Schlachthof, Wiesbaden, 29.01.2018
Was musste ich mir nicht alles anhören, als ich verlauten ließ, dass ich mir DR. LIVING DEAD! anschauen wolle. Die Kommentare reichten von „uninspirierte Kopie“ über „fürchterlicher Lärm“ bis hin zu „vorgezogener Kinderfasching“. Für mich muss Musik allerdings nicht immer von Stockhausen inspiriert sein, auch ein gepflegter No-Brainer weiß mich zu begeistern – und da sind DR. LIVING DEAD! ganz weit vorne. Das Thrash-Metal-Quartett um Shouter Dr. Mania wurde 2007 in Stockholm gegründet und widmet sich – wie viele andere aktuelle Vertreter des Genres – Themen wie Horror-Filmen, toxischer Verseuchung, außerirdischen Invasoren und natürlich dem Partyfeiern. Und damit befinden sich die Schweden in bester Gesellschaft von Acts wie TOXIC HOLOCAUST, MUNICIPAL WASTE, LICH KING, GAMMA BOMB, F.K.Ü. und vielen anderen.
Durch eine Besonderheit heben sich DR. LIVING DEAD! aber dennoch von der Konkurrenz ab: Die Jungs berufen sich stilistisch nämlich nicht nur auf die frühen Werke von Thrash-Altmeistern wie EXODUS, SLAYER und TESTAMENT, sondern vor allem auch auf die Crossover-Kings SUICIDAL TENDENCIES. Dabei greifen die Skandinavier hauptsächlich den Sound der ersten drei SUICIDAL-Alben auf und präsentieren auf ihren Releases neben harten, schnellen Thrash-Hymnen auch stets drei bis vier Stücke im groovenden SUICIDAL-Stil, die sich wirklich hören lassen können.
Tatsächlich kommt das Quartett dem SUICIDAL-Sound ebenso nahe wie beispielsweise die kalifornischen SUICIDAL-Jünger TAKE OFFENSE. Das Outfit huldigt ebenfalls der Crossover-Combo: Neben kurzen Hosen, kniehohen weißen Strümpfen und Vans sind es vor allem die mit den typischen Bandanas versehenen Totenschädel-Masken, die auf die amerikanische Skatepunk-Band verweisen. Ebenjener Schädel ziert zum Beispiel die Cover der SUICIDAL-Alben „13“ und „World Gone Mad“ und findet sich auch auf unzähligen T-Shirt-Motiven wieder.
Nun mag man DR. LIVING DEAD! mangelnde Eigenkreativität oder gar geistigen Diebstahl vorwerfen, Fakt ist, dass die Grenzen im Oldschool-Thrash ohnehin eng gesteckt sind und die Schweden eher noch zu den kreativeren Vertretern des Genres zählen, deren vier bisherige Alben sich alle auf einem recht beachtlichen Niveau bewegen.
Meine Ankunft im Kesselhaus des Wiesbadener Schlachthofs war gut getimt: Als ich gegen halb zehn den Saal betrat, hatten die beiden Vorgruppen REZET und COMANIAC bereits gespielt und der Auftritt des Headliners stand kurz bevor. Anwesend waren 40 bis 50 Besucher, was bereits erahnen lässt, dass die Band in der Gunst der Thrash-Gemeinde nicht unbedingt das höchste Ansehen genießt. Andererseits tun sich auch andere Acts des Genres schwer, Leute zu ziehen. In der Frankfurter Au wäre der Gig an diesem Abend allemal besser aufgehoben gewesen.
Als die „Doktoren“ Mania, Toxic (Gitarre), Rad (Bass) und Slam (Drums) die Bühne betraten, war die Stimmung dennoch gut und mit „Coffin Crusher“ vom aktuellen Album „Cosmic Conquerer“ wurde auch gleich ein ordentlicher Nackenbrecher geliefert. Die Jungs waren dabei ähnlich agil wie ihre Kollegen der EVIL INVADERS, die für ihre furiose Live-Action bekannt sind, standen keine Sekunde still, fegten wie Wirbelwinde über das Podest und heizten dem Publikum gehörig ein. An der Performance gab es somit nichts auszusetzen. Als etwas problematisch empfand ich allerdings die Tatsache, dass die Band aufgrund ihrer Masken keinerlei Mimik offenbarte und darunter die Kommunikation mit den Fans litt, denn letztlich konnte man nur mutmaßen, ob die feucht-fröhliche Stimmung in der Menge auch auf der Bühne ankam.
Ein bisschen schade fand ich zudem, dass die groovenden SUICIDAL-Elemente nur selten zum Tragen kamen. Im Mittelpunkt standen stets die schnellen Thrash-Songs, die, wie bereits erwähnt, solide bis gut, aber dennoch weit entfernt von den Hymnen der alten Meister sind. Unterm Strich machte es dennoch Spaß, es war ein rasantes Konzert, Songs wie „TEAMxDEADx“ oder „Dr. Living Dead“ rockten ordentlich und die Stimmung war trotz der wenigen Besucher grandios, Slamdance und Stagedives inklusive. Als Anheizer für einen der oben genannten Acts würde ich mir DR. LIVING DEAD! daher jederzeit wieder anschauen, als Headliner müssen die Jungs, wie ich finde, noch etwas reifen.
Links: http://deathfuckingthrash.com, https://de-de.facebook.com/drlivingdeadofficial/, https://www.instagram.com/drlivingdeadofficial/, https://drlivingdead.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Dr.+Living+Dead
Text & Fotos: Marcus
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