HAMMER OF DOOM FESTIVAL XIV, Teil 1

Posthalle, Würzburg, 15.11.2019

Crestfallen QueenWie schon häufiger in diesem Blog erwähnt ist das jedes Jahr im November stattfindende Hammer Of Doom mein Lieblingsfestival. Also, von denen, auf die ich gehe. Insgesamt, vom Line-Up her, wäre es das Roadburn Festival. Da bin ich aber nie. Ich gehe überhaupt selten auf Festivals – und wenn, dann sollten die überdacht sein und ich die Möglichkeit haben, im eigenen Bett zu schlafen. Ups, Festival-Auswahl stark ausgedünnt. Egal, Line-Up-technisch käme das HoD so oder so knapp hinterm Roadburn, obwohl ich gar nicht so ein Doom-Fan bin. Klingt merkwürdig – ich muss das jedoch abermals ausführen, damit sich niemand wundert, wenn hier ansatzweise heilige Kühe geschlachtet werden. Zum Beispiel geht das, was die Liebhaber des Epic-Doom oder Funeral-Doom geschlossen abfeiern, mir oft am Allerwertesten vorbei.

Allerdings bleiben immer (und deswegen liebe ich das HoD) genug Ausreißer übrig, die den Pfad der Trvness verlassen; neue Facetten werden präsentiert sowie mehr oder weniger stimmungstechnisch Artverwandtes aus anderen Genres kredenzt. Desweiteren ist der Anteil von modernen oder etablierten Hammer Of Doom XIVClassic-Rock-Acts unverändert hoch – von den teils exklusiv zum Festival

Blick in die Posthalle

wieder- oder neuvereinigten Formationen ganz zu schweigen. Und dann noch die Entdeckungen – die ganz jungen Bands, die vor dem Festival niemand auf dem Schirm hatte. Würzburg im November lohnt sich also. Trotz einiger… tja, trotz vieler Umstände eigentlich. Ein paar gehen ausschließlich auf mein Konto, andere drängen sich gnadenlos von außen auf.

Hammer Of Doom XIV FlyerEiner der letzteren Umstände ist die Deutsche Bahn. Einst beging ich den Fehler, für den ICE Richtung München am Freitag Nachmittag keinen Sitzplatz zu reservieren. Big Fail. Außer man möchte ausprobieren wie faltbar der eigene Körper sein kann, ob er in eine Gepäcknische zwischen zwei Sitzreihen passt oder gleich aufs Gitter oben drüber. Doch auch mit Reservierung braucht man starke Nerven. Dieses Mal vergingen mehr als zehn Minuten, bis ich überhaupt in den verspätet eingetrudelten Zug hineinkam und weitere fünfzehn, bis ich meinen Platz erreichte. Die Mittelgänge verstopft mit Mensch wie Gepäck, die Plätze belegt von Reisenden die hofften, bei der angezeigten Reservierung könnte es sich um einen Scherz handeln. Die Drohung des Schaffners, den Zug stehen zu lassen wenn die Leute Crestfallen Queenohne Platzkarte nicht wieder aussteigen, verhallte lange ungehört. Doch die Anreise war früh genug um pünktlich zur ersten Band vor der Bühne zu stehen, zum Glück.

Denn der Opener, CRESTFALLEN QUEEN aus Stuttgart, hatte meine ganze Aufmerksamkeit verdient. Das Quintett war eine dieser oben beschriebenen Entdeckungen. Gegründet 2016, veröffentlichte es bisher ein Demo 2018 (Demo den Monats im Deaf Forever) sowie sein Debüt-Album „Queen of Swords“ in Crestfallen Queendiesem Jahr. Beide sind bei Streaming-Diensten verfügbar und laufen bei mir nach diesem Wochenende abwechselnd in Dauerschleife. Die Musiker, welche sich als Namen jeweils nur einen Buchstaben

CRESTFALLEN QUEEN

zugestehen, sind als Band Newcomer – klingen allerdings nicht so. Ihr psychedelischer, angeschwärzter Doom-Rock mit gelegentlichen Growls überzeugt auf ganzer Linie. Ob die Akteure bereits woanders musikalisch ihre Spuren hinterlassen haben entzieht sich meiner Kenntnis – und sogar die Online-Bibel Encyclopaedia Metallum muss da passen. Die 45 Minuten Spielzeit wurden mit vier Tracks aus dem Debüt gefüllt und souverän wie optisch interessant dargeboten. Ein ziemlich geiler Festivalanfang und ein Highlight in meiner subjektiven Endabrechnung.

Crestfallen QueenNochmal zurück zum Frankfurter Hauptbahnhof, dem Ort der etwas stressigen Anreise: Zu meinen täglichen Hauptbeschäftigungen gehört das augenrollende Ignorieren der dort missionierenden Zeugen Jehovas, die einem stets mit vorgetäuschter Freundlichkeit ihre mies gezeichneten Märchenhefte entgegenstrecken. Warum ich das hier erwähne? Weil ich vor Missionaren lieber fliehe als ihnen entgegen zu fahren. Und weil der Rest der HoD-Künstler am Festival-Freitag in mir kurz die Befürchtung aufkommen ließ, auf einem Kirchentag gelandet zu sein. War der tätowierte Ziegenschädel auf dem Oberarm der CRESTFALLEN QUEEN-Sängerin und Keyboarderin E noch ein Indiz für die im Metal angeblich vorherrschende Abkehr vom gesellschaftlichen Mainstream, so trugen Mitglieder aller später Orodruinauftretenden Formationen Kreuze um den einen oder anderen Hals. Jaja, Glaube ist Privatsache, interessant ist das trotzdem. Auch, wie sich dieser Glaube künstlerisch niederschlägt oder ob überhaupt.

ORODRUIN

Geschmack ist ebenfalls Privatsache – und so möchte ich betonen, dass ich die als zweite aufspielende Band des Abends, ORODRUIN aus Rochester (New York), nicht als eine schlechte darstellen möchte sondern nur als eine, die mir nicht gefiel. Allerdings auf mehreren Ebenen. Das von ORODRUIN personifizierte Genre ist nicht mein Fave (wie beschrieben) – eine stilistische Parallele zu Szene-Größen wie WARNING, wie sie im aktuellen Deaf Forever im Interview beschrieben wurde und die mir auch ziemlich schnuppe sind, ließ Orodruinzudem vermuten dass ich nicht, wie der größte Teil der DF-Forum-User nach dem Konzert, krass steil gehen würde. Geschenkt. Handwerklich war das, was das Trio (das sich live am Schlagzeug mit Kevin Latchaw von ARGUS verstärkt, so er das denn war) fabrizierte, über jeden Zweifel erhaben. Den Fans, die zwischen dem gepriesenen Debüt-Album und dem unlängst erschienenen Zweitling ganze 16 Jahre warten mussten, wurde durch die Verpflichtung ORODRUINs ein riesiger Gefallen getan.

OrodruinIch fand es irgendwann jedoch nur noch langweilig und orderte das erste Keiler-Weizen. Hätte ich dort schon die pathetischen, gottesfürchtigen Texte verstanden – in denen beispielsweise „die Macht von oben“ beschworen wird um den „ungläubigen Dienern“ die „Schicksalsfrage“ zu stellen – hätte ich mich um was Stärkeres bemüht um mir die Truppe schön zu saufen. Definitiv nicht meine Baustelle, bisher stand es 1:1 in meiner Konzertwahrnehmung.

AntimatterNächste Combo, nächstes Kreuz. Nicht Mick Moss trug es, der ewig grantelige

ANTIMATTER

Boss und alleinige Herrscher über ANTIMATTER, sondern sein Gitarrist, der ihm seit Jahren hilft seine musikalischen Visionen live umzusetzen und dessen Name so schwer zu erfahren ist, weil auf den Studioplatten eben nicht dabei. Dave Hall heißt er, zum Glück gibt es Live-Veröffentlichungen. „Alle anderen außer mir sind austauschbar bei Antimatter“ – so ähnlich verkündete es Moss mir Antimattergegenüber bei einem kurzen Verkaufsschwatz 2013 in Darmstadt/Mühltal. Ein bisschen christliche Demut hilft Hall bestimmt beim Unsichtbar-Machen. Moss bzw. ANTIMATTER verantworten ebenfalls spirituelle Texte, die sich christlich lesen lassen können, beleidigen den Verstand aber nicht so eklatant wie es die von ORODRUIN tun.

Musikalisch ist das eine so andersartige Baustelle, dass viele Gäste den Auftritt von ANTIMATTER zum geselligen Klönen im hinteren Bereich der Halle nutzten oder die mannigfaltigen Verkaufsstände inspizierten. Doch gab es auch Novizen im Saal, die von dem alternativen sowie eigentlich komplett unmetallischem Sound von der Bühne bezaubert wurden und anschließend den Merchstand leerten. Leider fehlten bei Antimatterder Live-Umsetzung die stimmungsvollen orientalischen Instrumente, das Saxophon und die Flöte, deren Klänge den noch aktuellen Longplayer „Black Market Enlightment“ zieren – ambientartige Atmosphäre stellte sich trotzdem ein. Moss mag ein schwieriger Zeitgenosse sein, ein besonderer kreativer Geist ist er jedoch in jedem Fall. Demnächst kommt ein Album mit Streichquartett. Zweites Highlight.

The SkullAls TROUBLE 1985 „The Skull“ veröffentlichten war die „frohe Botschaft“ als Gegengewicht zum vorherrschenden und mal mehr, mal weniger ernst gemeinten Satanismus von Bands wie VENOM oder MERCYFUL FATE zu

THE SKULL

verstehen. „Practice What You Preach“ (TESTAMENT) war anscheinend nicht immer die Devise aller Bandmitglieder und der belehrende Zeigefinger gehört schon lange nicht mehr zu den Kernbotschaften der Formation – nur war das hier gar nicht TROUBLE, die wie einst 2014 das HoD beehrten und deren Sänger Kyle Thomas inzwischen wieder bei seiner Asi-Thrash-Combo EXHORDER lärmt. TROUBLE machten ebensolchen, indem sie ganz unchristlich laut Informationen des Veranstalters Oliver Weinsheimer (hier) dem Mammon arg zusprechen wollten.

The SkullZum Glück gibt es ja noch THE SKULL um den Ur-TROUBLE-Sänger Eric Wagner sowie den später zu TROUBLE gestoßenen Bassisten Ron Holzner, die, laut Weinsheimer, „Im Gegensatz zu Trouble … heiss und motiviert (sind) für Euch zu spielen.“ Die machten keine Gefangenen und spielten das, was die meisten von ihnen hören wollen, wenn sie zum Beispiel wie hier und hier die Clubs unsicher machen: ein reines TROUBLE-Set. Mit einem Gitarristen, der definitiv nicht Rob Wrong von WITCH MOUNTAIN war sowie ein unchristlisches Slasher-Film-Shirt trug, durften THE SKULL 75 Minuten lang die reine, harte Doom-Lehre zocken; fast alle verzückend. Zumindest die, die ihren Doom kräftig rock’n’rollig mögen. Drittes Highlight.

Dass am Ende Uli Jon Roth mit seiner Band und Gästen aus den Annalen seiner SCORPIONS-Vergangenheit den Sack des ersten Veranstaltungstages zumachte war eine hervorragende Idee, der ich leider nicht beiwohnen konnte/wollte weil der letzte Zug gen heimatliches Bett rief. Selten ärgere ich Uli Jon Rothmich über den Verlust der Headliner-Show mit meinem verqueren HoD-Geschmack, dieses Mal aber schon.

ULI JON ROTH

Uli, ebenfalls Kreuzträger, wurde bei ein paar Stücken von Rudy Lenners sowie von Doobie Fechter unterstützt – beides ehemalige SCORPIONS-Schlagzeuger. Laut DF-Forumsreporter Babeliron (von dem auch die Uli-Fotos stammen, danke dafür) allerdings nicht sehr lange. „All Along the Watchtower“ von Bob Dylan, genialisiert von Jimi Hendrix und immer wieder famos dargeboten von Uli Jon Roth, hätte ich gerne gehört, während ich bereits in Frankfurt dem Schlummer anheimfiel. Der Festival-Samstag würde Kraft erfordern.

Links: https://www.facebook.com/CrestfallenQueen/, https://crestfallenqueen.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Crestfallen+Queen, https://www.facebook.com/orodruinofficialband/, https://orodruin.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/Orodruin, https://www.antimatteronline.com/, https://www.facebook.com/antimatteronline/, https://www.last.fm/de/music/Antimatter, http://theskullusa.com/, https://www.facebook.com/troubletheskull, http://www.last.fm/music/The+Skull, http://www.ulijonroth.com/, https://myspace.com/ulijonroth, http://www.lastfm.de/music/Uli+Jon+Roth

Text & Fotos (29): Micha
Fotos (4): Guido Babel
Clip: am Konzertabend aufgenommen von Javier Maksalon-Diaz

Alle Bilder:

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