Colos-Saal Aschaffenburg, 11.06.2013
Erinnert Ihr Euch daran, wie der ganze Retro/Vintage/Heavy-Psychedelic- Boom anfing, zumindest in unseren Breiten? Welche Band (obwohl es unter dem Radar der Öffentlichkeit die ganze Zeit über massig gute Bands gab, die in dieses Schema passten) diesen ganzen Hype, diesen Medienoverkill auslöste? Dieser Alarm, der den meisten schon längst gehörig auf den Senkel geht (obwohl die Plattenfirmen immer noch im Minutentakt solche Vintageacts signen) und letztlich sogar dazu geführt hat, dass die Genre-Opas BLACK SABBATH wieder mit einer neuen Scheibe da sind und für 80 Ocken demnächst die Frankfurter Festhalle füllen werden?
Wenn ich das alles richtig in Erinnerung habe, sind GRAVEYARD schuld. Die aus Schweden, nicht die aus Spanien. Dafür kann man sie hassen oder zutiefst dankbar sein, ich tendiere zu letzterem. Obwohl GRAVEYARD’s Glück, so groß rauszukommen und solch einen Kult auszulösen, auch mit dem Pech der Mitbewerber zusammenhängt – dem ihrer Landsmänner WITCHCRAFT zum Beispiel. Als die 2009 im Frankfurter Nachtleben aufschlugen kannte die Vorgruppe GRAVEYARD keine Sau; und als die ihren Set beendet hatten, wollte kaum noch einer WITCHCRAFT sehen (aus Höflichkeit, höchstens). Bei GRAVEYARD stimmte alles: Ebenso wie bei ihren Konkurrenten
speiste sich deren Klang aus dem Sound der Siebziger-Jahre-Blues- und Psychedelic-Rocker, aber mit einem Höllenhund von einem Sänger und einer an Punkrock erinnernden Darbietungsgeschwindigkeit. Das Debütalbum konnte man auf dem Konzert kaufen und war/ist annähernd genauso geil wie dieser Auftritt es war.Dann das nächste Album, „Hisingen Blues“: Wer die Band vorher noch verschlafen konnte, hatte jetzt keine Gelegenheit mehr dazu. Ähnlich wie aktuell KADAVAR wurden GRAVEYARD mit sonstwem auf Tour geschickt, die
Magazine mit Appetithäppchen in Form genialer Songs gefüttert und GRAVEYARD spielten alle an die Wand, auch die als Trio wieder vereinigten C.O.C. in der Wiesbadener Räucherkammer (April 2011). Keine Pause – Tour, Festivals, nächste Platte, nächste Tour. Zwischen zwei Festivals durften wir GRAVEYARD dann noch mal in einem Club sehen, Halleluja, was für ein Glück: im Colos-Saal! Doch können die noch? Begeistern sie genauso wie damals im Nachtleben oder in der Räucherkammer?Bevor aber GRAVEYARD loslegten, durfte erstmal das niederbayerische Trio RADIO HAZE (Foto links) ran, das durchaus ihre Fanbase vor Ort hatte und ebenso wie der Headliner im Internet als Retroband bezeichnet wird. Ich werde über diese Formation hier aber nicht viel schreiben, weil das, was mir einfällt, eher unfair wäre. Sie spielten eine halbe Stunde und kamen gut an, mir gefielen sie aber nicht und das hat sich durch das Probehören ihrer Longplayer auch nicht geändert, leider. Aber das ist ja nur mein Geschmack, andere fanden RADIO HAZE definitiv gut.
Und GRAVEYARD? Die fingen pünktlich um 21 Uhr an und spielten einen ausgewogenen Schnitt durch ihre drei Alben. Sie hatten es allerdings schon deswegen etwas schwerer bei mir, weil ich ihr drittes Album „Lights Out“ weitaus weniger mag als die beiden Vorgänger. Außerdem nehme ich es ihnen noch ein wenig krumm, dass sie in der Vergangenheit öfter über ihr Publikum lästerten, das angeblich zum Großteil aus „übergewichtigen Plattensammlern“ besteht. Nun, ich war trotzdem da und nahm der Band die Sicht auf ein paar ausgelassen feiernde Mädels hinter mir; aber Songs wie „Ain’t Fit To Live Here“ oder „Hisingen Blues“ sind einfach die Macht, auch wenn sie, wie hier, eher routiniert als leidenschaftlich dargeboten werden.
Meine mitgeschleppten Kumpels, die GRAVEYARD erstmals live sahen, waren jedenfalls begeistert; und ich war auch mehr als zufrieden. Vor halb elf war dann
nach einer Zugabe Schluss, die Setlist glich der in den anderen Clubs sehr und kann sogar identisch gewesen sein. Innovationen finden definitiv woanders statt; aber auch in diesem Genre werden die nächsten Säue ja bereits durch die Dörfer getrieben, wie zum Beispiel ORCHID aus San Francisco. Diese waren übrigens kürzlich mit den Schweden WITCHCRAFT auf Tour; und ja, ich denke, WITCHCRAFT haben das Prädikat „Pechvogel“ damit wirklich verdient.Links: https://myspace.com/graveyardsongs, http://www.lastfm.de/music/Graveyard, http://www.radio-haze.de/, https://myspace.com/radiohazeband, http://www.reverbnation.com/radiohaze
Text & Fotos: Micha
Clip: aufgenommen am Konzertabend von Dirk K.
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