DEVILDRIVER & LOST SOCIETY

Zoom, Frankfurt, 20.08.2018

DevilDriverOh Mann, New Metal. Als Ende der Neunziger Jahre als Fortführung des Rap/Metal-Crossovers der frühen 90-er (mit Alternative-Touch) Bands wie KORN oder LIMP BIZKIT die Szene dominierten, wurde es für Metal-Fans (und -musiker) früherer Zeiten schwer, ihre Leidenschaft auszuleben. Die Verkäufe gingen in den Keller, die Konzertlocations wurden kleiner. Die eine oder andere Formation überlegte, entweder die Segel zu streichen oder „moderner“ zu werden. METALLICA änderten ihre Ausrichtung und blieben damit im Spiel, nach wie vor geachtet von etlichen Anhängern und Combos wie SLIPKNOT, die bei den ehemaligen Thrash-Giganten im Vorprogramm auftreten durften. Für alte Metal-Säcke wie mich, die in den Achtzigern schon DevilDriverdabei waren, verloren METALLICA jedoch ihre Relevanz – Nerds streiten immer noch darüber, ob deren große Zeit nach Album Nummer drei oder vier vorbei war. Sogar der Metal Hammer addierte ein „New Rock und“ vor seinem Titel.

Mit den meisten Bands jener Zeit kann ich nach wie vor nicht viel anfangen. PRONG sind eine Ausnahme, ebenso MACHINE HEAD. Als Support eben jener erlebte ich 1997 COAL CHAMBER um DEVILDRIVER-Boss Dez Fafara und, nun ja: Weiter verfolgt habe ich deren (kurzen) Lebensweg nicht mehr. Auch die noch zu Lebzeiten von COAL CHAMBER von ihm DevilDrivergegründeten DEVILDRIVER ignorierte ich bis vor Kurzem.

Doch dann rannte Fafara bei mir offene Türen ein: Mit „Outlaws Til the End – Vol. 1“ veröffentlichten DEVILDRIVER ein Album mit Outlaw-Country-Songs – also Liedern von Leuten, die mit dem Country-Mainstream in Nashville Probleme haben. Querköpfe, die durch Lebensstil und Botschaften Rockern oder Hippies nahe kommen oder die offen mit ihren Problemen umgehen statt nur eine heile Welt vorzugaukeln. Leute wie Johnny Cash, Willie Nelson, Waylon Jennings oder Kris Kristofferson. Oder der Hank Williams-Enkel Hank III, der auch auf dem Werk DevilDrivermitwirkt – ebenso wie John Carter Cash, Sohn und Nachlassverwalter des großen „Man in Black“. Der gestrige Besuch im Frankfurter Club Zoom war also Pflicht. Dass als Special Guest die bereits in der Vergangenheit von uns gelobten Finnen LOST SOCIETY (Bericht hier) eröffnen sollten, zementierte diesen Plan höchstens noch.

Als eben jene Thrash-Youngster, die seit 2010 bestehen und inzwischen drei Studio-Alben veröffentlicht haben, ein wenig verfrüht die Bühne stürmten, musste Sänger und Gitarrist Samy Elbanna erstmal eine Ansage an die noch Lost Societyspärlich im Saal versammelten Gäste tätigen, da diese sich abwartend an die Theke drückten und nur fünf Leute direkt vor dem Podest ausharrten: Nach vorn jetzt, sonst wird nicht gespielt! Charmant und doch keine Widerworte duldend, weswegen dem Befehl auch sofort Folge geleistet wurde. All die Raucher und Quatscher, die sich bis dahin Zeit gelassen hatten, stopften die schmale Tanzfläche rasch voll.

Die folgenden knapp 40 Minuten waren ein Abriss vom Feinsten – hochagil, superschnell und bestlaunig. Unfassbar geil. Die Kinder der Neunziger im Pit, älter als die performenden Zelebraten der Klänge der Achtziger vor ihnen: Selbst wenn sie die Finnen aus Unkenntnis bisher nicht auf dem Schirm hatten, am Ende waren sie Fans. Granaten wie „Braindead Lost SocietyMetalhead“ oder „KILL (those who oppose me)“ sind überzeugende Argumente. Sogar als in der Mitte des Sets mit „I am the Antidote“ ein wenig Tempo rausgenommen wurde, blieb es brachial.

Elbanna wollte es genau wissen und fragte die Anwesenden: „Wer von Euch hat uns schon mal gesehen?“ Wenige Arme gingen hoch. „Wer heute zum ersten Mal?“ Viele Arme folgten. „Wer will uns ab heute noch mal sehen?“ Alle Arme streckten sich gen Decke. Voller Erfolg, würde ich sagen. Dass ab Song Nummer zwei der erste Pit gestartet wurde, bei dem mich zwei muskelbepackte Arme gegen die Cola eines anderen Gastes warfen, kann man diesbezüglich wohl als Bestätigung sehen. „Riot“ machte dann zum Schluss den Sack treffend zu.

Nachdem ich der Umbaupause den Merchstand inspiziert hatte (der leider nur Stoffe und Textilien feilbot, was eine Menge aussagt über die heutigen Verdienstmöglichkeiten von Musikern), ging es zurück an die Absperrung. Mit DevilDrivergeringfügiger Verspätung wegen technischer Schwierigkeiten knallten DEVILDRIVER dann mit viel Gegenlicht los, eine Bierdusche wusch mir die klebrige Cola vom Kopf und Aufforderungen zum Tanz wurden Makulatur. Der Club wirkte auf einmal übervoll, im Pit gab es nur noch Arme, Köpfe und Matten, die teils synchron (die Metaller) und teils konfus (die Coreler) durch die Gegend flogen.

Fafara wirkte zufrieden, klatschte seine Jünger ab und sah ihnen tief in die Augen, dabei wie ein Duracell-Hase ständig von hier nach dort pesend. Später DevilDriverim Verlauf des Abends hielt Fafara eine flammende Rede gegen das „therapieren“ von ADHS mit Ritalin und rief dazu auf, Kindern so etwas zu ersparen: Man könne auch mit ADHS ein erfolgreiches Leben führen, erklärte er. Und: „ADHS ist ein Geschenk!“ Komplexes Thema. Durch meinen Hauptjob kann ich aber bestätigen, dass das „Ruhigstellen“ mit Medikamenten Veränderungen der Persönlichkeit zur Folge haben kann, was ein besseres „Funktionieren“ in der Gesellschaft zulasten geminderter Lebensqualität ermöglichen mag. Als Rockstar schadet ein so hohes Energielevel jedenfalls nicht.

DevilDriverHätte ich das Feature über DEVILDRIVER im Legacy Magazine genauer gelesen, hätte ich gewusst, was mich gestern Country-technisch im Zoom erwartet hätte, nämlich nada. Schade eigentlich. Obwohl die DEVILDRIVER-Version von „The Man Comes Around“ von Johnny Cash eine zerbrüllte Frechheit ist, die posthum Cash’s Metal-Diss von 1987, „Heavy Metal (Don’t Mean Rock And Roll To Me)“ (eigentlich ein Song über einen fetten Truck, aber naja, der Titel ist wohl zumindest doppeldeutig), rechtfertigt. Also kein Country – aber eine fette Stunde zwischen Metal und Hardcore, die auch Nicht-Fans wie mich begeisterte.

DevilDriverAuch Fafara wollte es genau wissen: „Wer hat uns schon mal live gesehen?“ Viele Arme hoch. „Wer heute zum ersten Mal?“ Wenige Arme. „Welcome to the Family!“ Danke. Die „Familie“ wurde dann noch nach Kalifornien eingeladen: „Wir kümmern uns dort um Euch so gut wie Ihr es hier mit uns macht!“ Ich bezweifle, dass ich das ausprobieren möchte. Ich habe es nach dem überzeugenden Abend DevilDriverleider auch nicht geschafft, per Plattenstudium meinen Familienbeitritt zu rechtfertigen. Nach einem weiteren Redebeitrag über die Sinnlosigkeit von Zugaben war klar, dass 23 Uhr als Konzertende anvisiert wurde. „The Mountain“ vom Debüt 2003 könnte (wie in Nürnberg) der Abschluss gewesen sein, ohne Gewähr: Kenne ja nur die Country-Songs. Mal gucken, ob sich daran etwas ändern wird.

Links: https://lostsocietyfinland.com/, https://fi-fi.facebook.com/lostsocietyfinland, https://myspace.com/lostsocietyfinland, http://www.lastfm.de/music/Lost+Societyhttp://www.devildriver.com/, https://www.facebook.com/devildriver/, https://soundcloud.com/devildriverofficial, https://www.last.fm/de/music/DevilDriver

Text, Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Kommentare deaktiviert für DEVILDRIVER & LOST SOCIETY

Filed under 2018, Konzerte, Videoclips

Comments are closed.