HAMMERHEAD & AUSGEBOMBT

Oetinger Villa, Darmstadt, 27.04.2024

HammerheadWenn HAMMERHEAD zur Audienz bitten, kommen die Jünger in Scharen. Und dies hat seinen Grund, ist die 1989 in Bad Honnef gegründete Band doch neben INFERNO (R.I.P.) eine der wenigen deutschen Punk-Combos, der es gelungen ist, Hardcore auf dem Niveau klassischer US-Bands wie AGNOSTIC FRONT, CRO-MAGS und WARZONE darzubieten und dazu gleichermaßen nihilistische wie provozierende Lyrics zu liefern. Wo andere Gruppen krampfhaft bemüht sind, politische Parolen in ihren Texten zu verbraten, haben Songs bei HAMMERHEAD Titel wie „Ich sauf allein“, „Alle pissen an den Dom“ oder „Sterbt alle“ (so auch der Name der Doku über die Formation), allerdings ohne in die Gefilde des satirischen Asi-Punks der Marke EISENPIMMEL abzudriften. Das ist konsequent und folgt zugleich der ursprünglichen Philosophie des Punk: HammerheadSchreib über das, was Dich bewegt oder Dir auf den Senkel geht und ergehe Dich nicht in Szene-Plattitüden um Kochen ohne Knochen und T-Shirts, die man besser nicht ausziehen sollte. Ebenfalls erfrischend sind die Gewaltfantasien gegenüber anderen, vermeintlich intelligenten Punk-Acts: „Dem würde ich am liebsten Batteriesäure ins Gesicht schütten, diesem Arschloch.“ (HAMMERHEAD-Frontmann Tobias Scheiße 2016 in einem Interview hier über den Sänger der Formation ADAM ANGST.)

HammerheadAll das macht das Quintett zu einem liebenswerten Bulldozer, der sich unbeirrt den Weg durch das Terrain des Erhobener-Zeigefinger-Punks bahnt. Dies ist auch auf dem jüngst erschienenen Album „Nachdenken über Deutschland“ so, das den ersten Longplayer seit 26 Jahren darstellt. Das ist bei HAMMERHEAD ebenfalls Konzept: Die Jungs schreiben nur neue Songs, wenn sie Bock darauf haben. Am gestrigen Abend nun gaben sich die Rheinländer in der Darmstädter Oetinger Villa die Ehre, und dies nicht alleine, sondern im Package mit drei anderen Acts: Ebenfalls am Start waren die Kölner DR. DOSENBIER, die Berliner WÜT sowie die Tübinger AUSGEBOMBT. Das illustre Line-up brachte jedoch das Problem mit sich, dass es weitaus mehr Zuschauer anlockte als in dem kleinen Club Platz Hammerheadfinden. Da zu dem Konzert kein Vorverkauf angeboten wurde, hatten rund 100 Interessierte diesmal Pech: Sie mussten wieder den Heimweg antreten, da es bereits wenige Minuten nach dem Einlass schon „Ausverkauft!“ hieß.

Diejenigen Musikfans, die HAMMERHEAD 2016 im Frankfurter ExZess gesehen hatten (wir berichteten hier), dürften somit ein Déjà-vu erlebt haben. Unsere Reisegruppe war daher schon um halb Acht vor Ort (der Club sollte um Acht seine Pforten öffnen), sicherte sich einen Einlassstempel und quartierte sich im Anschluss in der nahe gelegenen Kneipe Hobbit zur Stärkung ein. Allerdings ließ die Pizza dort länger auf sich warten als geplant, sodass uns der Gig von DR. DOSENBIER komplett entging und wir von WÜT nur noch wenige Songs mitbekamen.

Unsere Berichterstattung startet somit bei AUSGEBOMBT, einem Quartett aus dem baden-württembergischen Tübingen, das – obwohl die Vermutung nahe liegt – keinerlei musikalische Huldigung an die deutschen Thrasher SODOM darstellt, deren Song „Ausgebombt“ zu ihren bekanntesten Tracks zählt. Der AusgebombtVierer liefert vielmehr eine Mischung aus Hardcore, Punk und Oi und bedient dabei den aktuellen Trend der Oi-Renaissance, über die wir im April bereits im Zusammenhang mit den Frankfurtern VIOLENT TIMES berichtet haben.

Obgleich es sich bei AUSGEBOMBT um eine neue Formation handelt, so sind die Musiker teilweise keine Unbekannten: Gitarrist Moritz und Schlagzeuger Kai spielen seit 25 Jahren bei den Düster-Punks HYSTERESE und Shouter Jo hat bereits als Frontmann von NIHIL BAXTER das Publikum angebrüllt. Hier sind also gestandene Musiker am Start, die ihre Erfahrung nun in AUSGEBOMBT auf ein neues Level gehoben haben. Zwar blickt das Quartett Ausgebombterst auf zwei EPs aus den Jahren 2022 und 2023 zurück, welche jeweils vier Songs enthalten, doch die beiden Scheiben haben es in sich und wurden in einschlägigen deutschen Punk-Zines mit allerlei Lorbeeren bedacht.

Live bot sich der Auftritt als brachiale, mitreißende Abrissbirne dar, die den Menschenknäuel vor der Bühne mit voller Wucht traf. Sänger Jo lieferte dabei einen gänzlich anderen Gesangsstil als bei NIHIL BAXTER, wo sich die Vocals hoch und keifend präsentierten. Bei AUSGEBOMBT huldigt er dem klassischen Oi-Stil, und brüllt bedrohlich die mal deutschen und mal englischen Texte ins Mikro. Acts wie BLITZ oder COCK SPARRER, als diese noch keine AusgebombtSchunkelmusik machten, fallen spontan als Referenzen ein. Passend dazu gab’s am Ende des Sets eine Cover-Version von COCK SPARRERs „Runnin’ Riot“. Unter dem Strich war es ein überzeugender Auftritt der Tübinger, von denen man sicher noch viel hören wird, wenn die Jungs am Ball bleiben. Die beiden 7-Inch-EPs werden übrigens von den einschlägigen Mailorder-Shops zum äußerst günstigen Kurs angeboten.

Nun war die Zeit von HAMMERHEAD gekommen, die tatsächlich seit 35 Jahren in (fast) unveränderter Besetzung spielen. Die Bühnenpräsenz des Fünfers war enorm: Shouter Tobias Scheiße, Gitarrist Danilatore, Bassist Ranen und Drummer Osche, allesamt gestandene Punk-Rock-Urgesteine, vermittelten eine HammerheadEhrfurcht gebietende Souveränität und auch Neuzugang David von den Kölner Schlager-Punks KMPFSPRT reihte sich nahtlos ins Line-up ein.

Im Gepäck hatte der Fünfer seinen dritten Longplayer „Nachdenken über Deutschland“, der für Hardcore-Freunde ein heißer Anwärter auf das Album des Jahres sein dürfte. Präsentiert wurden 19 Songs, darunter fünf von der neuen Scheibe und sechs von der 2016er EP „Opa war in Ordnung“. Vertreten waren natürlich Kracher wie „Ich sauf allein“, „Autofahrerhose“, „Handgranate“, „Hochhaus“, „Hier geht’s da lang“ und „Alle pissen an den Dom“. Die Ansagen von Tobias Scheiße bewegten sich wie gewohnt zwischen Autismus, Helge Schneider-Wortspielen und Dadaismus und ließen bei so Hammerheadmanchem Zuschauer ein Fragezeichen über dem Kopf zurück, das aber vom jeweils folgenden Song schnell wieder pulverisiert wurde. Auch das gehört zur Philosophie der Band – lyrische Verwirrung und musikalische Vernichtung liefern in ihrer Kombination ein einzigartiges Konzertereignis. Genau dies macht die Gruppe HAMMERHEAD zu einem der wichtigsten Vertreter in der deutschen Punk-Landschaft.

Hammerhead

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Die Songs waren kurz und knackig, räudig und dreckig und spiegelten die Wut wieder, die die Combo noch immer im Bauch hat. Dies ist bei einer Truppe, die bereits 35 Jahre auf dem Buckel hat, nicht selbstverständlich – aber notwendig, Hammerheadum anno 2024 noch immer relevant zu sein. Als Schlusspunkt diente einmal mehr der CRO-MAGS-Klassiker „Hard Times“, der dem tobenden Mob vor der Bühne noch einmal alles abverlangte.

Fazit: HAMMERHEAD sind nach wie vor eine sichere Bank in puncto Live-Performance und wer vom Bad Honnefer Hardcore-D-Zug bisher noch nicht erfasst und mitgerissen wurde, dem sei dringend der Besuch eines Gigs empfohlen.

Links: https://ausgebombt.bandcamp.com/, https://www.last.fm/music/Ausgebombt, http://www.hammerhead.de/, https://de-de.facebook.com/hammerhead, https://myspace.com/hammerheadpunk, http://www.last.fm/de/music/Hammerhead

Text: Marcus
Fotos: Nils (@nils.abd.photo), https://www.flickr.com/photos/194860737@N02/

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