Colos-Saal, Aschaffenburg, 30.01.2020
„Überschaubar“ wäre geschmeichelt. Während sich sonst um 19 Uhr vor dem Eingang des Aschaffenburger Colos-Saal die Menschen stapeln, warteten wir dieses Mal zu dritt auf Einlass – zwei Frankfurter und ein Würzburger, die sich in der Mitte trafen, um etwas ganz Besonderes zu erleben: GOLD aus Rotterdam. „Gibt es eine Vorband?“ fragten wir uns und tendierten zu Nein. Wer sollte das auch sein, überlegte der Würzburger weiter: „Wer passt denn zu GOLD?“ Eine gute Frage, schwer zu beantworten. Dass der Konzertgänger aus der Heimat des Hammer Of Doom sich ein Line-Up mit DOOL sowie MOLASSES gewünscht hätte hängt wohl mit seiner Verehrung für THE DEVIL’s BLOOD zusammen, die er auf einem früheren HoD schätzen lernte, deren Mastermind inzwischen durch Suizid verblichen ist und dessen ehemalige Mitstreiter sich bei den erwähnten Formationen finden lassen bzw. ließen.
Von den weihrauchgeschwängerten Ritualen der Okkult-Rock-Überflieger hat sich deren Gitarrist Thomas Sciarone bei GOLD längst emanzipiert – das wahre Unheil: Man braucht kein inneres Auge, um es zu erblicken. Eine Woche nach dem Aschaffenburger Auftritt sowie einen Tag nach der Wahl des mit Stimmen der AfD ins Amt gehobenen FDP-Ministerpräsidenten in Thüringen sowieso nicht mehr. „Für mich ist das echte Leben oft dunkler als jede Form von künstlich erschaffener Spiritualität“, so Sciarone gegenüber Christina Wenig im Metal Hammer. Sängerin Milena Eva ergänzt fragend im Rock Hard: „Warum sollte man sich finstere Geschichten über das Böse ausdenken, solange man auf die täglichen Nachrichten zurückgreifen kann?“ Eben.
Musikalisch starteten GOLD 2012 mit „Interbellum“ noch weit hardrockiger und gewöhnlicher als auf den drei später erschienenen Platten, in denen sich der klangliche Fokus extrem erweiterte und Einflüsse düsterer, aber eben nicht okkulter Bands wie etwa JOY DIVISION spürbar wurden. Post-dies oder Post-jenes, anspruchsvoll, aber nicht schräg zusammengebastelt sowie mit extrovertierten Texten des wachen und reflektierenden Geistes von Milena Eva; dargebracht von einem Sextett mit drei (!) Gitarristen, die alle ein exzessiv filigranes Tempo erzeugen, ohne allerdings dem von beispielsweise amerikanischen Combos evozierten Begriff der „Gitarren-Armee“ zu entsprechen.
Verfolgt man die Berichterstattung der Fans im Forum des Deaf Forever, so war Aschaffenburg mit unterm Strich knapp 50 Besuchern auf dieser Tour kein Einzelfall. Bratislava: 30 Gäste, Hamburg keine 60, das Kölner MTC schlecht besucht – der Kölner Auftritt während ULTHAs „Unholy Passion Fest“ im Dezember 2019 war da eine Ausnahme, die den Musikern laut eigener Aussage auch eine Menge Spaß machte. Trotz der jugendlichen, toxischen Männlichkeit in ENDSTILLE-Gewandung, die Milena Eva’s Seelenstriptease nicht wahrnehmen wollte und direkt vor ihrer Nase rumpöbelte. Sciarone grinste dementsprechend nicht halb so breit am Merch wie in Köln, wer will es ihm verdenken.
Die Intensität der knapp 70 Minuten Darbietung litt darunter jedoch nicht. Mit neun Stücken lag der Fokus ganz klar auf dem aktuellen Dreher „Why Aren’t You Laughing“ – eine Frage, die sich Frauen von Männern oft stellen lassen müssen, wenn ihr Gesichtsausdruck keine Begeisterung über das Hier und Jetzt zu illustrieren scheint. Kommt umgekehrt so häufig vor wie niveauvolle Kommentare bei einer Fastnachts-Veranstaltung. Drei Tracks stammten vom ebenfalls herausragenden Vorgänger „Optimist“ (2017), einer von „No Image“ (2016). Die Fingerübung „Interbellum“ wurde nicht bedacht, das war auch gut so – beileibe kein schlechtes Album, aber absolut banal gegen die späteren Werke.
Für das spärlich vorhandene, aber bunt gemischte Publikum – da standen neben Black Metallern und Hardrock-Connaisseuren auch relativ unbeteiligt wirkende, aber höflich klatschende Menschen, die den Eindruck erweckten, man hätte sie von der Straße geholt, damit der Raum nicht so leer wirkte – gab es gar keine Mitteilungen, von zweimal „Thank You“ abgesehen. Zwischen den Musikern gab es jedoch die Blickkontakte sowie Interaktionen zuhauf – wortlose Absprachen, respektvolles Abwarten, gemeinsames Eskalieren. Die Stücke von GOLD sind in ihrem Individualismus, ihren Klangfarben oder Worten eine Entdeckung wert und es wäre sehr schade wenn das in Zukunft nicht anerkannt werden würde. Auch, wenn Milena Eva (wiederum im Rock Hard) sich keine Illusionen macht: „Unser Ziel bestand nie darin, kommerziell erfolgreich zu sein. Uns ging es immer nur um einen ehrlichen künstlerischen Ausdruck.“ GOLD besuchen Deutschland Ende 2020 nochmal und bespielen das Gloomaar Festival in Neunkirchen (21.11.), weiter bestätigt sind dort bisher TIDES FROM NEBULA aus Warschau. Ausdrückliche Empfehlung. Bis dahin.
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Text, Fotos & Clip: Micha
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