Zoom, Frankfurt, 3.03.2017
Was könnte ich über Fred und Toody nicht alles schreiben. Beispielsweise, dass die beiden in dem Jahr geheiratet haben, in dem ich geboren wurde. Oder dass ich DEAD MOON, die Band, mit der das Pärchen aus Oregon knapp 30 Jahre durch die Lande tourte, wohl öfter live gesehen habe als jede andere Formation. Denn abgesehen davon, dass das Paar den Rock‘n‘Roll wie kein zweites auf dieser Erde lebte, kombinierten die Amerikaner knarzenden, rauen Garage-Punk mit finsterem Blues aus der Hölle und trafen damit meine musikalischen Vorlieben genau. Songs wie „Dead Moon Night“, „Walking On My Grave“, „Dagger Moon“ oder „54/40 or Fight“ sind noch heute Teil des Soundtracks, der mich durchs Leben begleitet.
Allerdings waren DEAD MOON beileibe nicht die erste Combo von Gitarrist und Sänger Fred Cole, los ging‘s bereits 1964 mit den LORDS (aus Las Vegas), es folgten die WEEDS (1966-68), LOLLIPOP SHOPPE (1968-69), ZIPPER (1972-75) und KING BEE (1976-78). Nachdem er seiner Frau Kathleen „Toody“ das Bassspielen beigebracht hatte, kam es zu gemeinsamen Projekten wie den RATS (1980-84), der WESTERN FRONT (1985-86) und den RANGE RATS (1986-87), bevor schließlich DEAD MOON gegründet wurden, die zwischen 1987 und 2006 existierten und sich erst auflösten, nachdem Schlagzeuger Andrew Loomis wegen der Folgen seines Alkoholkonsums nicht mehr in der Lage war, seinen Job hinter der Schießbude ausüben zu können.
Fred und Toody machten dennoch weiter, mit dem neuen Drummer Kelly Halliburton (u. a. DEFIANCE und P.R.O.B.L.E.M.S., Review siehe hier) und unter dem Namen PIERCED ARROWS, über die wir auch schon berichtet haben (hier). Im April 2014 dann der Schock: Als das Paar zur Premiere der DEAD MOON-Film- Doku „Unknown Passage“ als Special Guest auftreten sollte, wurde der Auftritt kurzfristig abgesagt, da Fred eine Not-OP an seinem Herzen über sich ergehen lassen musste. Einige Monate später folgte schließlich ein Statement auf der offiziellen Website, in dem das Ende der PIERCED ARROWS bekannt gegeben wurde, da Fred nicht mehr in der Lage sei, seine Gitarre zu halten. Für die Fans war das eine traurige Nachricht, hatte man doch zumindest auf eine Abschiedstour gehofft…
Anfang des Jahres wurde bekannt, dass die beiden im Rahmen einer Unplugged- Tour noch einmal nach Europa kommen und dabei einen Querschnitt ihres Schaffens darbieten würden. Ein Anlass, der sogar mich, der ich grundsätzlich nie eine Karte im Vorfeld erwerbe, dazu bewegte, dies zu tun. Allerdings wäre es nicht nötig gewesen, denn der Club Zoom war am gestrigen Abend bestenfalls zu zwei Dritteln gefüllt und viele langjährige Fans und Begleiter der Band, die es durchaus in Frankfurt gibt, waren schlichtweg nicht vor Ort – Schande über Euch. Der Stimmung tat dies jedoch keinen Abbruch. Vor der Bühne hatte sich eine Zuschauertraube gebildet, die gespannt darauf wartete, dass sich Fred und Toody auf die beiden bereitgestellten Stühle setzen würden.
Nachdem das Pärchen zuvor noch DEAD MOON-Shirts am Merchstand veräußert hatte, die reißenden Absatz fanden, betraten die beiden etwa gegen Neun das Podest. Fred, wie seine Frau 68 Jahre alt, machte dabei einen recht klapprigen Eindruck und war sichtlich froh, als er auf seinem Stuhl Platz nehmen konnte. Als die beiden jedoch loslegten, war‘s fast wie früher. Allerdings nur fast, denn etwas gewöhnungsbedürftig war es zunächst schon, aggressive Stücke wie „Fire in the Western World“ und „Walking On My Grave“ in abgespeckten Versionen ohne Schlagzeug zu hören. Je länger der Gig dauerte, desto besser wusste die Darbietung jedoch zu gefallen, zumal die herrlich kaputte Stimme von Fred in dieser Konstellation mehr im Mittelpunkt stand als bei bisherigen Konzerten.
Die Songauswahl konnte sich ebenfalls hören lassen. Neben einigen alten Klassikern der RATS bestand das Gros des Sets aus DEAD MOON- Tracks, von PIERCED ARROWS waren lediglich zwei, darunter „Caroline“, mit von der Partie. Ansonsten wurden natürlich die eingangs erwähnten Lieder gespielt sowie Klassiker wie „Down the Road“, „I Hate the Blues“, „Johnny‘s Got a Gun“ und „Running Out of Time“. Nach dem regulären Set, das etwa 20 Songs umfasste, gönnten sich die beiden eine kleine Pause, gingen, einander stützend, in den hinteren Bereich der Bühne, umarmten sich, und kamen dann noch einmal für eine Zugabe zurück. Als letzte Titel wurden schließlich „Out in the Blue“, „It‘s Okay“ und das Elvis-Cover „Can‘t Help Falling in Love With You“ dargeboten, bei dem sich die beiden tief in die Augen blickten und so verliebt wirkten, also ob sie sich gerade kennengelernt hätten. Schön zu sehen, dass man auch nach 50-jähriger Ehe noch so viel füreinander empfinden kann…
Als DEAD MOON-Fan bin ich natürlich befangen, was die Beurteilung des Auftritts betrifft, denn vermutlich würde ich auch Eintritt zahlen, wenn die beiden lediglich eine Flasche Whisky auf der Bühne leeren würden. Mit dem brachialen und wüsten Garage-Punk- Gewitter vergangener Tage hatte der Gig nichts zu tun, zudem traten alte, aber charmante Makel deutlicher zum Vorschein: Da wurde mal ein Einsatz vergeigt, der zweistimmige Gesang war selten synchron und über Toodys Sangeskünste mag man ohnehin streiten. Andererseits sind es Dinge wie diese, die DEAD MOON stets sympathisch machten, da sie eben nicht perfekt, glatt und gewöhnlich waren, sondern immer ihren ganz eigenen Weg beschritten. Ich hab mich jedenfalls wie Bolle gefreut, die beiden noch mal live erleben zu dürfen. Und aufgrund des Gesundheitszustandes von Fred wage ich mal die Prognose, dass das gestrige Konzert meine letzte Begegnung mit Fred und Toody gewesen sein dürfte. Insofern war‘s für mich ein schöner Abschluss mit einer Band, die mich jahrelang musikalisch begleitet hat und deren Songs mich auch weiterhin begleiten werden. DEAD MOON forever.
Links: http://www.deadmoonusa.com/, https://www.facebook.com/Dead-Moon/, https://myspace.com/deadmoonusa, https://www.last.fm/de/music/Dead+Moon, https://www.facebook.com/PiercedArrows/, https://myspace.com/piercedarrowspdx, https://www.last.fm/de/music/Pierced+Arrows
Text: Marcus / Fotos & Clip: Kai
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