Sonic Ballroom, Köln, 26.07.2016
Bis vor fünf Tagen hatte ich den Namen EAT THE TURNBUCKLE noch nie gehört. Aufmerksam wurde ich auf die Band erst durch einen Kumpel, der mir beim Gig von ANTISEEN (ebenfalls in Köln) von ihnen berichtete. Demnach sollte es sich bei der aus Philadelphia stammenden Hardcore-Combo um eine aus Backyard-Wrestlern bestehende Truppe handeln, die ihre Live-Shows mit brutalen Wrestling-Einlagen mischt, bei denen Blut, Schmerzen und blaue Flecken an der Tagesordnung sind – manchmal auch beim Publikum. Das klang nach einer Menge Spaß und als ich mir dann noch einige Videoclips der Jungs auf YouTube anschaute und las, dass einige Auftritte von EAT THE TURNBUCKLE bereits polizeilich untersagt wurden, war klar, dass dieser Gig es wert sein würde, die 200 Kilometer bis nach Köln in Kauf zu nehmen.
Schauplatz des Geschehens war der Sonic Ballroom, eine Location, die eigentlich mehr Kneipe als Club und in etwa mit dem Frankfurter Backstage vergleichbar ist. Der Ballroom verfügt aufgrund seiner Lage in einem Industriegebiet allerdings über den Vorteil, dass es keine Nachbarn gibt, die durch Konzertlärm belästigt werden können, weshalb regelmäßig Live-Acts dort gastieren. Das gestrige Event lockte zwar nur etwa 30 bis 40 Fans an, diese füllten den winzigen Konzertraum aber gut aus.
Eröffnet wurde der Abend von der Kölner Formation STRICK, die Hardcore mit deutschen Texten darbot, ein wenig an HAMMERHEAD erinnerte und ein durchaus solider Opener war. Weiter ging’s mit den Niederländern TEAM WASTED, die ich just an gleicher Stelle schon einmal erleben durfte. Die Jungs sind sowohl optisch als auch musikalisch recht ungewöhnlich und lassen sich am ehesten als Mischung aus Psychobilly, Oi und Punkrock beschreiben. Auf ihrer Website bezeichnet die Band ihren Stil als Yolo-Core oder Waste-Edge. Als Gimmick hatten die Niederländer einen Laubbläser im Gepäck, der mit Konfetti gefüllt war, gleich zu Beginn des Gigs aufs Publikum gerichtet wurde und alle Gäste voll erwischte. Die nächsten Minuten verbrachten wir in einer zimmergroßen Schneekugel, die man ordentlich durchgeschüttelt hatte – Kölner Karneval im Juli.
Auf der Bühne flippte derweil das musizierende Quartett (der etatmäßige Gitarrist wurde leider durch einen Ersatzmann vertreten) komplett aus. In bunten Outfits und schrillen Masken wurden im Schneeregen partytaugliche Songs dargeboten, die im Publikum für ordentlich Stimmung sorgten. Gesungen wurde mal in Englisch, mal in Niederländisch und abgerundet wurde das Ganze mit schrägen Coverversionen wie beispielsweise „Breaking the Law“ von JUDAS PRIEST. Nachdem sich der Sänger im Laufe der Show immer mehr seiner Kleidung entledigt hatte, zog er beim vorletzten Song schließlich endgültig blank und bestritt den Rest des Sets nackt. Holy Macaroni, was für ein Auftritt.
Während der folgenden Umbaupause waren die Besucher vornehmlich damit beschäftigt, sich vom Konfetti zu befreien, bezogen aber bald wieder Stellung an vorderster Front, um nichts vom kommenden Spektakel zu verpassen. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis fünf schräge Typen die Bühne betraten, denen man allesamt lieber nicht nachts begegnen möchte. Das Quintett wurde von Gesichtstattoos, Narben und auffällig vielen fehlenden Zähnen geprägt, zudem waren die Herren robust gebaut und mit diversen Utensilien ausgestattet, die teilweise an bekannte Wrestler erinnerten.
Los ging’s mit einer kleinen Ansprache (Videoclip dazu weiter unten) von Gitarrist Chubb Rock, der – ähnlich wie der Iron Shiek – einen arabischen Bad Guy verkörperte, der in seiner Rede eine Drohung an die USA richtete und dafür sogleich von Sänger Jag 13 ein Tablett über die Birne gezimmert bekam. Einlagen wie diese wurden etwa nach jedem zweiten oder dritten Song eingestreut, wobei sich das Maß der Brutalität mehr und mehr steigerte und die Kämpfe schließlich auch im Publikum ausgetragen wurden. Zum Einsatz kamen dabei unter anderen Gegenstände wie ein Pizzaschneider, eine Gabel und eine Käseraspel, mit denen meist einer der Akteure das Gesicht eines anderen solange traktierte, bis das Blut zu fließen begann.
Nachdem jedes Gesicht blutverschmiert war, wurden härtere Geschütze aufgefahren wie beispielsweise ein mit Stacheldraht umwickelter Knüppel, der mehrmals auf den Rücken des auf dem Boden liegenden Drummers Beer Dust gedroschen wurde. Spätestens jetzt wurde klar, dass hier nicht die zahme Spielart des hierzulande im TV präsentierten WWE-Wrestlings praktiziert, sondern vielmehr der frühen ECW und dem Backyard-Wrestling gehuldigt wurde.
Höhepunkt der Show war, als ein Roadie der Jungs mit Donald-Trump-Maske auftauchte und eine Hasstirade gegen Mexikaner schmetterte. Damit war die Stunde des zweiten Gitarristen El Shlak-O gekommen, der nun seine Maske ablegte, etwas in Spanisch von sich gab und sich auf Donald Trump stürzte, um diesem eine Tracht Prügel zu verpassen. Der wiederum flüchtete panisch aus dem Club, wurde von der kompletten Band – und dem Publikum – nach draußen verfolgt und landete im Biergarten mit lautem Krachen auf einem Tisch, der unter ihm zusammenbrach. Nach einigen weiteren Songs auf der Bühne endete das Blutbad schließlich mit der Hymne „Ladders, Tables, Chairs“ und ließ eine mit Konfetti, Schweiß und Blut besudelte, aber begeisterte Gästeschar zurück.
Ich habe in meinem Leben bereits einige schräge Shows gesehen, angefangen bei ROCK BITCH über GENITORTURERS bis hin zu GWAR, THE VOLUPTOUS HORROR OF KAREN BLACK, KILL ALLEN WRENCH, der JIM ROSE CIRCUS SIDESHOW oder ATTACK OF THE MAD AXEMAN. Die Intensität des gestrigen Abends wurde jedoch von keinem der genannten Acts erreicht. Dies mag am intimen Rahmen des Events gelegen haben, schließlich ist der Konzertraum des Sonic Ballrooms nicht größer als ein Proberaum, war aber zu großen Teilen der Performance und den seltsamen Typen geschuldet, die da auf der Bühne standen.
Musikalisch war das Ganze solide, wenn auch weniger spektakulär. Geboten wurde simpler Asi-Hardcore im Stile von BLOOD FOR BLOOD, wobei die Musik ohnehin nur als Untermalung der Einlagen diente und für diese Zwecke perfekt war. Und Songs wie „Suplex City“ und „Falls Count Everywhere“ blieben sogar im Ohr hängen. Somit sind EAT THE TURNBUCKLE ein klarer Tipp für alle Gefahrensucher, Wrestlingfans und Freunde der ungewöhnlichen Unterhaltung. Wer einmal die Möglichkeit hat, dieses Spektakel live zu erleben, sollte es sich nicht entgehen lassen. Notiz am Rande: Die Tour besteht aus mehr als zwanzig nahezu täglich aufeinanderfolgenden Gigs, bei denen sich die Bandmitglieder stets aufs Neue Schmerzen, Wunden und blaue Flecken zufügen. Da bleibt mir nur eines zu wünschen: Gute Besserung!
Links: https://www.facebook.com/TeamXWasted/, https://soundcloud.com/teamxwasted, https://www.facebook.com/eattheturnbuckle, https://www.reverbnation.com/eattheturnbuckle, http://www.last.fm/de/music/Eat+The+Turnbuckle
Text & Fotos: Marcus
Clips: am Konzertabend aufgenommen von VodkaViolator
Alle Bilder: