Posthalle, Würzburg, 17.11.2017
Festivals und ich, wir haben es nicht so miteinander. Warum das Hammer of Doom, jeden November in der Posthalle Würzburg stattfindend, eine Ausnahme darstellt, habe ich im Bericht zu meinem letzten Besuch 2014 hier geschrieben. An meinen Macken und damit verbundenen Einschränkungen hat sich seitdem nichts geändert – noch immer nutze ich die Tatsache, dass mein eigenes Bett analog zur Posthalle Würzburg in unmittelbarer Bahnhofsnähe liegt dazu, in eben diesem zu nächtigen. Was, wegen der letzten Verbindung zwischen Würzburg und Frankfurt gegen 23 Uhr, dazu führt, dass ich die Headliner kaum oder gar nicht sehen kann. Für das Gros der Festivalgänger wäre das unzumutbar – für mich, der ich meist mehr Interesse habe an den präsentierten Grenzgängern des Festivals als an den als Letzte aufspielenden Ikonen des Genres, ist das in der Regel zu verschmerzen. Das war es diesmal leider nur halb, dazu später mehr.
Nach meiner dreijährigen Pause freute ich mich dieses Jahr besonders auf das Festival, hatten sich doch einige Formationen angesagt, die ich sehr mag und schon lange sehen, bzw. gerne wieder erleben wollte. Einige kannte ich gar nicht – so den Opener sowie den Headliner am Freitag. Bei ersterem, THE TEMPLE aus Griechenland, ließ sich das aber leicht korrigieren – ihr Album „Forevermourn“ (alleine wegen dieses Titels gehören die auf das HoD) ist bei Streaming-Diensten zu hören. Werbung für ein frühes Erscheinen machte das in meiner Welt allerdings nicht, zu altbacken und zu wenig außergewöhnlich klang das für mich, zumindest nach einmaligem Hören.
THE TEMPLE
Naja, live kommt sowas ja meist viel frischer rüber – und auch in diesem Fall war das so. Die zu drei Vierteln runderneuerte Combo (nur der Bassist und Sänger Father Alex hält das Bandzepter seit 2005, die aktuellen Mitstreiter stießen erst 2014 und 2015 dazu) spielte traditionell, klar – aber das ist keine Schande, schon gar nicht auf einem Genre-Treffen. Nur der Extrakick, um danach die Diskografie aufzukaufen – der fehlte leider völlig. War aber ein solider Starter, der Lust auf mehr machte. 45 Minuten die mir vorkamen wie … 45 Minuten.
Wenn man sich schon mindestens 1,5 Tage auf einem Festivalgelände aufhält, ist die Verpflegungssituation auch nicht so ganz unwichtig, finde ich. Was die angebotene Biersorte angeht, wird diese Einschätzung von den meisten Metal-Fans geteilt. Wenn es darum geht, wie man das Bier später wieder los wird, anscheinend nicht so sehr. In Würzburg gibt es natürlich Würzburger Hofbräu – und das mögen die meisten nicht besonders, geht man nach Diskussionen über dieses Thema in den Online-Foren der Metal-Communities. Ich auch nicht. Ausgeschenkt wird aber auch Keiler-Weizen, und damit ist das Wochenende in den Tüchern.
Das Essensangebot (für welches die Festival-Betreiber nichts können, das obliegt alles der Hallenleitung) ist leider, wie so oft in großen Spielstätten, vorsintflutlich. Vor der Halle ein Bratwurststand mit Steaks und Pommes, in der Halle Pizzastücke mit oder ohne Fleisch. Die Burger-Ecke, die bei meinen letzten Besuchen noch da war, ist inzwischen verschwunden. Vegetarische Optionen gibt es wenige, vegane gar keine. Das ist in der Frankfurter Festhalle ja nicht anders, aber beschissen ist das trotzdem. Hinter dem kultigen Plattenmarkt in der Mitte der Halle ist zwischenzeitlich aber noch eine feine Sitzecke entstanden, die auch ausgiebigst zum Chillen genutzt wurde.
Das Personal an der Theke und Garderobe war an Freundlichkeit kaum zu überbieten, und auf die Security traf das auch zu. Der Umgang mit den Fotografen, egal ob professionelle oder Hobbyknipser, war beispiellos respektvoll – selten sah ich im Fotograben so viele Smartphones und kleine Kompaktkameras. Hier durfte man auch ohne Pass mal kurz rein, und umgekehrt störte es niemanden, wenn man mit einer Profikamera nach dem dritten Song noch aus dem Publikum fotografierte. In der Frankfurter Batschkapp oder dem Schlachthof in Wiesbaden wird man wegen so etwas rausgeworfen. Eine reine Wohlfühl-Arena also – wenn man das Männerklo mal außen vor lässt. Aber das ist eben so bei Metal-Konzerten, seufz. Der leidgeprüften Putzfrau konnte man ihren Gesichtsausdruck beim Ausüben ihres Jobs jedenfalls nicht verübeln.
Die zweite Band stellte für mich einen der Hauptgründe zum Besuch des Festivals dar. Verfolgt man besagte Metal-Foren war ich damit in der Minderheit, doch die Italiener WITCHWOOD waren, wie die Speisekarte der Halle, sehr retrolastig und verkörperten damit einen der Schwerpunkte, der mich immer wieder zum Festival zieht. Für die meisten Besucher sind es Namen wie COUNT RAVEN oder PENTAGRAM – für mich eher Combos wie die in der Vergangenheit hier aufgetretenen BLUES PILLS, MOUNT SALEM, KADAVAR oder BLOOD CEREMONY.
WITCHWOOD
Mit letzteren verbindet WITCHWOOD die Flöte in bester JETHRO TULL-Tradition. Dass die Formation aber auch ellenlange Stücke produziert, die so auch von der ALLMAN BROTHERS BAND stammen könnten, ist eine wenig erwähnte Tatsache, die mich über die folgende Dreiviertelstunde jubeln ließ. Dass mit „Flaming Telepaths“ ein BÖC-Song gecovert wurde (den die Band auf ihrem aktuellen Longplayer „Handful of Stars“ bietet) ließ die meisten Anwesenden aufhorchen, richtig überzeugt wurden die Doom-Freaks aber nicht. Ich schon. Erstes Highlight. 45 Minuten die mir vorkamen wie 20 Minuten.
Und das nächste Highlight folgte auf dem Fuße: PROCESSION aus Chile, bzw. Schweden mit Mitgliedern auch aus Dänemark, wenn ich das richtig sehe. Ich hatte die Formation bereits 2013 beim HoD VIII erleben dürfen, und mit „Doom Decimation“ hat sie eine fette, neue Veröffentlichung am Start („Now – Doomsday Has Come“ singen PROCESSION darauf passenderweise). Überhaupt ist das eine Combo mit der Aura eines Rudels räudiger Straßenköter. Ich liebe sie. Drummer Uno Bruniusson spielte bei Lieblingsbands von mir wie IN SOLITUDE und den GRAVE PLEASURES.
PROCESSION
Stilecht „gefährlich“ gab es bei PROCESSION extremen Nebel, als Band mit großem Bezug zum Black Metal macht man das heutzutage ja nicht mehr ohne. PROCESSION spielen in einer eigenen Liga, sie sind Doom, Black, Rock’n’Roll und Punkrock. Und einfach nur Metal. Mit vier Stücken der aktuellen Scheibe und drei älteren Tracks war das ein erster Abriss, der „Zugabe“-Rufe provozierte. Doch Boss Felipe Plaza winkte ab: „LUCIFER’S FRIEND kommen jetzt.“ 45 Minuten, die sich anfühlten wie 15.
Als ich im Vorfeld las, dass LUCIFER’S FRIEND aufspielen würden (und zwar nicht als Headliner, wichtig in meinem Fall), war das Ticket gekauft, egal wer noch gekommen wäre. Deren erstes Album (das einzige, welches ich bis vor kurzem kannte), erschien 1971, die Single „Ride the Sky“ war ein früher, deutscher Hardrock-Klassiker.
LUCIFER’S FRIEND
Am Mikro, damals wie heute (mit Unterbrechungen): John Lawton (links), der zwischendurch bei URIAH HEEP sang („Free Me“ ist eines seiner Stücke) und in den Siebzigern auch zu den damals populären LES HUMPHRIES SINGERS gehörte (ein kommerzielles und sehr erfolgreiches Unternehmen, welches gesäuberte Hippie-Inhalte in souliger Chorform in Musiksendungen wie die Starparade im ZDF und in die Charts brachte).
Lawton ist, ungleich manch anderer Rock-Ikone, immer noch amtlich bei Stimme, die Verpflichtung dieser Formation also weit mehr als eine Nostalgie-Veranstaltung für Altrocker. Mit den Herren Peter Hesslein an der Gitarre und Dieter Horns (rechts) am Bass gehören Musiker dazu, die in den 70ern zur Band von Jutta Weinhold gehörten (Hesslein), bei Marius Müller-Westernhagen beschäftigt waren (Hesslein, Horns) oder eines der coolsten deutschsprachigen Alben jener Zeit aufnahmen, „Blues in Blond“ von Achim Reichel (Horns). Unter anderem. Legendenalarm auf der Festival-Bühne, mindestens ebenso wie bei den Headlinern, nur eben aus einer anderen Szene. Und sie hattens drauf, wie inzwischen auf Events in ganz Europa bewiesen. LUCIFER’S FRIEND produzieren immer noch Studio-Alben, ihre Setlist beim Hammer of Doom speiste sich aus allen Phasen ihres Schaffens. Classic-Rock mit gelegentlichen Ausreißern zum AOR. Auch wegen der Verpflichtung solcher Formationen liebe ich das HoD. 75 Minuten, die mir vorkamen wie 30.
Die einzige Band, die ich bis zu diesem Wochenende nicht kannte, war der Freitags-Headliner WARNING. Ja, unkt nur – die Kommentare im Netz tropften vor vorfreudiger Ekstase bei Bekanntgabe dieses Namens, doch ich verstand nur Bahnhof, auch im Wortsinne. Kein WARNING-Album im Stream zu hören, auch das zur Gänze an diesem präsentierte „Watching From a Distance“ nicht. Sorry. Die personell teils identischen 40 WATT SUN kann man da aber hören – und falls sich beide Formationen auch im Sound ähneln (tun sie wohl), dann kuschel ich mich lieber in den Sitz des ICE. Die Fans schnappten wohl kollektiv über vor Ergriffenheit, mich hätte das aber wahrscheinlich kalt gelassen um diese Uhrzeit und nach diesem „Vorprogramm“. Lief bisher alles prächtig, alles Weitere vom nächsten Tag im zweiten Teil hier.
Links: https://de-de.facebook.com/Hammerofdoomfestival/, https://www.facebook.com/the.temple.doom.metal, https://thetemple2.bandcamp.com/, https://www.last.fm/de/music/The+Temple, https://www.facebook.com/Witchwoodband, https://jolly-roger-records.bandcamp.com/witchwood/, https://www.last.fm/de/music/Witchwood, https://myspace.com/processionburn, http://www.lastfm.de/music/Procession, http://www.lucifersfriend.com/, https://www.facebook.com/LucifersFriendOfficial, https://www.last.fm/de/music/Lucifers+Friend
Text, Fotos & Clips: Micha
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