DERITA SISTERS & ROCKWOHL DEGOWSKI

Dreikönigskeller, 31.03.2013

Die DERITA SISTERS haben ein Problem, es kennt sie nämlich keine Sau. Sowohl die Frankfurter Punk-Veteranen als auch unsere zugewanderten Exil- Amerikaner von SCHEISSE MINNELLI, die sonst zu jeder kalifornischen Band meist mehrere schlüpfrige Anekdoten auf Lager haben, zucken beim Namen DERITA SISTERS lediglich verklärt mit den Achseln. Und das ist eine Schande, denn die 1992 in Los Angeles formierte Gruppe spielt hochklassigen „1,2,3,4“- Punkrock im RAMONES-Stil und muss sich weder song- noch soundtechnisch hinter vergleichbaren Combos wie den QUEERS, den NOBODYS, SLOPPY SECONDS oder den DWARVES verstecken. Und jeder, der einem oder mehreren der genannten Acts etwas abgewinnen kann, darf sich jetzt schon mal kräftig in den Allerwertesten beißen, dass er den Gig am gestrigen Abend im Dreikönigskeller verpasst hat.

Diesen Zeilen mag man bereits entnehmen, dass es recht leer war im DKK, gerade mal 20, vielleicht 25 Leutchen fanden sich ein, wobei es anzumerken gilt, dass parallel gleich zwei Konkurrenz- Veranstaltungen abliefen, die ebenfalls Punk-Fans angezogen haben dürften. Im Elfer spielten ABFUKK und KOTZREIZ und nicht weit entfernt im Ponyhof gastierte einmal mehr KID CONGO POWERS (Ex-GUN CLUB, Ex-THE CRAMPS, etc.). Da die anderen Bands recht tourfreudig sind, man die DERITA SISTERS aber vergleichsweise selten zu Gesicht bekommt, entschieden wir uns für den Gig im kleinen Kultkeller.

Mit an Bord bei der gesamten „Stupid Easter Tour 2013″ (Flyer rechts, lässt sich durch Klick vergrößern) ist die aus Gladbeck stammende Formation ROCKWOHL DEGOWSKI, deren Name sich aus einem großen Industriebetrieb der Stadt (im Bandnamen in abgewandelter Form geschrieben) und dem Nachnamen eines Beteiligten des berühmt-berüchtigten Geiseldramas von 1988 zusammensetzt. Das musikalische Schaffen der ‚Ruhrpott-Köter‘ (einer der Songs des Debüt-Albums) kann man wohl am ehesten als Deutsch-Rock definieren, der gelegentlich auch mal in Punk-Gefilde abdriftet, aber immer näher an Bands wie den STRASSENJUNGS, WIZO oder den ABSTÜRZENDEN BRIEFTAUBEN angelehnt ist, als an härtere Deutsch-Punk-Kaliber wie RAWSIDE oder SS-KALIERT.

Optisch in schnieke Zirkusdirektor-Uniformen gewandet, wurden textlich ehrliche Punk-Rock-Lyrics geboten, die mal mehr, mal weniger witzig waren. Direkt in meine Gehörgänge bohrte sich der Song „Depressionen“, dessen Refrain „Für Depressionen hab ich keine Zeit, will lieber feiern, bis die Sonne scheint…“ mich noch immer verfolgt. Ebenfalls sympathisch waren Tracks wie „Rock und Stiefel“ (eine Ode an Frauen, die sich auch wie Frauen kleiden) und „DK und ich“, eine Liebeserklärung an die DEAD KENNEDYS. Auch wenn mir die Songs des Trios auf Tonträger etwas zu bieder klingen, so war es live ein echtes Erlebnis, die Jungs rocken zu sehen.

Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Truppe aus drei echten Ruhrpott-Rampensäuen besteht, die alle bereits Erfahrung in anderen Bands (zum Beispiel bei USE TO ABUSE) gesammelt haben, und daher sehr routiniert rüberkam – wobei Frontmann René, der nicht nur einen Doktortitel der Philosophie vorzuweisen hat, sondern auch erfolgreicher Buch-Autor ist, noch mal eine Klasse für sich war. René widmete jedem einzelnen Besucher einen Song, lief bis ans Ende der Theke, spielte dort weiter Gitarre und leitete jedes Stück mit einem witzigen Kommentar ein.

Verständlich, dass die Anwesenden nach dem offiziellen Set noch mehr von ROCKWOHL DEGOWSKI hören wollten, wobei Barmann Nico jedoch umgehend intervenierte, da man sonst den „Zeitplan“ nicht einhalten könne. Sollte er vergessen haben, dass am nächsten Tag Ostermontag, und somit ein Feiertag anstand? Wie dem auch sei, die Gladbecker spielten noch einen Song und verließen im Anschluss, von anhaltendem Applaus begleitet, die Bühne. Eine Band, die man im Auge behalten sollte…

Als nächstes betraten die in L.A. beheimateten DERITA SISTERS das Podest. Sie haben nach eigener Aussage bereits 26 Alben veröffentlicht, die so illustre Titel wie „Whore Stories“, „Abusement Park“ oder „Real Punks Eat Meat“ tragen. Da dies jedoch offensichtlich niemand mitbekommen hat, ergeht man sich mittlerweile

in Selbst-Zynismus, heißt die Besucher der Homepage mit den Worten „Nobody Cares Since 1992“ willkommen und bietet das aktuelle Greatest Hits-Album mit 50 Songs gleich kostenlos zum Download an. Da verwunderte es auch nicht mehr, dass der Eintritt gestern lediglich fünf Euro betrug und CDs und Doppel-CDs der Band für die gleiche Summe verschleudert wurden, farbige Singles gar für drei Euro.

Von der Tour-Besetzung, die im DKK auf der Bühne stand, kam übrigens nur ein Bandmitglied aus den USA, nämlich der Gründer, Songwriter, Gitarrist und Sänger Marky Derita (Foto links). Der 55-Jährige wurde von zwei Engländern an Bass und Schlagzeug und einem deutschen Gitarristen begleitet. Und auch wenn Marky scherzhaft verkündete, dass der Drummer erst seit einer halben Stunde in der Band sei, so klang doch alles wie aus einem Guss. „1,2,3,4…“ und los ging’s: Die zwei DIN A4-Seiten umfassende Setlist bot weit über 30 Songs und reihte aus dem Schaffen der vergangenen 20 Jahre Hit an Hit.

Melodischer-Punkrock, Bubbelgum-Punk oder Pop-Punk – wie auch immer man den Stil der DERITA SISTERS definieren mag, die Jungs schreiben einfach verdammt gute Songs, die unmittelbar ins Ohr gehen und dort hängen bleiben,

wie einst bei den großen Vorbildern RAMONES. Dargeboten wurden Kracher wie „Lynyrd Skynyrd Has Risen From the Grave“, „I Set Fire To My Girlfriends Cat“, „Butterface“ und „I Don’t Wanna Go To The Turkish Prison“, allesamt catchy mit Texten voller Witz und Ironie.

Weniger witzig war, dass sich einige Besucher trotz der mehrmaligen Aufforderung von Frontmann Marky („This is a Punk Rock Show!“) nicht von ihren bequemen Plätzen erhoben und das Geschehen weiterhin im Sitzen verfolgten. Ein großes „GFY!“ an dieser Stelle an dies respektlose Gesindel, wobei man sagen muss, dass die Club-Betreiber bei Konzerten zumindest die Tische direkt vor der Bühne kurzfristig entsorgen könnten, dann würden solche Situationen erst gar nicht entstehen.

Der Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch, die Band rockte sich routiniert durch den Set, bot im Vergleich zu Bands wie den DWARVES oder den GRANNIES zwar wenig bis kaum Action, überzeugte dafür aber mit witzigen Ansagen („Thanks to Rockwohl Degowski for being stupid enough to join us on

tour!“) und erstklassigen Tracks, die nur selten die 1:20 Minuten-Grenze überschritten – Punk-Rock wie er sein sollte. Aufgrund des umfassenden Songmaterials, das die Band in 20 Jahren zusammengetragen hat, konnten zwar nicht alle Klassiker gespielt werden – schmerzlich vermisst habe ich beispielsweise „Heino Says“, „Orgy of One“, „Punkrock Jihad!“ und „Trouble In The Shithouse“ – aber man kann eben nicht alles haben.

Doch auch ohne die genannten Tracks lieferten die DERITA SISTERS einen furiosen Gig ab, der ob der wenigen Besucher und der beschränkten Räumlichkeiten anmutete, als würden die RAMONES in meinem Wohnzimmer auftreten. Danke an beide Bands für den gelungenen Abend, WE CARE about good punkrock!

Links: http://www.deritasisters.com/, http://www.rockwohldegowski.de/, http://www.myspace.com/rockwohldegowski

Text & Fotos (7): Marcus / Fotos (12) & Clip: Stefan

Mehr Bilder:


Kommentare deaktiviert für DERITA SISTERS & ROCKWOHL DEGOWSKI

Filed under 2013, Konzerte, Videoclips

Comments are closed.