FRONT

Exzess, Frankfurt, 6.03.2015

FrontEs ist bereits das zweite Mal, dass wir in diesem Blog über die Wiesbadener FRONT berichten, obgleich man den Namen in unserer Liste bisher nur einmal finden wird. Des Rätsels Lösung ist einfach, denn beim Konzert von EISENPIMMEL im Oktober 2013 (Bericht hier) waren FRONT als Support mit von der Partie, damals unter dem Pseudonym HODEN AUS STARKEM STAHL (kurz H.A.S.S.) als Hommage an die Duisburger Asi-Punks. Allerdings war dies ein einmaliger Gag und so stand das Quartett diesmal unter seinem seit 2003 bekannten Namen auf der Bühne. Ursprünglich als Cover-Band gegründet, die sich schwerpunktmäßig den Songs deutscher Punk/Wave-Acts wie MALE, S.Y.P.H. und MITTAGSPAUSE widmete, blickt die Formation mittlerweile auf drei Longplayer und ein Mini-Album zurück, die allesamt mit starken eigenen Songs zu überzeugen wissen.


Dabei orientiert sie sich – musikalisch wie inhaltlich – an den großen Vorbildern der 1980er Jahre, präsentiert das Ganze aber im Zeitgeist des neuen Jahrtausends. Soll heißen, FRONT machen intelligenten Deutschpunk abseitsFront der üblichen Platitüden, der aber ordentlich lärmt und sich deutlich vom emo-orientierten Betroffenheits- Punk von Combos wie EA80 und FLIEHENDE STÜRME unterscheidet. ABWÄRTS und FEHLFARBEN dürften die Haupteinflüsse der Jungs aus der Landeshauptstadt sein, aus dem sie ihren ganz eigenen Stil geschaffen haben.

Als Opener des gestrigen Abends im Frankfurter Exzess fungierte das aus Goslar stammende Rockabilly-Trio FANCY DOLLS, von dem ich Frontallerdings nur noch einen Song mitbekam und mir daher kein Urteil erlaube. Rockabilly im Exzess zu erleben war aber etwas seltsam.

FRONT dürften etwa gegen halb zwölf die Bühne des gut gefüllten Exzess betreten haben und wurden unter dem tosenden Beifall eines zum Teil aus Wiesbaden angereisten Fanclubs begrüßt. Optisch war von nun an Endzeitstimmung angesagt. Die Band präsentierte sich ganz in Schwarz und mit FrontSonnenbrillen, der Basser war gar mit einer Gasmaske vermummt. Die alten Backstein- Mauern und die düstere rote Beleuchtung lieferten das passende Ambiente dazu, lediglich etwas Nebel hätte noch gefehlt, um die Location zum Schauplatz eines Endzeit-Movies zu machen. Ich vermute allerdings, dass die Anwesenden ganz froh darüber waren, dass es keinen Nebel gab.

Als die Jungs um Sänger Falk Fatal loslegten, wurde schnell klar, dass die Band mit großer Ernsthaftigkeit zu Werke ging. Hier stand keine Asi-Combo auf der Bühne, die nur wegen kostenloser Biere angereist war und auch kein Frontmoderner Schlager-Act wie FEINE SAHNE FISCHFILET, der seine Botschaften in klebrigem Zuckerguss feilbietet. Sondern eine Formation, die ernsthafte Themen, verpackt in aggressiven Songs, in die Gehörgänge des Publikums prügelte. Ob Konsumterror, Überwachungsstaat, Medienmanipulation, Hipsterkultur oder „Onanie & Alltag“ (sic), die lyrische Bandbreite von FRONT mag zum Punk-Standard (besonders der Achtziger Jahre) gehören, doch wie die Truppe die Themen in ihren Stücken aufarbeitet ist für Deutschpunk-Verhältnisse recht ungewöhnlich und knüpft dort an, wo Combos wie ABWÄRTS, FEHLFARBEN, KALTWETTERFRONT, NICHTS, MALE und MITTAGSPAUSE auf dem Höhepunkt ihres Schaffens aufgehört haben.

FrontEine intellektuelle Überfrachtung brauchte man gestern dennoch nicht zu befürchten, denn zum einen hielten sich Falks Ansagen in Grenzen, zum anderen war der Sound der Wiesbadener zu brachial, zu rau und zu mitreißend und forderte vor allem das Rhythmus-Gefühl der Besucher. (Jetzt-Schon-)Klassiker wie „Neonlicht“ oder Front„Prada Meinhof“ wurden zwar textsicher von den Fans mitgegrölt, für die übrigen Gäste, die erstmals mit der Band konfrontiert wurden, musste die Aufarbeitung der Texte aber Zuhause, mit dem erworbenen Tonträger erfolgen. Dargeboten wurde ein Querschnitt der Veröffentlichungen sowie Coversongs wie zum Beispiel „Computerstaat“ von ABWÄRTS. Frontmann Falk fegte dabei wie ein ADHS- Kranker im Koffeinrausch über die Bühne und durch das Publikum, was es für uns schwer machte, den Mann mit den Kameras einzufangen. Einige Beweisaufnahmen seines Schaffens sind uns dennoch geglückt.

FrontFRONT lieferten eine feucht-fröhliche Punk-Party, die großen Spaß gemacht hat und den Rezensenten wundern lässt, warum die Jungs nicht bereits zu den ganz großen Deutschpunk- Acts unseres Landes zählen. Verdient hätten sie es. Wer harten, aber dennoch melodiösen Deutschpunk abseits gängiger Klischees liebt, ein Faible für die Punk-Musik der Achtziger Jahre hegt und mit einer oder auch allen der oben genannten Bands etwas anfangen kann, dem seien FRONT ans Herz gelegt. Mehr FRONTales Gedankengut gibt es unter den nachfolgenden Links sowie unter www.trashrock.de, einem vom Sänger betriebenen Webzine, das Reviews, Konzerttipps und die Online-Ausgaben seines Fanzines „Der gestreckte Mittelfinger“ enthält. Reinschauen lohnt sich.

Links: http://front-punk.de/, http://frontpunk.bandcamp.com/

Text & Fotos: Marcus / Clip: Stefan

Alle Bilder:

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