EVA O & GITANE DEMONE QUARTET

Nachtleben, Frankfurt, 12.06.2019

Eva OSeit 1992 findet jährlich zu Pfingsten das Wave-Gotik-Treffen (WGT) in Leipzig statt, eines der weltweit größten Gothic-Events, bei dem sich stets mehr als 200 Bands des Genres die Ehre geben. Diese Gelegenheit nutzen einige Acts, um rund um das Feiertagswochenende weitere Gigs in Deutschland zu bestreiten. So kam es, dass letzte Woche CHRISTIAN DEATH im Frankfurter Club The Cave und gestern mit EVA O (rechts) und dem GITANE DEMONE QUARTET weitere Urgesteine des Death Rock/Gothic-Beritts im Nachtleben gastierten.

Für die Leser unseres Blogs, denen die genannten Namen nichts sagen, sei ein kurzer Exkurs erlaubt: Während in England Bands wie JOY DIVISION, THE CURE, BAUHAUS und SIOUXIE AND THE BANSHEES den Begriff Gothic in der Musik prägten, waren es in den USA – einige Jahre später – vor allem 45 Eva OGRAVE, CHRISTIAN DEATH und die SUPER HEROINES, die die Bewegung begründeten. Beeinflusst vom frühen L.A.-Punk war ihre Musik gitarrenorientierter und härter als die der Combos aus der alten Welt. Zur Ur-Formation von CHRISTIAN DEATH zählte neben Sänger Rozz Williams (1963-1998) und Gitarrist Rikk Agnew (u. a. THE ADOLESCENTS und SOCIAL DISTORTION) die Background-Sängerin EVA O, die damals mit Williams liiert war. Eva war zum damaligen Zeitpunkt ebenso Gitarristin und Sängerin der SUPER HEROINES. Gitane Demone spielte zunächst mit ihrem Freund Valor Kand bei POMPEII 99, bevor beide 1983 mit Rozz Williams das zweite CHRISTIAN DEATH-Lineup begründeten. Während Valor bis heute unter dem Namen CHRISTIAN DEATH Eva Otourt (Bericht dazu hier), riefen Gitane Demone und Rikk Agnew, die inzwischen ein Paar sind, zusammen mit Schlagzeuger Paul Roessler von den L.A.-Punk-Pionieren THE SCREAMERS und der Keyboarderin Deb Venom das GITANE DEMONE QUARTET ins Leben.

Soll heißen, drei der Künstler, die gestern die Bühne teilten, blicken auf eine gemeinsame Vergangenheit bei CHRISTIAN DEATH zurück, sind absolute Ikonen des Genres und toben sich bereits seit 40 Jahren in diversen Projekten kreativ aus. Umso überraschender war es, dass sich lediglich etwa 40 Besucher eingefunden hatten, um den Legenden zu huldigen. Aber vielleicht waren ja alle gothic-affinen Fans bereits in Leipzig und hatten die Musiker dort erlebt.

Eröffnet wurde der Abend vom GITANE DEMONE QUARTET, das unter diesem Namen bereits zwei Alben veröffentlicht hat. Drummer Paul Roessler war bei der Tour nicht dabei, er wurde durch Percussionist Karl J. Paloucek ersetzt, der Gitane Demone Quarteteinige seltsame Dinge tun sollte, doch dazu später mehr. Zu Beginn wurden ein paar Tracks der bis dato erschienenen Werke zum Besten gegeben, die mit ihren Free-Jazz- und Noise-Elementen dem Publikum nicht unbedingt einen leichten Zugang zu der Darbietung ermöglichten. Es dauerte seine Zeit, bis man abseits der apokalyptisch anmutenden Sound-Eskapaden und ihren verspielten Keyboard-Einlagen von der charismatischen Stimme von Gitane Demone ergriffen wurde. Die präsentierte sich trotz des spärlichen gefüllten Raums gut gelaunt und machte mit ihren inzwischen 61 Jahren noch einen äußerst fitten Eindruck.

Gitane Demone QuartetIm Lauf des Gigs folgte mit „Ghost Rider“ eine Interpretation des bekannten SUICIDE-Songs sowie einige Klassiker von CHRISTIAN DEATH, darunter auch „Tales of Innocence“ vom „Atrocities“-Album (1986) sowie „Jesus, Where‘s the Sugar“ und „Incendiary Lover“ von „Sex and Drugs and Jesus Christ“ (1988), die allesamt eigenwillig und minimal arrangiert waren. Gerne hätte man noch Gitane Demone Quartet„Lament Over the Shadows“ oder „Gloomy Sunday“ vernommen, doch alles in allem war‘s musikalisch ein kurzweiliger Auftritt, der Beiträge unterschiedlicher Schaffensphasen miteinander kombinierte.

Optisch stand dabei stets Gitane mit ihrer fantastischen Ausstrahlung im Mittelpunkt, die hin und wieder von einigen Aktionen ihres Partners Rikk überrascht wurde. Der sauste nämlich während der gesamten Show wie ein Wiesel über die Bühne und verschwand auch mal – ohne sein Gitarrenspiel zu unterbrechen – im Backstage-Raum, schritt im Anschluss durchs Publikum, um kurz darauf beim verdutzten Mann hinterm Mischpult aufzutauchen und dort ein Solo abzuliefern. Gitane kommentierte das Geschehen mit den Worten, dass man sich nicht Gitane Demone Quartetwundern solle, das „sei ganz normal bei Rikk“.

Eine nicht minder seltsame Aktion lieferte Percussionist Karl J. Paloucek, dessen Solo-Alben sich auf elektro-akustische Klang-Collagen beschränken: Während eines längeren Instrumentalparks von Rikk und Deb rollte er plötzlich eine Rolle Zellophanfolie auf, befestigte diese an einem in die Höhe geschraubten Beckenständer und hielt von hinten einen Ventilator gegen die Folie. Ob der Gute zuvor einen Trip geworfen hatte oder das Ganze in Gitane Demone Quartetseinen Augen tatsächlich ein Klangerlebnis liefern sollte, ließ sich nicht in Erfahrung bringen – gehört hat man von diesem Sound-Experiment jedenfalls nichts. Und so wurde nicht nur musikalisch, sondern auch optisch etwas geboten. In der folgenden Umbaupause erfüllte Gitane jede Menge Autogrammwünsche und ließ sich auch gern in kleine Unterhaltungen verwickeln.

Dann wurde es Zeit für zwei elfenhafte schwarze Wesen, die das Podium in Trauerschleier gehüllt betraten. Als Intro wählte EVA O ein Duett mit sich selbst (vom Band) und schwang zum Playback theatralisch das Kreuz. Mit ihr auf der Bühne stand ihre Tochter Scarlet Dream, die sie am Bass begleitete. Aufgrund der Eva OBesetzung war klar, dass die Zuschauer kein brachiales Death-Rock-Höllenfeuer sondern eher sphärische Klagegesänge zu erwarten hatten. Und zu beklagen hat EVA O einiges, denn zwei ihrer Ehemänner – Rozz Williams und Edwin Borsheim von der Metal-Band KETTLE CADAVER – begingen Selbstmord. Sie war zudem (nach eigener Aussage) mit dem Serienmörder Richard „The Night Stalker“ Eva ORamirez (während seiner Haft) liiert, der 2013 im Gefängnis starb.

Eva scheint ein unruhiger Geist zu sein, sie hatte eine satanische Phase (zur Zeit ihrer Band SHADOW PROJECT – ebenfalls mit Rozz Williams), eine christliche und hat doch im Leben nie ihre Erfüllung gefunden. Ist man mit diesem Hintergrund vertraut, weiß man, warum ihre Auftritte oftmals wie Trauerfeiern wirken. Nach dem etwa zehnminütigen Opener folgten vom SHADOW PROJECT-Album „From the Heart“ die Songs „Static Jesus“, „By God“ und „Maybe Someday“. Die Scheibe aus dem Jahr 1998 war das letzte gemeinsame Werk von Eva und Rozz, die damals bereits getrennt waren, und enthält sehr persönliche Lieder, darunter „Forever Came Today“, das die Heirat der beiden thematisiert und vermutlich nicht auf der Setlist des Konzerts stand, weil es mit zu vielen Erinnerungen verbunden ist.

Man merkte Eva an, dass die Songs sie emotional tief bewegten und sie manchmal mit ihren Gedanken nicht in dem kleinen Frankfurter Kellerclub war, sondern in anderen Sphären schwelgte. Die Anwesenheit ihrer Tochter Eva OScarlet schien ihr dabei Kraft zu geben, den Gig zu meistern. Das Publikum nahm dies eher gerührt und wohlwollend statt negativ wahr, wobei es aber einigen Gästen auf die Dauer zu depressiv wurde, denn die Reihen lichteten sich im Verlauf des Sets merklich und nur die Die-Hard-Fans harrten bis zum Ende der Trauerfeier aus. Im Gegensatz zur rauen, schrägen Performance des GITANE DEMONE QUARTETs zuvor lieferte EVA O ein sehr reduziertes Akustik-Set, das äußerst zart und zerbrechlich daherkam. Somit war es ein äußerst abwechslungsreicher Konzertabend und vermutlich eine der letzten Gelegenheiten, die Schöpfer des amerikanischen Goth-Rocks noch einmal live erleben zu können.

Links: http://www.gitanedemone.net/, https://de-de.facebook.com/gitanegdq/, https://www.reverbnation.com/gitanedemonequartet, https://gitanedemonequartet.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Gitane+Demone+Quartet, https://www.facebook.com/MzEvaO/, https://www.reverbnation.com/evao, https://evao.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Eva+O

Text: Marcus & Chris / Fotos & Clips: Micha

Alle Bilder:

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