Juz Bingen, 28.03.2013
Hier kommt der zweite Teil unserer Berichterstattung über den Benefiz-Konzertabend im Juz Bingen: Nach PJ FRANCO & THE BURNOUTS und den HICKOIDS wartete noch der Höhepunkt der Gründonnerstags-Bespaßung auf die Gäste des inzwischen ansehnlich gefüllten Juz: Die GRANNIES aus San Francisco. Der Bandname leitet sich vom englischen Kosewort „Grannie“ für „Grandmother“ (zu deutsch: Oma) her und verweist nicht etwa darauf, dass die Truppe zahnlosen Punkrock im Rollator- Tempo zum besten gibt, sondern dass sie in altbackenen Frauenkleidern daherkommt. Auf die Idee der Kostümierung kamen die Kalifornier nach Aussage ihres Sängers Dean Schieben, mit dem wir uns am Rande des Gigs länger unterhielten, „um dem Publikum den Anblick alternder und unförmig werdender Männerkörper zu ersparen“. Zweimal war die Band seit ihrer Gründung 1999 auf Tour in Deutschland, das Rhein/Main-Gebiet war aber leider damals ausgespart worden.
Schon vor Beginn des Auftritts lauerte der ein oder andere Besucher mit der Videokamera oder dem filmfähigen Fotoapparat im Anschlag auf den Einmarsch der Gladiatoren, um ja nichts zu verpassen. Und als die Jungs schließlich zu ihrer Manege (ich wähle absichtlich diese Bezeichnung, denn irgendwie hatte das Folgende etwas von einem durchgeknallten Zirkus) liefen, war klar, dass die Adjektive „bunt“, „schrill“ oder „extravagant“ für ihr Outfit eher noch untertrieben sind:
Grelle Perücken, kombiniert mit verrückten Sonnenbrillen und Hüten, dazu Blümchenkleider oder Hemdchen mit Spaghettiträgern sowie Uniformjacken, ein Kleid mit Punkrock-Patches und skurrile Accessoires wie Netz-Ärmlinge zogen die amüsierten Blicke auf sich. Den Schlagzeuger zierte eine schmucke Totenkopfmaske (diese Großmutter war scheinbar schon verblichen).In der Folge hauten uns die GRANNIES ein gutes Dutzend Songs um die Ohren; ich konnte mir nicht alle merken, dabei waren auf alle Fälle als Opener „Chain Wallet“ vom 2004er-Album „Erected Lady Man“ sowie „Toothless“, „We Ruined It“ und „For Those About To Forget To Rock“ vom gleichnamigen Release von 2012 und die Songs „Just Head“, „The Corner Of Fuck And You“, „Eviler“ und „Cranked Up
Really High“ von der just 2013 erschienenen GRANNIES & HICKOIDS-Split-LP „300 Years Of Punk Rock“.Das rockte in der Tat ungemein, so dass der ein oder andere das behördlich verordnete Tanzverbot am Karfreitag (es war ja schon nach Mitternacht) geflissentlich ignorierte – aber mal im Ernst, da kam natürlich kein Controletti und selbst wenn, hätte sich dieser ob des Tohuwabohus sicherlich erst die Augen gerieben und anschließend die Flucht ergriffen. Einer der Anwesenden vergass ob des Herumspringens sogar, dass er eine volle Bierflasche in seiner hinteren Hosentasche stecken hatte und nässte sich damit den eigenen Hintern ein. Das sah zwar doof aus, war aber an einem Abend wie diesem durchaus stilecht.
Der Gig vereinte alles, was ich an einer guten Punkrock-Show schätze: Schnelle, treibende Songs, guten Sound und vor allem: Entertainment. Kein Rumgestehe der Musiker auf der Bühne, stattdessen Action pur. Während sich die Band auf der
Bühne in allerlei Posen erging, war Frontmann Dean fast ständig im Zuschauerraum zu finden und tanzte und sang die Leute direkt an. Die Zuhörer in den ersten Reihen hatten derweil damit zu tun, über das hastig hinterher gezogene Mikrofonkabel zu springen, um der Beinschlinge zu entkommen.Der Sänger zog bei seinen Ausflügen ins Publikum alle Register – und sich selber immer weiter aus: Das schwarze Latex-Shirt fand seine Position hochgerollt über Höhe der Brustwarzen, um die Sicht auf den bleichen Bauch freizugeben, an dem Dean eine ganze Weile „gearbeitet“ haben dürfte (Ihr wisst, was ich meine). Unter dem Kleidchen kam eine etwas eng geratene, silberfarbene Leggins zum Vorschein, der rosa Slip darüber trug – Superhero-like – die Aufschrift „Blitz“. Und als das Party-Animal vor versammelter Mannschaft schließlich noch die Hosen ganz herunterließ und dem Publikum seinen blassen Allerwertesten entgegenstreckte (ein Foto davon ist in leicht entschärfter Form in der Galerie zu sehen), war den meisten Anwesenden das Grinsen ins Gesicht gemeißelt.
Dieses verließ uns erst wieder, als wir auf der Autobahn im Schneetreiben nach Hause fuhren; wir schreiben nun Ende März, wohlgemerkt. Sei’s drum – ein Trip, der riesig Spaß gemacht hat, und auf meiner imaginären Entertainment-Skala erhalten die GRANNIES zehn von zehn Punkten. Denn ich wüsste nicht, was ein Punkrock- Act tun könnte, um sein Publikum noch besser zu unterhalten. Schaut den unter diesem Absatz platzierten Clip an, und Ihr könnt das sicher nachvollziehen.
Links: http://www.thegrannies.com, http://www.reverbnation.com/thegrannies
Initiative „Team Blixa“: http://teamblixa.storenvy.com/,
https://de-de.facebook.com/TeamBlixa
Text, Fotos (15) & Clip: Stefan
Fotos (7): Marcus
Zum Bericht über die ersten beiden Bands des Abends, PJ FRANCO & THE BURNOUTS und die HICKOIDS, klicke hier.
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