen Tour, durch Criss Damage ersetzt wird. Komplettiert wurde das Lineup diesmal durch Grischa und Holger von den im Ruhrpott ansässigen PITMEN, die beide auch an den Aufnahmen des neuen Werks „Welcome Back To Insanity Hall“ (welch treffender Titel) beteiligt waren. Die Scheibe soll offiziell am 26. März erscheinen.
Die eingangs erwähnte Frage konnte nicht mit Bestimmtheit beantwortet werden, ich habe Sparky in den letzten 25 Jahren nun mehr als ein Dutzend mal live gesehen und erkenne keinerlei Abnutzungserscheinungen, der Mann sieht genau so aus wie damals, wobei sich natürlich mit der Schminke (vielleicht ist es ja auch gar keine und er sieht wirklich so aus) viel verbergen lässt. Oder es handelt sich bei der Spritze, die Sparky nahezu bei jedem Gig in seiner Schläfe stecken hat, um eine Botox-Injektion, die ihm konstant die Falten aus der Fresse bügelt. Doch wie dem auch sei, der Mann dürfte so um die 50 sein, wirkt aber top fit. Und das stellte er auch diesmal wieder beim Konzert im Frankfurter Bett unter Beweis.
Ich tauchte gegen 22:30 Uhr im Gallus-Viertel auf, überraschenderweise fand ich eine große Menschenmenge am Eingang des Clubs vor. Was war los? Freibier-Abend? Gratis-Peepshow oder Obdachlosen-Speisung? Nichts von alledem, obgleich die Besucher rein optisch auch zu jeder der genannten Begebenheiten gepasst hätten. Doch nein, die Massen waren tatsächlich gekommen, um DEMENTED ARE GO zu sehen. Seltsam, denn die letzten DAG-Konzerte hatte ich allesamt in halbleeren Clubs erlebt, aber umso schöner für die Band. Und wenn man alle zwei Meter von einem Bekannten begrüßt wird, dann hat das schon etwas vom jährlichen PETER AND THE TEST TUBE BABIES-Gig in der Batschkapp, eine Art Altherren-Treffen der Punk-Szene. Wie immer bei DAG-Konzerten präsentierte sich das Publikum bunt gemischt: Psychobillys, Rock’n’Roller, Punks, Metal-Heads und sogar ein paar Goth- Rocker hatten sich eingefunden, um dem Spektakel beizuwohnen. Kurz nachdem ich die Halle betreten hatte, ging’s auch schon los, das Quartett eröffnete mit den Klassikern „Holy Hack Jack“ (1986) und „Call of the Wired“ (1988) das Feuer. Anschließend folgte eine gelungene Mischung aus weiteren alten Hits wie „Pervy in the Park“ und „One Sharp Knife“ und aktuellen Songs wie „Bodies in the Basement“, „Heads on Poles“ oder der gerade veröffentlichten Single „Lucky Charm“ (siehe unseren Clip weiter unten). Dominiert wurde der Gig von Sparkys rauer Reibeisenstimme, die so klingt, als ob der Mann zum Zähneputzen mit in Whisky eingelegten, rostigen Nägeln gurgelt.
Als etwas nachteilig habe ich einmal mehr die hohe Bühne im Bett empfunden, die stets eine Distanz zum Publikum erzeugt und verhindert, dass der Funke unmittelbar aufs Publikum überspringt. Zuschauer in den ersten Reihen waren hier im Vorteil, weiter hinten stehend musste man sich erst eine Weile akklimatisieren und alkoholisieren, bevor man vom Geist der Dementen ergriffen wurde. Dann aber war’s ein prächtiger Party-Abend mit rostigem Reibeisen-Rock’n’Roll, viel Alkohol und sympathischen Menschen auf, vor und unter der Bühne. Als Zugaben gab’s mit „Funnel of Love“, „Cripple in the Woods“ und „Busted Hymen“ noch einige der ganz großen Songs, bevor DAG von der Bühne verschwanden.
DEMENTED ARE GO sind anno 2012 noch immer eine Klasse für sich und dank einiger neuer Songs macht es auch nach dem gefühlten 25. Mal noch Spaß, sie anzuschauen. Ich habe die Band schon besser, aber auch schon schlechter gesehen; große Überraschungen bot der Gig letztlich nicht, dafür aber eine routiniert rockende Psychobilly-Show. Bis zum nächsten Mal, Jungs!
Text: Marcus / Clip & Fotos (9): Kai / Fotos (5): Stefan
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