Elfer Music Club, Frankfurt, 10.11.2014
Eine Frage in die virtuelle Runde: Zu welcher Zeit würdet Ihr bei einem Konzert aufkreuzen, wenn es im Programmheft „Einlass: 19 Uhr“ heißt? Vielleicht um 18:50? Oder um 19:05? Nun, ich bin in den letzten 30 Jahren immer gut damit gefahren, etwa eine Stunde nach der offiziellen Einlasszeit vor Ort zu sein; los ging’s dann meist eine halbe Stunde später. Exakt so habe ich dies auch am gestrigen Abend praktiziert. Als ich jedoch um kurz nach acht den Elfer erreichte, hatten bereits zwei der vier angekündigten Bands gespielt. Nicht, dass ich unbedingt scharf darauf gewesen wäre, mir die englische Crossover-Combo MALEVOLENCE und das Bay Area Death Metal-Pack FALLUJAH anzuschauen, aber seltsam war es irgendwie schon, dass der halbe Konzertabend bereits um acht vorbei war.
Ein weiteres Novum für mich war die Tatsache, dass oben an der Tür ein Zettel mit der Aufschrift „Ausverkauft!“ prangte, auch dies hatte ich bisher noch nicht erlebt, auch wenn’s bei einigen Gigs – beispielsweise bei TOXOPLASMA einige Tage zuvor – doch recht voll war. Schätzungsweise 50 Besucher mussten daher wieder den Heimweg antreten, ich hatte ausnahmsweise im Vorfeld ein Ticket erworben und freute mich somit auf den dritten Act des Abends, der für mich die erste sein sollte.
Und dies waren GOATWHORE aus New Orleans, die (mittlerweile) klassischen Thrash-Metal der alten Schule machen, der hier und da mit etwas Black Metal-Attitüde gewürzt ist, sich aber stets näher an MOTÖRHEAD anlehnt, denn an MARDUK und Konsorten. Der Heimatstadt New Orleans huldigt man textlich mit Geschichten über Hexen, Dämonen, Tod und Teufel und natürlich Voodoo. Dies ist zugegeben nicht das originellste Konzept, aber eines, das trefflich zum Sound und zum Image des Quartetts passt. Gegründet wurde die Band vom ehemaligen CROWBAR-Gitarristen Sammy Duet im Jahr 1996, seither hat sich des Öfteren das Personal-Karussell gedreht, sodass Duet inzwischen das einzig verbliebene Mitglied der Ur-Formation ist, wobei auch Shouter Louis Benjamin Falgoust bereits seit über 15 Jahren Teil der Formation ist und bisher alle Scheiben – das Debüt „The Ecplipse of Ages into Black“ erschien im Jahre 2000 – eingesungen hat. Dennoch merkte man, dass Duet der Boss auf der Bühne war und zudem jemand ist, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte.
Noch vor Beginn des Gigs, als ein kurzer Soundcheck durchgeführt wurde, mit dem Duet nicht wirklich zufrieden war, machte er den Mann hinterm Mischpult fortan mit Sprüchen wie „I can see you… I look at you right now… I’m watching you, dude!“ nervös, sodass es einige Minuten dauerte, bis ein für Duet akzeptabler Sound gefunden wurde. Dann konnte es losgehen, mit einem Oldschool- Thrash-Brett, das sich gewaschen hatte. Bereits optisch mit den Stilmitteln von frühen 80s-Bands aufwartend – Dresscode Black, Lederkutten und Nietenarmbänder – knüppelten die Jungs ihre Hymnen in der Präzision einer von Dämonen besessenen Nähmaschine herunter und sorgten besonders bei den langhaarigen Bangern in den ersten Reihen für Begeisterung.
Musikalisch kann man den Sound GOATWHOREs als eine Mischung aus frühen EXODUS und OVERKILL bezeichnen, das Ganze ist also klassischer Thrash, mit ebensolchen Posen. Und die wirkten bei Sänger Louis hier und da ungewollt komisch, meist dann, wenn der Gute während der Gitarrensoli von Sammy anfing, Luftgitarre zu spielen. Das war zwar sympathisch, vertrug sich aber nicht unbedingt mit dem Bad-Boys-Image der Jungs und Songtiteln wie „The All-Destroying“ und „Apocalyptic Havoc“. Unterm Strich war’s für mich dennoch ein herausragender Gig, was aber auch daran liegen mag, dass die Band neben TOXIC HOLOCAUST mein absoluter Fave unter den Neo-Thrashern ist.
Als GOATWHORE nach etwa 45 Minuten das Podest verlassen hatten, folgte eine äußerst lange Umbaupause. Und dies nicht nur, weil der Headliner DYING FETUS nur als Trio agierte, sondern auch weil für deren Drummer ein Schlagzeug aufgebaut wurde, das weitaus gigantischer war als das von GOATWHORE und zudem aussah, als ob es von der NASA entwickelt wurde. Das Teil zu montieren und im Anschluss einen Soundcheck durchzuführen, nahm gut eine halbe Stunde in Anspruch. Inzwischen waren die Langhaarigen größtenteils aus den ersten Reihen verschwunden und durch kurzhaarige Vollbartträger ersetzt worden, zudem hatten sich nun weitaus mehr Menschen als noch bei GOATWHORE eingefunden.
DYING FETUS praktizieren sogenannten Technical Death Metal, eine spieltechnisch komplexe Variante der ursprünglichen Spielart, die aber nicht minder brutal ist. Aktiv ist die Band bereits seit den frühen Neunzigern, seither sind sieben Alben mit stets wechselnder Besetzung entstanden. Einzige Konstante in der Band ist Gitarrist und Growler John Gallagher (rechts). Als das Trio auf der Bühne endlich loslegte, brach im kleinen Konzertraum die Hölle los und es wurde schwierig mit dem Fotografieren. Ob Slamdance, Stagedive oder Circle-Pit, es wirkte, als ob der Mob auf einem Tretminenfeld Sackhüpfen spielen würde. Ich schaute mir das Spektakel verwundert an, konnte die Begeisterung aber nicht wirklich teilen. Okay, das, was die aus Annapolis in Maryland stammenden Jungs technisch boten, war allererste Sahne und ist vermutlich im (Technical) Death Metal-Genre konkurrenzlos, dafür aber ging mir die Musik bereits nach dem dritten Song gehörig auf den Sack, weil ich sie als relativ langweilig und eintönig empfand.
Die Tracks bestanden alle aus einer Mixtur aus gegrunzten Vocals, Blastbeats und komplexen Gitarrensoli, wobei ich letztere als gleichermaßen nervig wie überflüssig empfand. Da sich zudem nahezu alles im gleichen Mid- bis Up-Tempo bewegte und wenig Abwechslung bot, war die Performance von DYING FETUS nicht wirklich mein Fall. Aber die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden und das Gros der Anwesenden haben diese „RUSH des Death Metal“ durchaus begeistert.
Links: http://www.goatwhore.net/, https://myspace.com/goatwhore, http://www.lastfm.de/music/Goatwhore, https://www.facebook.com/DyingFetus, https://myspace.com/dyingfetus, http://www.lastfm.de/music/Dying+Fetus, http://dyingfetus.bandcamp.com/
Text und Fotos: Marcus
Clip: aufgenommen am Konzertabend von VodkaViolator
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