EUROPEAN METAL FESTIVAL ALLIANCE – Online-Festival, Teil 2

Frankfurt, 14. August 2020

Primordial, (c) European Metal Festival AllianceHier folgt der zweite Teil unseres Berichts zum Online-Festival der EUROPEAN METAL FESTIVAL ALLIANCE. Den ersten Teil zum Festival-Freitag findest Du hier.

Den gesamten Samstag über war ich anderweitig verpflichtet – aber noch kann nachgestreamt werden, also alles hoffentlich gut. Sonntag war ebenfalls verplant, zu PRIMORDIAL (Foto links) wollte ich jedoch spätestens vor der heimischen Scheibensammlung sitzen und mitbangen, ich liebe diese Band extrem. Im Unterschied zu anderen von mir während des Online-Festivals begutachteten Gigs war hier aber fette Festival-Atmo mit Fäusteschwingern ohne Ende – kein Wunder, die Show wurde hochprofessionell beim Party.San mitgefilmt, obwohl setlist.fm auch hier von einem „Private Venue“ in einer „Unknown City“ fabuliert. Ja ne, is klar. Das macht das Spektakel aber nicht weniger geil; es war darüber hinaus Werbung für das nächste Party.San – vier Mal waren die Iren dort bereits zu Gast.

Ausgehungert von echten Live-Gigs und mit eben dieser Liebe zu der Band versehen, saß ich fast schluchzend vor Rührung vor dem Bildschirm, während Alan Averill und seine Jungs den Pulk mit Nummern wie „Where Greater Man Have Fallen“ und „The Coffin Ships“ in den Wahnsinn trieben. Vielleicht hätte ich gar nicht einschalten sollen – so wurde mir derbst bewusst gemacht, auf was ich (und Ihr) seit März verzichten muss – und nein, ein Konzert nur mit Akustik-Klampfen vor Abstand haltenden Menschen, verteilt auf weiter Flur, ist da verdammt nochmal kein Substitut für.

Primordial, (c) European Metal Festival AllianceFotos oben und folgende: Primordial

Zeit für Einschübe: Im von uns sehr geschätzten Ox Fanzine gibt es regelmäßig die Kolumne „Dafür/Dagegen“ – und wie der Zufall es so will, geht es in der aktuellen Ausgabe (151) um Streaming-Konzerte. Wolfram Hanke fragt nach den Alternativen und nimmt mit, was eben geht. Blattboss sowie Generationsbuddy von uns, Joachim Hiller, verweist auf fehlenden Austausch, nicht nur den körperlicher Art und präsentiert uns als Resultat seines Studiums der Kommunikationswissenschaften noch den Begriff „Rückkanal“ – dieser fehlt bei Online-Gigs schlicht und ergreifend. Auch die Organisatoren des Metal Alliance Festivals haben sich darüber Gedanken gemacht und boten folgerichtig eine Chat-Funktion an, die ich alter Sack aber während der Konzerte nicht nutzte.

Primordial, (c) European Metal Festival Alliance

Das liegt unter anderem daran, dass ich es verabscheue während eines Gigs angesprochen zu werden. Also: „Gude“ geht, „Wie läuft’s bei der Arbeit?“ beantworte ich allerdings nicht, während die Band spielt. Schaff ich vom Hörvermögen gar nicht mehr, will ich aber auch nicht. Im Gegenteil: Leute, die sich darüber während einer Show austauschen wollen, gehören rausgeworfen. Ich möchte darüber hinaus auch nicht, während ich mich meiner Liebe zu PRIMORDIAL hingebe, von irgendeinem User lesen, dass er (sind ja meistens Jungs) die Band für total „overrated“ hält. Keinen Bock auf sowas.

Primordial, (c) European Metal Festival Alliance

ORANGE GOBLIN spielten danach ohne Publikum in einem kleinem Club, mal wieder streng geheim. Ich musste dabei an das Frankfurter Zoom denken, in dem ORANGE GOBLIN ja bereits auftraten. Im aktuellen Frizz, dem gerade unsagbar dünnen Veranstaltungsblatt aus der Rhein/Main-Region, werden Clubbetreiber zur Lage interviewt und stellen diese erwartungsgemäß als desolat dar – der Fokus bei den meisten liegt jedoch auf Menschen, die das Feiern oder Tanzen vermissen. Ebenso der von Eva Daniels vom Zoom. Sie schlägt vor, Menschen mit negativem Corona-Test ausschließlich in die Clubs zu lassen oder am Eingang Fieber zu messen. Die Tatsache, dass gegenwärtig bei schönstem Wetter maskenlos im Freien abgefeiert wird ist (nicht nur für sie) ein Argument dafür, die Clubs wieder zu öffnen – damit diejenigen, die sich um die Tanzkultur verdient gemacht haben dieses Bedürfnis auch wieder abholen können.

Orange Goblin, (c) European Metal Festival AllianceOrange Goblin

Mitarbeiter in den Clubs gehören zweifellos zu den Menschen, denen die Seuche finanziell am meisten aufbürdet. Was bei den ganzen Statements fehlt, sind die Erkenntnisse der seriöseren Wissenschaftler, die weniger an die Wirtschaft denken als an den Infektionsschutz. Und für den sind Parties nun mal ein No-Go. Dabei kann man durchaus beklagen, wieso andere Wirtschaftszweige gebauchpinselt werden und eben die, die uns glücklich machen, darben müssen. Im „richtigen Leben“ bin ich darauf angewiesen, in einem Beruf zu agieren, bei dessen Ausübung auf Hygiene, Lüftung, etc. unterm Strich geschissen wird. Ich besuche deswegen keine Freunde mehr und erst recht keine älteren Verwandten.

Deserted Fear, (c) European Metal Festival AllianceDeserted Fear

Glaubt jemand ernsthaft, ich würde dann auf Konzerte gehen? Ich rede hier von „richtigen“ Konzerten – also welchen, bei denen man Bier trinkt, sich anrempelt oder aufeinander rumlatscht, bei denen mensch von den Leuten auf der Bühne angebrüllt wird und man zurückbrüllt, ohne sich um Aerosole einen Kopf zu machen. Joan Baez vor 50 Leuten in der Jahrhunderthalle – das würde mit Abstand gehen. Aber ich will PRIMORDIAL sehen, DOOL oder LUCIFER, um mal bei den kleineren aktuellen Gigs zu bleiben, die erstmal verschoben sind. Große Events, um die Branche zu retten wie das jüngst angekündigte Festival in Düsseldorf (mehr dazu hier) stellen dagegen einen Verzweiflungsakt dar für die Global Player im Verantaltungsbiz wie Marek Lieberberg sowie für Menschen mit diskussionswürdigem musikalischem Geschmack.

Alien Weaponry, (c) European Metal Festival AllianceAlien Weaponry

Aufgrund dieser Gedanken ist ein Online-Festival wie das hier beschriebene nur positiv zu bewerten, in mehrfacher Hinsicht. Extrem körperliche Musik wird durch exklusive Beiträge hör- und sehbar gemacht. Und das zu einem schmalen Preis. Die ausgefallenen Festivals sowie die Musikanten bekommen was dazu, um die giglose Zeit zu überstehen. Zudem kann man neue Acts entdecken – ich feiere gerade VENOM PRISON, während SABATON „live“ im Hauptprogramm nerven. Aber ist das, trotz allem Spaß, ein Ersatz für Club-Gigs mit bewegungsfreudiger Musik? Nein. Ich will wieder in die Clubs. Ich will niemanden anstecken (selber will ich ebenso nicht krank werden). Wie löst man das? Keine Ahnung. Solange mein Internetzugang noch intakt ist, schaue ich mir die Show von den (im besten Sinne) merkwürdigen ALIEN WEAPONRY aus Neuseeland sowie die Auftritte von DER WEG EINER FREIHEIT sowie DESERTED FEAR an. Gibt ja sonst nix. Bleibt noch eine Weile so. Was für eine beschissene Zeit gerade.

Da wir bei einem Online-Konzert logischerweise nicht selbst fotografieren können, verwenden wir für diesen Post Footage aus den Live-Streams der Veranstaltung. Alle Fotos können durch Anklicken vergrößert werden. Wir veröffentlichen das Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung der European Metal Festival Alliance.

Link: https://www.metalfestivalalliance.com/

Text: Micha
Fotos: European Metal Festival Alliance

Kommentare deaktiviert für EUROPEAN METAL FESTIVAL ALLIANCE – Online-Festival, Teil 2

Filed under 2020, Konzerte

Comments are closed.