Das Bett, Frankfurt, 18.02.2020
Der Frankfurter Club „Das Bett“ bietet mit steter Regelmäßigkeit illustren asiatischen Künstlern eine Bühne. Ob SHONEN KNIFE, BRIDEAR oder MAN WITH A MISSION, meist geht es optisch wie musikalisch skurril zu – da machte auch das aus Tokio stammende Quintett FATE GEAR am gestrigen Abend keine Ausnahme. FATE GEAR entstanden im Jahr 2015, als Gitarristin „Captain“ Mina (rechts) ihre damalige Metal-Formation DESTROSE zu Grabe trug, um danach etwas Neues, Frisches zu schaffen. Dabei war es ihr wichtig, sich konzeptionell einem markanten Thema mit Wiedererkennungswert zu widmen, um sich von den unzähligen, ähnlich klingenden japanischen Girl-Acts zu unterscheiden.
Nach diversen Gesprächen mit Sängerin Nico kamen die beiden zu dem Schluss, dass Steampunk ein interessantes Thema sei, das sich sowohl lyrisch als auch visuell hervorragend darstellen ließe. Seither sind drei Alben erschienen und nach 2019 tourten die Mädels nun zum zweiten Mal mit ihrem Steampunk-Heavy Metal durch Europa. Allerdings schien das Konzept des Quintetts – zumindest was den Auftritt in Frankfurt betrifft – nicht ganz aufgegangen zu sein: Es fanden sich nämlich, im Gegensatz zu dem nahezu ausverkauften Gig von MAN WITH A MISSION (Bericht dazu hier), lediglich rund 100 Fans im Club ein. Und dies lässt sich leicht erklären, denn die Musik von FATE GEAR ist alles andere als eigenständig oder herausragend und die „Show“ wenig spektakulär.
Doch zunächst kurz zum Phänomen der unzähligen All-Girl-Metal-Acts aus Japan: Diese zehren in ihrem Heimatland zum einen von der großen Popularität deutscher Metal-Acts aus den 1980er Jahren, allen voran Bands wie HELLOWEEN, BLIND GUARDIAN und GAMMA RAY, zum anderen vom derzeitigen Trend von Kawaii-Metal-Künstlern wie BABYMETAL, ALDIOUS und NECRONOMIDOL, die inzwischen sogar schon US-Interpreten wie POPPY beeinflusst und reich gemacht haben. In Fernost werden alle genannten Acts hauptsächlich von verpickelten, pubertierenden Sesselpupsern – in Japan „Otakus“ genannt – konsumiert.
Hierzulande gelingt es sogar, mutmaßlich fehlgeleitete Metal-Fans zu den Konzerten zu locken, wobei sicherlich auch der Exotenbonus eine Rolle spielt, denn Künstler aus Japan sieht man hier nicht alle Tage. Und wenn es sich noch dazu um süße kleine Mädels handelt – die sich außerdem im männerdominierten Metal-Genre behaupten – dann scheint das auf den ersten Blick schon etwas ganz Besonderes zu sein. Ich weiß, wovon ich rede, falle ich doch selbst ein ums andere Mal wieder auf die Masche herein. Und natürlich kann man das Ganze auch durch die rosarote Fanbrille sehen, sich an den eingängigen Melodien und der Optik der Girls erfreuen.
Nüchtern betrachtet sind Formationen wie FATE GEAR jedoch ein generisch konstruiertes Produkt, das in erster Linie auf gewisse Vorlieben der Konsumenten abzielt und sich dabei so aalglatt präsentiert, dass niemand an Sound, Optik und Bühnenpräsenz Anstoß nehmen kann und eine möglichst breite Masse damit erreicht wird. Das funktioniert mal besser – wie bei BABYMETAL, die 2015 gut 1000 Besucher in die Batschkapp zogen (Bericht dazu hier) – und mal schlechter wie im vorliegenden Fall.
Problematisch dabei ist indes, dass Gruppen wie FATE GEAR viele Menschen anlocken, die gar keinen Bezug zu der Musik haben, lediglich Anime/ Manga- oder Cosplay-Fans sind und im festen Glauben vor der Bühne stehen, dass vor ihnen eine musikalisch herausragende Band agieren würde. Doch dem ist nicht so. Zwar lassen sich FATE GEAR grob in das Genre des europäisch/deutsch geprägten Power Metals einordnen, doch dieser lebt in der Regel von Kompositionen, in denen jeder Musiker kreative Elemente zu den Liedern beisteuert – das kann ein überraschender Keyboardpart sein, ein Gitarrenlead, das dem Song eine andere Stimmung verleiht oder ein Schlagzeug, das für kurze Zeit aus dem bestehenden Rhythmus ausbricht.
All dies sucht man bei FATE GEAR vergeblich. Stattdessen scheint es, als bemühe sich das Quintett, die eigenen Kompositionen möglichst glatt und massentauglich und getreu des Mottos „Bloß nicht auffallen“ darzubieten. Soll heißen, die Mädels haben überhaupt nicht den Anspruch, einen individuellen, eigenständigen Sound zu schaffen, sondern sie versuchen vielmehr, so zu klingen, wie es das Genre, in dem sich auch vergleichbare Gruppen wie BRIDEAR oder LOVEBITES bewegen, es vorgibt – eine Bankrotterklärung für jeden Musiker. Lediglich Sängerin Nana (die in Vertretung der eigentlichen Sängerin Nico den Auftritt bestritt) bildete hier eine Ausnahme, indem sie wenigstens stimmlich versuchte, einige Akzente zu setzen.
Das gesamte Œuvre von FATE GEAR war dennoch so uninspiriert und so seelenlos, dass es beim Zuschauen fast wehtat. Und so plätscherte der Gig ohne jegliche Highlights vor sich hin. Jeder Song klang gleich, was nicht zuletzt daran lag, dass Nana in jedem Track den Schlagzeug-Rhythmus mit kurzen „Woof-woof-woof“-Lauten begleitete. Um exakt 21:45 Uhr, also eine Stunde nach Beginn des Konzerts, ließ die Sängerin dann in gebrochenem Englisch verlauten: „This last song, we no time!“. Soso, dachte ich mir, dann war es ja gut, dass ich diesmal nicht erst um zehn das Haus verlassen hatte. Doch warum eigentlich „no time“? Der Folgegig sollte zwar am nächsten Tag im belgischen Huy stattfinden, doch der Ort ist bequem binnen dreieinhalb Stunden zu erreichen. Und dass in „Das Bett“ inzwischen um 22 Uhr Schicht ist, wäre mir auch neu.
Zur Strafe, Verzeihung, als Zugabe gab‘s dann noch den „Imperial March“ (?) aus „Star Wars“ – aus welchen Gründen auch immer. Unterm Strich bot der Aufritt all das, für das der Metal – welcher Couleur auch immer – nicht stehen sollte: Uninspirierte Songs, eine biedere Performance und ein an den Mainstream angelehntes Bandkonzept. Notiz am Rande: Vor dem Konzert hatten Besucher noch die Möglichkeit, zu einem erhöhten Eintrittspreis ein Meet & Greet mit FATE GEAR wahrzunehmen – was vermutlich ein großer Spaß war, bei den nicht vorhandenen Englischkenntnissen des Quintetts.
Links: https://fategear.jp/, https://de-de.facebook.com/fategearjapan/, https://www.last.fm/de/music/fate+gear
Text: Marcus / Fotos: Eric, https://www.flickr.com/photos/vanreem
Alle Bilder: