Schlachthof, Wiesbaden, 30.08.2018
Ja nee, ist schon klar: Headliner und Grund meines Besuches im Kesselhaus des Wiesbadener Schlachthofs waren die Ex-New Yorker PRONG, inzwischen aus Los Angeles. Das Trio wurde bereits zweimal in diesem Blog besprochen – und wenn es in der Nähe auftritt, dann bin in der Regel dabei. Lasst uns aber noch etwas bei der Vorband DEW-SCENTED um Sänger Leif Jensen (links) verweilen. Vor einem Bruchteil der Schar, die sich für gestern Abend Tickets besorgt hatte, vollführte diese einen amtlichen Abriss vor hingebungsvollen Gestalten, die fleißig filmten, fotografierten und mitgrölten. Mit jeder Menge Wehmut. Denn DEW-SCENTED streichen die Segel, das Opening für PRONG („ein großer Einfluss“, so Jensen) war ihr letzter Besuch in Hessen. Nach fast 27 Jahren.
Und so, wie Jensen das formulierte, kann man wohl nicht wie bei erfolgreicheren Acts (SCORPIONS, OZZY) mit einem nahen Comeback rechnen. Hier wirkte jemand müde im Sinne von kraftlos und frustriert (was nix mit der Performance
zu tun hatte, die war astrein). Ernüchtert, vielleicht auch. Wer da nicht völlig desinteressiert oder empathielos war, dem musste das ebenfalls ein wenig weh tun.
Als DEW-SCENTED loslegten, kannte ich sie aber noch gar nicht. Irgendwie hatten wir es erfolgreich geschafft, in all der Zeit (26 Jahre DEW-SCENTED, 37 Jahre Konzertgängertum meinerseits) uns aus dem Weg zu gehen, trotz etlicher Touren im Vorprogramm vieler Bands, die ich mehrmals gesehen habe. Erst jetzt tauchten sie auf meinem Schirm auf, erstmals und – um es mit einem ihrer Songtitel zu sagen – „Never To Return“ (Videoclip dazu weiter unten). Ganz schön schade, eigentlich.
Falls es einem der Leser auch so geht, hier ein paar Basics: DEW-SCENTED gründeten sich 1992 in Niedersachsen, Sänger Leif ist von Anbeginn dabei. Er ist aber nicht der Hauptsongwriter, das waren immer andere Bandmitglieder, die diverse Male aus verschiedenen Gründen ausgetauscht wurden. Noch 2012, als „Icarus“ (Album Nummer 9 von 10. Alle beginnen mit dem Buchstaben I.) erschien, gab Jensen metal.de zu Protokoll, dass „Multitasking allerdings nicht soooo schwierig (ist) und teils sogar reizvoll!“ und damit sowie durch weitere Äußerungen zu verstehen, dass er sich von seinen Mitmusikern mehr Einsatz für die Band wünschte.
2018, mit einigen sauguten Instrumentalisten im Rücken, ist das wohl Makulatur. Wieso? Jensen sagte in Wiesbaden, dass es nach all der Zeit ja auch mal gut sei. Jemand aus dem Publikum rief sinngemäß: „Aber doch nicht für Euch!“ „Doch. Gerade.“ konterte Jensen darauf schwermütig. Seine jüngeren Kollegen, alle aus den Niederlanden und, zumindest beim gestrigen Gig, motiviert und kompetent bis in die Fingerspitzen, merkte man diesbezüglich keine Stimmung an. In einem Facebook-Post zum Abschied äußert sich die Band so: „But it’s time to realize that we won’t be able to forge ahead much further because DEW-SCENTED just won’t work without complete and constant dedication.“ Das gleiche Argument wie 2012.
Doch trifft das nun auch auf Jensen selber zu? Oder kapituliert er, weil er den Input seiner jetzigen Mitstreiter ebenfalls als unzureichend einschätzt? Ich zumindest habe keine Ahnung, finde es aber sehr schade, dass mein erstes Mal DEW-SCENTED auch mein letztes Mal ist. Der Auftritt war übrigens basslos, was sich klanglich auf meine versauten Ohren nicht negativ auswirkte. Vielleicht schon der erste Teil des Splits? Die Show war aber erste Sahne und die, die nicht nur auf die New Yorker aus L.A. fixiert waren, hatten eine Bombenzeit. Ein Hammer war Schlagzeuger Marc Dzierzon, den wir hoffentlich bald mit einer seiner anderen Bands wie ALMANAC oder CENTAURUS-A erleben können.
Als PRONG anschließend die Bühne erklommen, war die Hütte zum Bersten voll. So voll, dass ein „Ausverkauft!“-Schild am Eingang prangte. Eine Menge breite Leute waren dabei, die viel Platz einnahmen. Zum Glück aber ungleich der hier und hier beschriebenen Gigs assilos, also ohne von Testosteron geschwängerte Nahkämpfer. Stattdessen ab Song Eins („For Dear Life“ vom zweiten Album „Beg To Differ“ von 1990) Stimmung, Mitsingen und Headbangen. Bassist Jason Christopher mit Fuck You-Attitüde und sexistischem Shirt kehrte den Pitbull noch am derbsten raus.
Bandboss Tommy Victor, der kürzlich noch bei DANZIG im benachbarten großen Saal vor ausverkauftem Hause gastierte, gab sich verschmitzt, gut gelaunt und volksnah. Doch wer spielte da Drums? Sollte das wirklich Arturo „Art“ Cruz sein, wie es überall im Netz steht, dann hat der sein Volumen nicht nur verdoppelt sondern auch seine Tattoos verändert. Kann ja alles vorkommen. Sollte der Herr während des Gigs vorgestellt worden sein, dann hab ich das verpasst, irgendwann musste ich nach hinten und kam nicht mehr nach vorne.
Dass der Auftritt jedoch mit Hits gespickt war, war an keiner Stelle zu überhören. „However it May End“ war der erste Song des aktuellen Albums „Zero Days“, welches durch diese Tour promoted wurde – und der kam an sechster Stelle. Sonst nur Klassiker-Alarm bis Track Nummer Fünf sowie darüber hinaus: „Beg To Differ“, „Prove You Wrong“, „Whose Fist…“, „Snap Your Fingers…“, „Rude Awakening“… you name it. Großes Kino wie immer von den Meistern, die, wenn das langsam aber sicher so weitergeht, demnächst auch größere Hallen bespielen werden. Verdient haben sie es allemal. Aber schade um DEW-SCENTED. Alles Gute.
Links: http://www.dew-scented.net/, https://de-de.facebook.com/dewscented, https://myspace.com/dewscented, https://dew-scented.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Dew-Scented, http://prongmusic.com/, https://www.facebook.com/prongmusic, https://myspace.com/prong, https://prong.bandcamp.com/, http://www.lastfm.de/music/Prong
Text, Fotos & Clip: Micha
Alle Bilder:
Schöner Bericht!
Der Drummer bei Prong war übrigens Aaron Rossi, der früher mal bei Prong festes Mitglied war (er hat seinerzeit auch das „Power Of The Damager“-Album mit eingespielt). Art Cruz ist grade als Aushilfe mit Lamb Of God in den Staaten auf Tour, weil deren Drummer aus irgendeinem Grunde unpässlich ist.