Das Bett, Frankfurt, 19.09.2013
Bisher hatte ich gedacht, dass Begriffe wie „Punk“ und „China“ ebenso wenig zusammenpassen wie „Papst“ und „Black Metal“ oder „Lemmy“ und „Alkoholfreies Bier“. Doch es gibt ihn, den Punk aus dem Reich der Mitte, und davon zeugt nicht nur die Doku „Beijing Punk“, sondern auch das Trio DEMERIT, das am gestrigen Abend im Frankfurter Club Das Bett gastierte. Li Yang (Bass und Gesang), Zhang Ning (Gitarre, links) und Du Shuai (Drums) gehören in ihrer Heimat zu den bekanntesten Punk-Acts und haben mit „Bastards of the Nation“ (2008) sogar ein Album geschaffen, das in China als Klassiker gehandelt wird. Grund genug, den Jungs bei ihrem Auftritt einen Besuch abzustatten und sich von der Klasse ihres Streetpunks zu überzeugen.
Wie bereits bei den US-Streetpunks CASUALTIES, die im Juli an gleicher Stelle spielten (Bericht hier), versammelten sich leider nur sehr wenige Zuschauer im Bett, genau gesagt 13, wobei kurz nach Beginn der Show noch eine dreiköpfige chinesische Delegation auftauchte, die die Zahl der Anwesenden auf immerhin 16 erhöhte. Ob es sich bei den Dreien um Mitarbeiter der chinesischen Staatssicherheit handelte, vermag ich nicht zu sagen. Es fiel jedoch auf, dass sich die Gruppe recht sonderbar verhielt, indem sie mit ineinander verhakten Armen einen Tanz vollführte, der mich an bayerische
Trachtengruppen beim Oktoberfest erinnerte. Vermutlich hatten sie beim staatlichen Lehrgang „Wie verhalte ich mich auf einem Punk-Konzert, um nicht aufzufallen“ nicht richtig aufgepasst.Doch zu DEMERIT. Die aus Peking stammende Formation entsprach zumindest optisch schon mal den Standards des Streetpunks. Lange, gefärbte Haare und Tätowierungen sind Attribute, mit denen man in China kein leichtes Leben haben dürfte. Insofern haben die Jungs schon mal meinen Respekt. Musikalisch hinterließ die Band allerdings einen eher zwiespältigen Eindruck. Geboten wurde eine seltsame Mischung aus Punkrock, Metal und Oi, bei der kein Song ohne ein zumeist recht langes Gitarren-Solo auskam. Punk und Gitarren- Soli? Das schließt sich eigentlich aus, zumindest dann, wenn die Soli in JUDAS PRIEST- oder IRON MAIDEN-Manier dargeboten werden.
Und da wären wir auch schon bei dem Problem, das ich mit der Band hatte. Irgendwie wurde ich den Eindruck nicht los, dass die Jungs eigentlich lieber klassischen Metal machen würden, auf der anderen Seite aber das Bedürfnis verspüren, gegen die Missstände in ihrem Land zu rebellieren. Und so wurde dann im Verlauf des Abends auch konsequenterweise nicht „Fuck The System“ von THE EXPLOITED, sondern eben „Breaking The Law“ (Clip unten) von JUDAS PRIEST gecovert.
Von den Messages, die DEMERIT auf ihrer Scheibe „Bastards of the Nation“ eindrucksvoll zum Besten geben („Fight Your Apathy“, „Bejing Is Not My Home“, „Voice Of The People“), kam live leider nicht viel rüber, was schade war,
zumal die Jungs wesentlich besser Englisch sprachen als ihre asiatischen Kolleginnen von SHONEN KNIFE, die kürzlich im gleichen Club gastierten. Hier hätte ein Statement zu jedem Song durchaus Sinn gehabt, denn die Lyrics waren durch den keifenden Gesang des Frontmanns kaum verständlich.War der Gig deshalb schlecht? Nein, war er nicht, er war zumindest unterhaltsam. Auf der Bühne stand eine routiniert wirkende Band, die trotz der wenigen Besucher sichtlich Spaß hatte, ihre Songs zu präsentieren. Und die Mischung von klassischem Metal und Punk bekommt man auch nicht alle Tage geboten. Mit ein paar Zuschauern mehr und einigen Infos über die Musiker und ihre Tracks hätte der Abend durchaus in Erinnerung bleiben können.
Rein musikalisch reichen die Jungs leider nicht an US-Bands wie CASUALTIES oder UK- Combos wie die VARUKERS heran. Dazu ist der Sound der Chinesen zu seicht, ja teilweise poppig und oftmals mit den bekannten „Oooohohooo“- Refrains versehen, die mir schon bei den japanischen BALZAC ziemlich auf den Sack gehen. Allzu viele Songs scheint das Trio übrigens nicht im Repertoire zu haben, denn bereits nach etwa 30 bis 40 Minuten war Schicht im Schacht. Dennoch einen Dank an dieser Stelle in Richtung Das Bett, das es uns einmal mehr ermöglicht hat, ein solch exotisches Musik-Ereignis in Frankfurt erleben zu können.
Links: http://www.demeritpunks.com/, https://myspace.com/demeritamry, http://www.reverbnation.com/demerit, http://www.lastfm.de/music/Demerit
Text & Fotos: Marcus
Clips: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator
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