Posthalle, Würzburg, 15.11.2014
Hier folgt der zweite Teil unserer Berichterstattung über die neunte Ausgabe des HAMMER OF DOOM FESTIVALS in der Würzburger Posthalle.
Als am nächsten Morgen um 9 Uhr der Wecker klingelte, zweifelte ich an meinem Verstand, machte ihn (den Wecker) aus und schlief weiter. Als ich dann gegen halb zwölf zu mir kam, war mein Zug weg und mein Zug-gebundener Sparpreis somit hinfällig. Egal. Ich zog mir ein neues Ticket und kam in Würzburg an, während die Griechen DOOMOCRACY (Foto unten) spielten. Ich hörte, bevor ich sah, dass da wieder eine Frau am Mikro stand, aber Pustekuchen – das war eine der Non Female Fronted Bands. Klang nicht ganz so. Auch wenig wie Doom, eher nach schlechtem Epic- Metal, mein Ding war das nicht. Verpasst hatte ich vorher leider WUCAN aus Dresden sowie MIST aus Slowenien – beide mit Sängerinnen, letztere fast komplett weiblich am Start und wohl auch nicht verkehrt musizierend. Tja, schade.
Mir war es in erster Linie wichtig, MOUNT SALEM zu sehen. Vorher ließ ich mich auf EPITAPH ein, für mich eine alte deutsche Krautrockband, aber nein – Italiener waren gemeint. Die auch nicht erst seit gestern musizieren, sondern schon seit den Achtzigern, schreibt der Metal Hammer. Erstes Demo 1988, dann noch zwei in den Neunzigern; schließlich das Debüt-Album 2014, liest man bei der Encyclopaedia Metallum. Während der Umbaupause hockte der Sänger Emiliano Cioffi am Bühnenrand und inspizierte den Mob. Zu Beginn des Auftritts lief er zum Mikro um die folgenden 45 Minuten Aufsehen erregende Kämpfe mit seiner „bösen“ linken Hand auszufechten, Blut zu spucken (in Form eines roten Handtuchs, auf dass er biss), magische Getränke zu entzünden und zu trinken (bzw. so zu tun als ob) und summa summarum die beste Show des Festivals zu bieten – irgendwo zwischen faszinierend und hochnotpeinlich.
Auch der im klerikalen Gewand agierende Bassist und die barfüßigen Priesterinnen wirkten vielleicht nicht so würdevoll, wie sie es sollten; wenn man sich aber vom entsetzten „Meinen die das ernst?“ frei gemacht hatte, blieb ein richtig geiles Metal-Konzert auf Schultheaterniveau. Für mich war das eine echte Überraschung und einer der Gründe, warum ich dieses Event so mag: Außerhalb dieses Festivals hätte ich diese Combo niemals auf dem Schirm gehabt. Nun gehören sie für mich zu den Highlights des Wochenendes. Der Frontmann sah das vielleicht auch so und exte die orangene Flüssigkeit aus der magischen Pulle, deren Genuss er vorher nur andeutete, nach dem Auftritt. Großes Kino, wenn auch von Troma.
Tja, und dann MOUNT SALEM. Retrorock mit Frontdame, mal wieder, mal wieder gut. Saugut, in diesem Fall. Das Album „Endless“ läuft bei mir in Dauerschleife, Organistin und Sängerin Emily Kopplin bezauberte mich schon lange, bevor ich sie sehen durfte und tat dies auch auf der Bühne in Würzburg. Gitarrist Kyle Morrison mag ähnlich auf andere wirken, gefiel mir aufgrund seines hingebungsvollen Gitarrenspiels aber auch außerordentlich. Die Erben von JEFFERSON AIRPLANE und FRUMPY, sie sind mir willkommen, mögen sie auch noch so (zu?) zahlreich sein. MOUNT SALEM trafen schon des öfteren in letzter Zeit auf SAINT VITUS und sind wohl weniger was für deren hardrockende Anhängerschar und mehr was für die Blumenkinder mit Hang zur verschlagenen Bosheit; ein Besuch des Sky High-Festivals in Frankfurt würde sich da vielleicht noch eher anbieten als einer auf einem Doom-Festival. Allerdings durchbricht das Konzept des HAMMER OF DOOM ständig Genregrenzen und kredenzt damit Vielfalt auf höchstem Niveau.
Die übernächste Band stellte das vielleicht am eindrucksvollsten unter Beweis, aber auch die folgenden HAMFERD von den Färöer Inseln wiesen darauf hin. In geschniegelten Anzügen zelebrierte die seit 2008 existierende Formation einen schleppenden Funeral-Doom, dem ich nicht gewillt war zu lauschen, weil eine Pause mit Toilettenbesuch, Pizzastück und Keilerbier anstand. Was ich mitbekam klang jedoch interessant genug, um die Gruppe weiter zu verfolgen. Heute jedoch nicht. Schließlich musste ich bereit sein für:
THE RUINS OF BEVERAST. Nihilismus! Bibelkenntnis! Nordische Mythologie! Musikalisches Eigenbrötlertum, bzw. Ich-Bin-Meine-Eigene-Band: TROB sind Black Metal as fuck, mit Öffnung in Doom- und Dronebereiche. Das verlässt schon mal den Rahmen konventioneller Rockmusik und ist Lichtjahre entfernt vom geschätzten Retro-Geschwurbel, welches vorhin noch meine Ohrmuscheln entzückte. Das hier hat etwas von einer Messe, einer Offenbarung, einer spirituellen und geistigen Reinigung. Ich weiß nicht, was mir Alexander von Meilenwald mit seiner allein im Studio eingespielten Kunst sagen will und es ist mir auch egal – was sie mit mir anrichtet, nicht. Live mit diversen Mietmusikanten entfachte das Ex-Mitglied von NAGELFAR nicht die gleiche Wirkung auf mich wie die sphärischen Tonträger, schaffte es jedoch als einzige Band des Festivals, ein paar gedankliche Synapsen anzuschalten, die sonst im biergeschwängertem Wohlfühlbereich wattiert worden wären. Wogegen im Prinzip ja auch nichts einzuwenden ist.
AVATARIUM zelebrierten das Wattieren ähnlich famos wie zuvor MOUNT SALEM; nur die Tatsache, dass die Band vom Ex-CANDLEMASS-Basser Leif Edling 2012 gegründet wurde lässt den begründeten Verdacht der Trendreiterei zu. Wenn man diese jedoch mit Musikanten beackert, die so dermaßen viel Spaß am Spiel haben wie Edling selbst, Gitarrist Marcus Jidell und vor allem die unfassbar souveräne Jennie-Ann Smith, dann erübrigt sich jeder Sell-Out-Vorwurf sofort. AVATARIUM spielen großartige Songs fernab jeder Innovation, dabei so lässig und leidenschaftlich, dass Marktkonkurrenten wie die am Vortag spielen JESS AND THE ANCIENT ONES sogar komplett überflüssig zu sein scheinen. „Okkult“ wie die in der Tradition von COVEN agierenden JATAO und MOUNT SALEM wirken AVATARIUM dabei nicht, dafür haben sie, ähnlich wie die letztes Jahr hier überzeugenden BLUES PILLS, einfach zu viel Spaß an der Sache. Nach 20 Jahren mit den tieftraurigen CANDLEMASS hat sich Edling den auch redlich verdient.
ORANGE GOBLIN tourten gerade mit SAINT VITUS und haben mit ihnen das räudige Bikertum gemein, sind aber so weit entfernt vom Doom Metal wie NIRVANA vom Euro-Dance. Trotzdem schön, sie hier zu erleben, weil sie einfach klasse sind. Im Heimatland England weiß das schon jeder und ORANGE GOBLIN spielen auf herausragenden Positionen auf den fettesten Festivals; in Deutschland werden die Straßenstars erst noch entdeckt. Dabei bedienen sie geschickt eine Schnittmenge aller underground-kompatiblen Metalgenres und verarbeiten Einflüsse aus Classic Rock, Thrash Metal, Black Metal und Punkrock und sind damit vielseitig buchbar. Auch aus der Posthalle machen sie eine Rock’n’Roll-Party-Meile, die sich zum Klimax hin etwas entschlackt. Vielleicht, weil vom Wino-losen Headliner SAINT VITUS nicht mehr viel erwartet wird, ich habe keine Ahnung.
Ich musste zum ICE nach Frankfurt. Andere Blogger berichteten vom Schwanengesang der US-Amerikaner aus L.A., deren Songs vom Gitarristen Dave Chandler und Gaststars wie John Perez von SOLITUDE AETURNUS, wohl der Tourmanager der Band, intoniert wurden. Wie auch immer. SAINT VITUS habe ich damit nach Auftritten im Cookys, im Rind und im Colos-Saal zum vierten und wahrscheinlich auch letzten Mal bewusst verpasst. Mit MOUNT SALEM, AVATARIUM, THE RUINS OF BEVERAST, TROUBLE, KADAVAR, JATAO und vor allem EPITAPH aber ein paar Schnittchen genossen, an denen ich mich noch lange erfreuen werde. Nächstes Jahr dann aber SÓLSTAFIR und vor allem PRIMORDIAL bitte, das wird ja wohl noch drin sein, bei diesem Konzept. Und mit SUBROSA oder den SPIDERS fehlen auch noch ein paar coole Bands mit Frauen am Mikro. Oder ein Reunion-Konzert von FRUMPY? Man wird ja wohl noch träumen dürfen…
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Text, Fotos & Clips: Micha
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