EISENPIMMEL, H.A.S.S., MOTORKOPP

Schlachthof, Wiesbaden, 4.10.2013

„Halt’s Maul und putz“, „Dicke Eier Weihnachtsfeier“, „Komm mal lecker unten bei mich bei“, „Bau keine Scheiße mit Bier“, „Füsse hoch, Fernsehn an, Arschlecken!“ – all dies sind Songs der Duisburger EISENPIMMEL, die, ähnlich wie DIE KASSIERER aus Bochum und die LOKALMATADORE aus Mühlheim, für satirischen Deutschpunk mit provokanten Texten steht. Im Gegensatz zu ihren Kollegen, die gerne über Pipi machen, kacken und Pillermänner singen, stellen EISENPIMMEL zudem die sympathischen Eigenarten des Ruhrpottlers in den Mittelpunkt ihres Schaffens. Darüber hinaus könnte das Front-Pärchen der Band auch gut und gern als Stand-Up-Comedy-Duo im Stil von Badesalz oder Mundstuhl durchgehen. Doch dazu später mehr. Als ich die Räucherkammer des Wiesbadener Schlachthofs betrat, war ich zunächst erstaunt über die Anzahl der Besucher. Ich hatte mit 20 oder 30 Leuten gerechnet, doch es dürften gut und gerne 120 gewesen sein, die sich in dem kleinen Club tummelten. Und die waren bunt gemischt: Skins, Punks, Metal-Heads, Fußball-Fans, Säufer und Asis im Allgemeinen. Ich fühlte mich daher sofort heimisch und das Spektakel konnte beginnen.

Als Support hatte die nicht gerade tourfreudige Band – man munkelte, dass der gestrige Auftritt der erste überhaupt in Hessen war – gleich zwei Acts an Bord, die zumindest nominell zum Headliner passten. Den Anfang machten die Mainzer MOTORKOPP, deren Set sich aus Deutsch-Rock-Nummern und bekannten Punk-Klassikern wie „Plastic Bomb“ (POISON IDEA) und „Sonic Reducer“

(DEAD BOYS) zusammensetzte. Das war handwerklich okay, aber nicht sonderlich spektakulär. An den gecoverten Songs habe ich mich bereits tot gehört und die eigenen Tracks waren bis auf wenige Ausnahmen wie zum Beispiel „Schweinesystem“ recht banale Punkrock-Nummern mit deutschen Texten, in denen es meist um Fußball („Maradona“) ging. Beim Mainzer Karneval dürfte dies durchaus die Massen begeistern, vor EISENPIMMEL wirkte es eher etwas bieder, wozu auch die weißen Anzüge, in denen sich das Quartett präsentierte, beitrugen. Als Anheizer erfüllten die Jungs dennoch ihren Zweck, zumal sie einen kleinen Fan-Club mitgebracht hatten, der für Stimmung sorgte.

Die zweite Band des Abends, H.A.S.S., sorgte im Vorfeld für einige Verwirrung. Tatsächlich gab es nämlich einige Anwesende, die von weit her angereist waren, um die Rückkehr der 2001 aufgelösten Deutschpunk-Legende HASS zu feiern, doch die stand natürlich nicht auf der Bühne. Dort standen Musiker der Wiesbadener Formation FRONT, die es wohl als witzige Idee erachteten, vor den Duisburgern unter dem Namen HODEN AUS STARKEM STAHL, abgekürzt H.A.S.S., aufzutreten. Seit August gibt es sogar eine Website zum Projekt, wobei es sich meiner Kenntnis entzieht, ob die Seite lediglich für den Gig mit EISENPIMMEL angelegt wurde, oder ob es die Jungs mit ihrem Projekt tatsächlich ernst meinen. Der Basser hatte jedenfalls zu einem raffinierten Mittel gegriffen, um nicht als FRONT-Mitglied aufzufallen; er hatte sich einen Oberlippenbart angeklebt. Nick Knatterton hätte es nicht besser machen können. Doch wie dem auch sei, die HODEN haben ordentlich gerockt. Der Set bestand aus einigen holprigen Bier-Punk-Tracks (vermutlich die H.A.S.S.-Songs, die sich auf der Homepage kostenlos downloaden lassen) sowie ausgewählten FRONT-Liedern wie beispielsweise „Bitte recht freundlich“ und „Neonlicht“, die stark an frühe Werke von ABWÄRTS, NICHTS, TRIO oder FEHLFARBEN erinnern. Die Mixtur aus NDW, Wave- und Deutsch-Punk war mitreißend und kurzweilig, wobei es besonders die Stimme von Sänger Falk Fatal (so nennt er sich zumindest bei FRONT) war, die dem Sound Eigenständigkeit und Dynamik verlieh. Als Cover wurden „If The Kids Are United“ von SHAM 69, allerdings in der deutschen Version von Schlager-Rocker Benny, und „Computerstaat“ von ABWÄRTS zum Besten gegeben. Alles in allem ein Gig, der Laune machte und mich dazu veranlasste, am nächsten Tag die FRONT-Scheibe mit „Neonlicht“ zu ordern.

Nun wurde es spannend, denn einer der raren Auftritte von EISENPIMMEL stand an, eine Band, um die sich allerlei Geschichten ranken. So soll das Goethe-Institut beispielsweise eine Tournee der Gruppe durch Polen gefördert haben, an

die sich allerdings nur drei Mitglieder der Combo erinnern können. Zudem, und dies ist kein Gerücht, wurde das Cover der Single „Komm mal lecker unten bei mich bei“ von den Lesern der Süddeutschen zum „hässlichsten Platten-Cover der Welt“ gekürt. Mehr brisante Themen werden auf der Website der Band unter dem lesenswerten Punkt „Mythen & Legenden“ behandelt.

Der Blickfang von EISENPIMMEL sind die Frontsäue Bärbel Rotzky und Siggi Katlewski, die sich den Gesang, das Bier und den Schnaps teilen. Zunächst tauchte Siggi auf der Bühne auf, der sich, begleitet von pathetischer Musik und dem frenetischen Jubel der Anwesenden, erstmal ein

Bier aufmachte. Ein Ereignis, das wie der Segen des Papstes gefeiert wurde, wobei die Öffnung der Dose von den Jüngern vor der Bühne als der Beginn der schweinischen Messe betrachtet wurde. Nachdem das Intro ohne Bärbel vonstatten gegangen war, forderten nun lautstarke „Bär-bel! Bär-bel!“-Sprechchöre den Auftritt der Ruhrpott-Queen. Die tauchte dann auch umgehend in traditioneller Duisburger Abend-, Verzeihung, Asi-Garderobe auf und hatte in einer Plastiktüte allerlei Alkoholika im Schlepptau, die nachfolgend konsumiert werden sollten. Dabei kam es nicht selten zu leichten Streitigkeiten der beiden Sänger um die einzige Flasche Eierlikör (siehe Videoclip unten).

Der Gig gestaltete sich als Mischung aus authentischem Asi-Talk im sympathischen Ruhrpott-Slang und den größten Hits der Band, die vom gesamten Saal lauthals mitgegrölt wurden. Ob „Pommes in den Straßen“ oder „Man muss dat Saufen nämlich nehmen wat dat Saufen nämlich ist“, „Staat hau ab“ oder „Ich Arsch hab mir

Fleisch gekauft“, die Ruhrpott- Lok nahm jetzt ordentlich Fahrt auf und verwandelte den kleinen Raum in einen Hexenkessel voller Bier. Letzteres prasselte nämlich fast minütlich auf die Besucher in den ersten Reihen nieder, die dies aber kaum registrierten, da sie mit Pogen, Saufen und Mitsingen beschäftigt waren. Als Bärbel zum exzessiven Treiben dann auch noch große Seifenblasen in den Zuschauerraum pustete, hatte dies etwas von einem Regenbogen, der sich über einem Atompilz manifestierte.

Die erste halbe Stunde hat mir dieses Spektakel großen Spaß bereitet, dann allerdings musste ich mir eingestehen, dass man einen Gig der Band eigentlich

nur dann richtig genießen kann, wenn man selbst ebenfalls hackedicht ist. Und das war ich, ob meiner Anreise mit dem Auto, leider nicht. Somit nahm ich den Rest des Konzertes wie jemand wahr, der nüchtern im Fanblock seines Lieblingsvereins stehen und 90 Minuten lang die Gesänge und Dialoge von Besoffenen ertragen muss. Das habe ich dann doch nicht bis zum Ende durchgehalten.

Dennoch, was EISENPIMMEL gestern geboten haben, war große Trinkhalle. Es war, als ob Adolf Tegtmeier (alias Jürgen von Manger – kennt den noch jemand?) gemeinsam mit Hausmeister Krause (ich weiß, der ist aus Köln) im Drogenrausch Fußballlieder im Puff singen würde. Irgendwie schön und irgendwie auch ein Erlebnis, das man nicht alle Tage hat – aber auch nicht alle Tage haben möchte.

Links: http://kaputtejugendrecords.de/, https://myspace.com/eisenpimmelduisburg, http://www.lastfm.de/music/Eisenpimmel, http://hodenausstarkemstahl.blogsport.de/, http://www.motorkopp.de/, http://www.lastfm.de/music/Motorkopp, https://soundcloud.com/motorkopp/

Text & Fotos: Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator

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