Batschkapp, Frankfurt, 17.05.2016
„Jam-Bands“? Bands, die Marmelade spielen? Mitnichten. Der „Jam-Rock“ ist eine amerikanische Musikform, die bei uns in Europa nur durch wenige Formationen bekannt geworden ist. THE GRATEFUL DEAD sind die Mutter dieser Spielart, dicht gefolgt von der ALLMAN BROTHERS BAND. Bei beiden hat Gitarrist Warren Haynes (rechts), Jahrgang 1960, seine Spuren hinterlassen. Mit seiner eigenen Combo GOV’T MULE (kurz für GOVernmenT MULE) gab er vier Konzerte in Deutschland, von denen eins netterweise in der Frankfurter Batschkapp stattfand. Und die war extrem gut besucht – erstmals seitdem ich in diese „neue“ Konzertstätte gehe, war sogar die Empore geöffnet.
Nur Frankfurter füllten den Kulttempel allerdings nicht. Aus ganz Deutschland pilgerten die Jünger in die Kapp und hoben den Altersdurchschnitt ein stolzes Maß nach oben. Einen lokalen Gitarrenschwinger, selber kürzlich 50 geworden, faszinierte der Umstand, dass er mal nicht zu den ältesten Gästen eines Konzerts zählte, so sehr, dass er sich nicht mehr einbekam vor bösen Witzen zur Bedürftigkeit der Betagten im Saal, die entweder volles, graues Haar oder eben kaum noch welches trugen. Dabei hatten die älteren, reiselustigen Herrschaften ihm durchaus etwas voraus: Zum Beispiel das Wissen um die Klasse des Ausnahmequartetts, das auf der Bühne „jammte“. Und bei dem jeden Abend eine andere Setlist dargeboten wird.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Jam-Bands. Die GRATEFUL DEAD machten jede Hütte voll, weil das Publikum ihnen hinterherfuhr. Bei den ALLMAN BROTHERS oder eben GOV’T MULE ist das zum Teil auch so. Ein weiteres ist, dass sich bei solchen Konzerten in der Regel mitgebrachte Mikrofone in die Höhe strecken, weil Jam-Bands das Mitschneiden oft erlauben. Warren Haynes tut das wohl auch – der Fuchs hat jedoch selbst die lukrative Geschäftsidee umgesetzt, jeden Auftritt aufnehmen zu lassen und dann per Homepage weltweit zu verticken. Mikrofone reckten sich jedenfalls nur am Mischpult in die Höhe. Eine Idee, die METALLICA seit einigen Jahren kopiert und damit finanziell sicher nicht schlecht fährt.
Drei Tage zuvor in Holmfirth, England besuchte der Bluesgitarrist Bernie Marsden die Herren von GOV’T MULE auf der Bühne, um u. a. „Ain’t No Love in the Heart of the City“ zu zocken – ein Cover von Bobby „Blue“ Bland, welches Marsden Anfang der Achtziger bereits mit seiner damaligen Formation WHITESNAKE spielte (als die noch den Blues hatten und bevor sie sich, auch musikalisch, die Haare toupierten). Solch einen Gaststar hatte Frankfurt leider nicht zu bieten – Coversongs gab es aber auch bei uns. Was durchaus zum Konzept von GOV’T MULE gehört. Neben ihren Studioalben mit eigenen Kompositionen veröffentlichen sie regelmäßig Kollaborationen mit anderen Musikern (gerade läuft bei mir die superbe „Sco-Mule“ mit dem Jazzgitarristen John Scofield) oder Livemitschnitte von Events, bei denen sie komplette Alben anderer Künstler zum Besten geben. Scheiben von LED ZEPPELIN oder PINK FLOYD beispielsweise. Je nach musikalischer Art der Ursprungsband wird dann mal mehr, mal weniger verändert.
Selbst vor Reggae bzw. Dub schrecken sie nicht zurück. Analog zu einem Jazzquartett starten GOV’T MULE mit einem Thema und spielen dann wild drauflos – die Augen der Akteure an Drums, Bass und Orgel (und auch mal Posaune) dabei auf den Boss gerichtet. Haynes bestimmt eindeutig – anders als bei den ALLMAN BROTHERS, bei denen er sich mit Gitarren-Kollegen wie Derek Trucks abstimmen musste oder mit Dickey Betts vor Trucks. Betts schied schon vor langer Zeit bei den ALLMAN BROTHERS aus – GOV’T MULE-Schlagzeuger Matt Abts kam ursprünglich von dessen Band, während die anderen Gründungs-Mitglieder Haynes sowie der 2000 verstorbene Bassist Allen Woody von den ALLMAN BROTHERS stammten.
Immer wieder werden in den Jams andere Songs zitiert (in Frankfurt unter anderem „Who Do You Love“), während andere Stücke komplett gecovert werden (gestern etwa „Mr. Big“ von FREE und, ziemlich nah dran am Original und ziemlich genial, „One of these Days“ von PINK FLOYD). Auch Lieder der 2014 aufgelösten ALLMAN BROTHERS gehören zum Repertoire (in Frankfurt: „Kind Of Bird“) sowie Soloveröffentlichungen von Haynes („I’ll Be The One“). GOV’T MULE spielen meist ohne Vorband, weil sie den Abend mit zwei Sets inklusive Pause durchaus alleine füllen – supporten aber gerne von ihnen verehrte Bands wie demnächst ZZ TOP in den Staaten.
Letztendlich bewiesen GOV’T MULE in den insgesamt drei Stunden mehr Konzentration, Leidenschaft und Kondition als die meisten der Gäste, von denen vor der Zugabe bereits einige ermattet nach draußen trabten. Der, im Gegensatz zum Gros der Anwesenden, juvenile fünfzigjährige lokale Gitarrist ließ dann auch irgendwann das Witzeln sein und beäugte das Geschehen im lichter gewordenen ersten Drittel durchaus respektvoll. Wer weiß, vielleicht ist er ja ein Anwärter auf den Gaststar beim nächsten Besuch von GOV’T MULE in der Region, der hoffentlich nicht lange auf sich warten lassen wird. Vorher spielt Warren Haynes noch mit seiner bluegrassigen Begleitband in Deutschland – in Nürnberg (12. Juli) und Köln (16. Juli) zum Beispiel. Schöne Ausflugsziele, wie ich finde.
Links: http://mule.net/, https://www.facebook.com/govtmule, https://www.reverbnation.com/govtmule, http://www.last.fm/music/Gov’t+Mule, http://www.warrenhaynes.net/
Text & Fotos: Micha
Clip: am Konzertabend aufgenommen von Carsten
Alle Bilder:
Es wundert mich das der absolut beschissene Sound beim Govt Mult Konzert in der Batschkapp mit keinem Wort erwähnt wird?
Was nutzt mir die Freude auf eine Weltklasse Band, wenn der Sound einfach nur schrecklich und extrem nervend ist?
Das Konzert war unter diesem Aspekt eine riesen Enttäuschung und etliche Leute sind wie ich selbst, bereits nach einer Stunde gegangen, weil der Sound einfach unerträglich und eine Zumutung war.