Nachtleben, 16.04.2012
Häufige Konzert-Gänger mögen es nachempfinden können. Wenn man bereits hunderte von Shows erlebt hat, dann sind das Kribbeln, der Kick und die Vorfreude auf ein weiteres Live-Event nicht mehr so vorhanden wie noch bei den ersten Gigs, die man vor langer Zeit als Jugendlicher besucht hat. Doch diesmal war wie früher das Kribbeln da und die Vorfreude wieder riesengroß. Im Nachtleben gab sich nämlich mit FLIPPER eine Legende die Ehre. Die Band hatte sich 1979 in San Francisco gegründet und generierte mit ihrem unkonventionellen, verzerrten Gitarrensound, den dominanten Bass-Läufen und dem depressiven, rotzigen Sprechgesang die Blaupause für den Noise- und Hardcore-Punk, der in den frühen Achtziger Jahren entstehen sollte. FLIPPER diente Generationen von nachfolgenden Bands als Inspiration, darunter auch bekannten Acts wie den MELVINS und NIRVANA.
Die Erwartung war also groß und um keine Minute des Auftritts zu verpassen, hatten sich bereits früh am Abend einige Frankfurter Punk-Veteranen im Club an der Konstablerwache eingefunden, die alsbald Zeugen wurden, wie der Bandbus, gelenkt von Sänger Bruce Loose persönlich, vor der Location parkte.
Bevor es aber losging, wurde die Geduld des Publikums noch auf eine harte Probe gestellt. Irgendwo zwischen Klaus Lage und Matthias Reim angesiedelt, malträtierte die Band SIMON REVERB, die ohne Drummer angereist war und im Laufe des Gigs auch noch ihren Basser wegen technischer Probleme verlor, die Anwesenden und sorgte dafür, dass sich der Keller im Minutentakt leerte. Wer diese Band vor FLIPPER gebucht hat, dem sei ein Volkshochschulkurs zum Thema Punk empfohlen.
Doch dann war der Moment gekommen, auf den die etwa 50 Besucher gewartet hatten. Die Amerikaner betraten die Bühne und schufen vom ersten Gitarren-Akkord an eine unheilvolle, beklemmende und zugleich hypnotische Atmosphäre, die besonders vom unorthodoxen Gitarrenspiel des Vietnam-Veteranen Ted Falconi geprägt wurde. Der Mann mit den langen Dreads, der Gandalf des Punk- Rocks, entlockte seinem Instrument beinahe magische Klänge, die das Publikum unmittelbar in ihren Bann zogen und nicht mehr losließen.
Falconi gehört neben Loose und Drummer Steve DePace zum Original-Lineup der Band, ersetzt wurde lediglich der Bassist Will Shatter, der 1987 an einer Überdosis starb. Seinen Platz nimmt seit 2009 (zuvor hatte der ehemalige NIRVANA-Basser Krist Novoselic ein Intermezzo in der Band gegeben) Rachel Thoele ein, die sich mit ihrer starken Bühnenpräsenz perfekt einfügt.
Nachfolgend zelebrierte die Band alte wie neue Songs der bisherigen vier Studio-Scheiben, ohne dabei einer festen Playlist zu folgen. FLIPPER entschieden nach jedem dargebotenen Song aufs Neue, was als nächstes gespielt werden sollte, wobei sie auch spontan auf Zurufe der Gäste reagierten. In und zwischen den Liedern verbreitete Bruce Loose seine depressiven Philosophien, die im Zusammenhang mit der Musik wie ein Soundtrack zum Untergang wirkten. Fehlen durften dabei natürlich nicht „Ha Ha Ha“, das wohl bekannteste Stück der Band, und andere Klassiker wie „Ever“, „Life“ oder „Way
of the World“. Das Quartett variierte zwischen ihren typischen Mid-Tempo-Songs und einigen schnelleren Punk- Tracks, wobei Bruce ständig rastlos auf der Bühne umherwanderte und den Liedern mit seiner markanten Mimik und Gestik Nachdruck verlieh.Den Abschluss des Gigs bildete „Sex Bomb“, ein weiterer Klassiker, bei dem Bruce den Bass betätigte und Rachel die Vocals übernahm. Sie organisierte sich noch einen Co-Sänger aus dem Publikum, der sichtlich Spaß hatte, den Song auf der Bühne performen zu dürfen. Die eigentlich fünfminütige, finstere und stampfende Groove-Hymne wurde auf gefühlte 15 Minuten ausgedehnt und von den Fans lautstark mitgegrölt.
FLIPPER legten einen beeindruckenden Auftritt hin, der jeden der leider nur wenigen Besucher begeisterte. Jeder, der sich für Punk, dessen Ursprünge und Geschichte interessiert und an diesem Abend nicht im Nachtleben war, hat wohl eines der besten Konzerte seines Lebens verpasst.
Links: http://www.flipperrules.com/, http://www.myspace.com/flipper
Text & Fotos: Marcus
Clip: am Konzertabend aufgenommen von ashtonpop
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